Unsere Sicht

Weil der Markt versagt

Armut und Krankheit bedingen einander. Arme Menschen sind häufiger und schwerer krank, da sie unter problematischen Bedingungen leben: Sie bekommen meist weniger gute Nahrung, sie leisten schwere Arbeit, und vielfach haben sie keinen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung.
TB-Patientin im Großraum Kolkata. picture-alliance/imageBROKER TB-Patientin im Großraum Kolkata.

Kranke Menschen wiederum laufen eher Gefahr, arm zu werden, weil sie häufig nicht arbeiten können und hohe Gesundheitskosten haben. Die Lebenserwartung von Armen ist geringer, und mit zunehmendem Alter leiden sie auch mit größerer Wahrscheinlichkeit an chronischen Krankheiten.

Der Wohlstand einer Gesellschaft entscheidet sich deshalb auch an ihrer allgemeinen Gesundheitsversorgung. Alle Länder mit hohen Einkommen haben umfassende Netze aus Arztpraxen und Krankenhäusern. Sie sorgen auch mit Gesetzgebung und staatlichen Sicherungssystemen dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung eine Krankenversicherung hat.

Entwicklungs- und Schwellenländer sind davon hingegen meilenweit entfernt. Dort bestimmt hauptsächlich die Kaufkraft, wer welche Behandlung bekommt. Wohlhabende haben die Möglichkeit, sich von Privatärzten – vielleicht sogar im Ausland – versorgen zu lassen. Die große Allgemeinheit muss schauen, wie sie mit dem Mangelzustand zurechtkommt.

Märkte funktionieren aber nicht in jedem Sektor – und was die medizinische Versorgung angeht, versagen sie systematisch. Wer gesund ist, macht sich in der Regel auch keine Sorgen, so dass viele Menschen Geld lieber für etwas anderes als eine Krankenversicherung ausgeben. Ohne staatliche Regulierung bleiben viel zu viele schutzlos. Wer dringend ärztliche Hilfe braucht, ist dagegen oft bereit, jeden Preis zu zahlen, kann aber gar nicht beurteilen, ob das jeweilige Angebot wirklich hilft. Auch hier hilft kompetente Regulierung und Aufsicht.

Aus diesen Gründen ist Gesundheitsversorgung eine staatliche Aufgabe und darf nicht dem freien Markt überlassen werden. Ein solides Gesundheitswesen reduziert gravierende ökonomische Risiken für Privathaushalte ebenso wie für Unternehmen. Deshalb ist es eine Grundlage für volkswirtschaftlichen Erfolg. Nur so ist garantiert, dass im Sinne der Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) „niemand zurückgelassen“ wird. Aus gutem Grund betonte die Vorgänger-Agenda der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) Gesundheitsthemen noch stärker.

Dass der Markt es nicht von selbst richtet, zeigt auch, dass es kaum Medikamente und Impfstoffe gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten gibt, da die Pharmaindustrie wenig wirtschaftliches Interesse an deren Entwicklung hat.

Entwicklungs- und Schwellenländer brauchen ein möglichst gutes und allgemein zugängliches Gesundheitswesen. Nötig sind dafür Geld und Fachwissen. Internationale Zusammenarbeit muss zum Erfolg beitragen, denn es gibt ein weltweites Interesse daran, dass Gesundheitssysteme zuverlässig funktionieren.

Das neue Coronavirus (Covir-19) belegt, dass es um globale Gemeinschaftsgüter geht. Als diese Zeilen Ende Februar geschrieben wurden, breitete sich die Krankheit überraschend schnell in Italien aus, weshalb mehrere Kommunen im Norden des Landes unter Quarantäne gestellt wurden. Die Nachrichten aus Iran waren ähnlich beunruhigend. Noch ist nicht abzusehen, welchen Schaden Covir-19 gesundheitlich, aber auch ökonomisch anrichten wird. Klar ist aber, dass arme Menschen und arme Länder besonders stark betroffen sein werden.


Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

 

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