Wahlen

Erfolg der Demokratie in Ghana

Anfang Januar 2009 hat John Atta Mills als Präsident von Ghana den nach zwei Amtsperioden verfassungsgemäß aus dem Amt scheidenden John Kufour abgelöst. Während der Wahlen wurde die Demokratie auf die Probe gestellt, letztlich verlief der Machtwechsel von der New Patriotic Party (NPP) zum National Democratic Congress (NDC) jedoch friedlich. Dabei spielte auch die internationale Aufmerksamkeit nach den Wahltumulten in Kenia und Simbabwe eine Rolle.


[ Von Susanne Giese ]

Das Rennen war knapp; beide großen Parteien hatten geglaubt, siegen zu können. Neu entdeckte Ölreserven vor Ghanas Küste versprachen jährliche Einnahmen von drei Milliarden Dollar, die Siegesprämie schien zu attraktiv, um sie dem Gegner zu überlassen. Das tiefe Misstrauen zwischen NPP und NDC fand im Wahlkampf in aggressiven Verbalattacken Ausdruck, die Parteien bezichtigten einander des versuchten Wahlbetrugs.

Letztlich verliefen die Wahlen dennoch gut. „Für erfolgreiche Wahlen ist es wichtig, dass der rechtliche Rahmen stimmt und sich die verschiedenen Akteure an die Regeln halten“, sagt John Larvie, der Koordinator der Koalition interner Wahlbeobachter (CODEO), einem Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen. Ausdrücklich zählt er zu den „Akteuren“ das Wahlleitergremium (Electoral Commission – EC), politische Parteien, die Sicherheitskräfte, die Medien, die Regierung, die Zivilgesellschaft und die Wähler.

Die nervöse Vorwahlzeit erwies sich als die Stunde der Zivilgesellschaft. In ganz Ghana gab es Fußballmatches, Läufe und Demonstrationen, in Kirchen und Moscheen wurde Frieden gepredigt. Traditionelle Chiefs und Queenmothers riefen zu friedlichem Verhalten und fairen Wahlen auf.

Doch trotz aller Bemühungen flammten lange schwelende Konflikte auf. An besonders krisenträchtigen Orten wurden Friedensforen organisiert. Unabhängige Organisationen brachten Parteiaktivisten, die EC und lokale Autoritäten zu öffentlichen Debatten zusammen. Politische Think Tanks sorgten dafür, dass die Parlamentskandidaten auf Wahlkreisebene öffentlich diskutierten. Auf dieser Bühne gingen die politischen Gegner meist respektvoll und sogar fast freundschaftlich miteinander um.

Die zivilgesellschaftlichen Wahlbeobachter des CODEO-Netzwerks setzten im Jahr 2008 mehr als 4000 Leute in allen 280 Wahlkreisen ein. CODEO war schon Monate vor dem Wahltag aktiv. Gut ausgebildete Beobachter hätten von Unzulänglichkeiten, Schikanen und Einschüchterung berichtet, sagt Larvie. So seien Patronage, Korruption, Stimmenkauf oder andere undemokratische Aktionen unterbunden worden. Dass CODEO am Schluss die Auszählungs­er­gebnisse der EC bestätigte, habe zur Glaubwürdigkeit beigetragen, berichet Larvie.

Obwohl die EC in Ghana hohes Ansehen genießt, gab es Probleme bei der Wähler­registrierung. Die EC rechnete mit 800 000 Neuwählern – zwei Millionen wollten sich registrieren lassen. Entsprechend fehlten Unterlagen, und es kam zu unschönen Situationen in den Registrierungsbüros.

„Die Menschen waren aufgebracht“, erzählt Larvie. „Die Parteien vermuteten Vorbereitungen zur Wahlmanipulation und denunzierten sich gegenseitig, aber auch die EC.“ In einer „Register-Säuberungs-Aktion“ habe die EC seither 500 000 Namen von den Wählerlisten gestrichen – Minderjährige, doppelt Registrierte und Verstorbene, sagt der CODEO-Koordinator. Diese und andere Probleme hätten aber nicht überhandgenommen. Insgesamt seien letztlich die Erfahrung und die Routine der EC in dieser angespannten Situation hilfreich gewesen.

Einige ghanaische Medien, so Larvies Urteil, informierten umfassend über den Wahlvorgang – und sie ermahnten die Menschen, sich an die demokratischen Regeln zu halten. Tatsächlich trugen die Medien neben der Zivilgesellschaft erheblich zur Transparenz im Wahlprozess bei. Sie veröffentlichten Ergebnisse und Empfehlungen aus den (Vor-) Wahlbeobachtungen und boten eine Plattform für den öffentlichen politischen Meinungstausch.

Manche Medien allerdings verbreiteten vermeintliche Informationen ungeprüft und setzten auf diese Weise teilweise verheerende Gerüchte in die Welt: Bis sich etwa eine Meldung über gestohlene Wahl­urnen als falsch erwies, hatten Parteianhänger bereits ein Hotel gestürmt, in dem sie die Urnen vermuteten.

Der Sender Joy FM berichtete live von Wahllokalen im ganzen Land. Die laufende Berichterstattung über Auszählungsergebnisse in den Wahlkreisen ist allerdings umstritten. Sorgte Joy FM auf diese Weise für Transparenz und verhinderte so das Auftauchen gefälschter Zahlen? Oder unterminierte die Berichterstattung vielmehr die Autorität der Wahlkommission?

Immerhin ließen Journalisten schon Tage bevor sich die Wahlkommission öffentlich äußerte, den Eindruck entstehen, der Wahlsieger stehe bereits fest. Derweil machten sich Anhänger der NDC, angestachelt vom Privatsender Radio Gold, auf den Weg, um die Wahlkommission, wo bereits Polizeipanzer warteten, zu belagern. Die Demonstration blieb friedlich, Parteifunktionäre kühlten die Gemüter, indem sie Speiseeis verteilten.

Die Zentralregierung sei zu loben, meint John Larvie, denn sie habe sich nie eingemischt – was leider nicht von allen Vertretern der Regierungspartei gesagt werden könne. „Aber die Zivilgesellschaft hat eingegriffen und lautstark auf Amtsmissbrauch aufmerksam gemacht, und die Medien haben kooperiert und die Erkenntnisse der Zivilgesellschaft veröffentlicht.“

Steigende Spannung

Bei der Stichwahl fehlten im ländlichen Wahlkreis Tain wesentliche Unterlagen, so dass nicht abgestimmt werden konnte. Die EC entschied, dort diesen Wahlgang am zweiten Januar nachzuholen. Die NPP jedoch rief zum Boykott auf und reichte zugleich im Eilverfahren Klage gegen die Entscheidung der EC ein. Das Land stand unter Hochspannung. Am ersten Januar wurde die Klage abgewiesen. In Anwesenheit etlicher Sicherheitskräfte sowie nationaler und internationaler Beobachter konnten auch die 50 000 wahlberechtigte Bürger in Tain ihre Stimme abgeben.

Das offizielle Endergebnis wurde am dritten Januar bekanntgegeben: Atta Mills war mit nur 40 000 Stimmen Vorsprung zum Präsidenten gewonnen. Erst 24 Stunden später gestand der NPP-Kandidat Nana Akufo Addo seine Niederlage offiziell ein.

Trotz aller Spannungen wartete die Mehrheit der Ghanaer die offiziellen Wahl­ergebnisse friedlich ab, bereit, den Sieger zu akzeptieren, ob sie ihn nun selbst gewählt hatten oder nicht. Diese demokratische Grundeinstellung ist durch die wiederholte Erfahrung friedlicher Wahlen gestärkt worden. Das zeigt sich auch im Afrobarometer, der regelmäßig Vergleichsstudien zur öffentlichen Meinung über ­Demokratie, Governance und Marktwirtschaft in mittlerweile 20 Staaten Subsahara-Afrikas durchführt.

Der ghanaische Wähler habe seine Freiheiten verstanden, sagt Larvie. „Er hat seine Rechte, an Kundgebungen teilzunehmen, wahrgenommen und sich dann über die Qualitäten seiner Führer Gedanken gemacht und darüber, ob er zustimmt oder nicht.“ Immerhin habe die ghanaische Wählerschaft bereits zwei Regierungen gewaltfrei abgewählt. „Die Parteien mögen versucht haben, sie mit Geld oder durch Drohungen davon abzubringen, aber die Ghanaer glauben an die Geheimhaltung ihrer Stimme.“

Auch die Zufriedenheit der Ghanaer mit ihren demokratischen Institutionen ist gestiegen; 2008 lag sie bei 80 Prozent. 65 Prozent der Ghanaer sagen, dass demokratische Wahlen nie oder nur selten zu Gewalt führen – noch im Jahr 2005 glaubten das nur 46 Prozent. Wahrscheinlich ist das eine wesentliche Antwort darauf, wieso friedliche demokratische Wahlen in Ghana funktionieren: Das Vertrauen der Bevölkerung in den demokratischen Prozess ist gewachsen. Nicht zuletzt US-Präsident Barack Obama hat mit seinem Besuch im Sommer bewiesen, dass Ghana in Sachen Governance international einen guten Ruf genießt.

„Ghana ist auf einem guten Weg“, sagt Larvie, aber die Gefahr davon abzukommen, bleibe virulent. Dies zeigte sich wieder im August bei einer Nachwahl in Akwatia. Das oberste Gericht hatte entschieden, die Parlamentswahl dort wegen erwiesener Unregelmäßigkeiten in sechs Wahllokalen zu wiederholen. CODEO berichtete von gefälschten Wahlausweisen, falschen Stimmzetteln, Einschüchterung und blutigen Auseinandersetzungen.

Daher fordert der ghanaische Wahlexperte Larvie die internationale Gemeinschaft auf, die Entwicklung der Demokratie in Ghana weiterhin zu unterstützen. Die Geber hätten anfangs gedacht, diese sei genügend gefestigt, um ohne Unterstützung zurechtzukommen. Aber nach den problematischen Wahlen in Nigeria, Kenia und Simbabwe änderte sich ihre Meinung. Während der Wahlen waren sieben internationale Wahlbeobachtergruppen in Ghana. Obwohl zahlenmäßig kleiner, haben sie manchmal mehr Einfluss als die inländischen Beobachter, meint Larvie. Sie würden als objektiver wahrgenommen, und man gehe davon aus, dass sie internationalen Standards folgen. Und: „Ihre Anwesenheit vertieft auch das Vertrauen in unsere eigenen Ergebnisse.“

2010 finden in Ghana Kommunalwahlen statt. Zudem hat Präsident Mills eine Verfassungsreform angekündigt, die kommunale Kompetenzen verändern würde. Eine starke und wachsame Zivilgesellschaft ist auf Dauer gefordert.

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