Kunst und Kultur

Anstöße für Entwicklung

850 Millionen Menschen leben in Afrika, einem Kontinent voller Gegensätze. Oft ist in westlichen Medien allerdings mehr von Krieg und Vertreibung, Armut, Krankheit und Tod zu erfahren als von großen kulturellen Traditionen, Kreativität und überschäumender Lebensfreude, die dort aber genauso beheimatet sind. 2005 gründete die Deutsche UNESCO-Kommission zusammen mit dem Goethe-Institut die Stiftung Art in Africa. Mit dieser langfristig angelegten Kooperation sollen sowohl künstlerische Ausdrucksformen als auch der interkulturelle Dialog gefördert werden. Seit 2007 unterstützt und betreut die Stiftung gemeinsam mit afrikanischen Partnern diverse Projekte.


[ Von Stefan Rennicke ]

In den ersten drei gemeinsamen Projekten von Art in Africa und UNESCO ging es um die Förderung afrikanischer Literatur und Musik in Westafrika. In Zusammenarbeit mit der nichtstaatlichen französischen Organisation „Culture et Dévéloppement“ sollten im Senegal und in Mali Bibliotheken aufgebaut werden. Seit 2004 erhalten sie bereits Mittel für den Ankauf afrikanischer Literatur in Landessprache sowie für Verlagsprodukte einheimischer Verleger. Seit die Stiftung sich dieser Arbeit angeschlossen hat, werden derartige Vorhaben auch in Burkina Faso und Benin gefördert. Das ist auch deshalb wichtig, weil viele Bibliotheken in Afrika von Bücherspenden abhängig sind. Allerdings bestehen diese meist aus ausländischen Publikationen und unterstützen somit nicht die lokale Buchproduktion.

Neben den Büchereien wurde in Burkina Faso auch die Musiker-Kooperative Sustaining Musicians’ Co-operatives unterstützt. Sie erhielt technische Ausrüstung – moderne Aufnahme- und Wiedergabetechnik etwa – und Hilfe beim Aufbau eines nationalen Vertriebsnetzes. Zudem gibt es seither ein Sekretariat, das die Künstler in organisatorischen und juristischen Fragen berät. Ein Projektkoordinator wählt, gemeinsam mit der International Federation of Musicians, der International Labour Organization, Sustaining Musicians’ Co-operatives und der UNESCO Experten aus, die die Kooperative im Musik-Management and Vertrieb ausbilden.

Seit 1995 fördert Music Crossroads International gemeinsam mit dem Jeunesses Musicales International junge Musiker aller Stilrichtungen in Malawi, Mosambik, Sambia, Simbabwe und Tansania. Insbesondere junge Frauen werden zur Teilnahme motiviert. Jährlich finden in diesem Rahmen rund 40 Musik-Festivals, Workshops und Wettbewerbe für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren statt. Das Handbuch „Your Rights! A Musicians’ Guide to Music Rights in Southern Africa“ wurde erstellt, und darüber hinaus hat ein spezialisierter Rechtsanwalt damit begonnen, junge Künstler zu schulen. Er erklärt ihnen, wie man Verträge aushandelt, und vermittelt ihnen die Grundlagen in relevanten Fragen wie Copyright und Musiknutzungsrecht.

Wie eng Kulturprojekte auch mit den großen Problemen Afrikas zusammengehen und sich dieser annehmen, sie aufgreifen und thematisieren können, zeigt Music Crossroads ebenfalls. Eines der gravierendsten Probleme der afrikanischen Bevölkerung ist zweifellos HIV/Aids. Music Crossroads fördert Musiktalente zwischen 15 und 25 Jahren, hat sich aber ­darüber hinaus auch dieser Problematik angenommen. So macht die Initiative „Relationship Work­shops“ mit jungen Künstlern, in denen sie die Gefahren von HIV/Aids thematisieren und darstellen. Gerade die Zielgruppe, die die Musiker ansprechen, ist besonders gefährdet. Durch ihre Vorbildfunktion tragen die Musiker bei ihren Auftritten dazu bei, ihre Fans zu sensibilisieren. Bis heute haben mehr als 15 000 junge Musiker an derartigen Auftritten, Workshops und Sessions teilgenommen und sind bereits vor mehr als 100 000 Menschen aufgetreten.

Rechtsberatung und Wettbewerbe

Seit 2009 unterstützen „Art in Africa“ und UNESCO auch das Senior Ballett Programm der Non-Profit Organisation „Dance for All“ aus Kapstadt. Junge Tänzerinnen und Tänzer aus schwierigen sozialen Verhältnissen bekommen dort die Möglichkeit, ihre künstlerische Karriere voranzubringen, ohne dabei ihre Schulbildung zu vernachlässigen. Im Gegenteil wird diese in dem Programm zusätzlich gefördert. In das Senior Ballet Programm sind vier Tänzer und sieben Tänzerinnen zwischen 15 und 18 Jahren eingebunden. Für sie übernimmt die Stiftung die Kosten für die Fahrten zur Schule und von dort zum „Dance for All“-Centre. Neben dem Tanzunterricht bekommen sie dort Mittagessen, bei Bedarf Unterstützung bei den Hausaufgaben, und sie können Computer und Internet nutzen. Abends werden die jungen Künstler nach Hause gebracht.

Zu den drei gemeinsam mit dem Goethe-Institut geförderten Projekten gehört der Kurzfilmwettbewerb „Latitude – Quest for the Good Life“. Um daran teilzunehmen, wurden junge afrikanische Filmemacher aufgefordert, sich in künstlerischer und gegenwartsbezogener Weise mit der Frage auseinanderzusetzen, in welcher Weise Afrikaner ihrem Kontinent schaden und wie sie ihm nützen. Die daraus entstehenden Filme sollen die Sicht junger Afrikaner auf ihren Kontinent reflektieren und Möglichkeiten aufzeigen, was verändert werden kann und wo Engagement nötig ist. Selbstkritische genauso wie vorbildliche Beispiele sollen sie dazu ermutigen, mehr Verantwortung für die Entwicklung der eigenen Länder zu übernehmen.

Drehbuchworkshops und Aids-Aufklärung

Der Wettbewerb wurde im März 2007 für ganz Afrika ausgeschrieben. Anhand von Exposés wählten regionale Jurys 21 Filmemacher aus, deren Ideen und Biografien sie besonders überzeugten. Diese 21 jungen Menschen nahmen im Frühjahr 2008 an einem 12-tägigen Drehbuchworkshop teil, der zugleich als letzte Auswahlrunde diente. Ins Finale des panafrikanischen Kurzfilmwettbewerbs kamen schließlich 15 junge Filmemacher aus zehn afrikanischen Ländern. Sie erhielten – neben einem Produktionskostenzuschuss – Unterstützung bei der Fertigstellung der Drehbücher, bei der Produktion und Postproduktion und zudem ein individuelles Tutoring je nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Auch in Kamerun haben die Stiftung „Art in Africa“ und das Goethe-Institut an den Projekten „Hors les Murs2“ und K FACTORY zusammengearbeitet. „Hors les Murs2“ präsentiert die aktuelle künstlerische Produktion des kamerunischen Künstlerkollektivs Cercle Kapsiki. Die Künstler bringen ihre Werke in den öffentlichen Raum und treten auf diese Weise mit den Bewohnern von Douala in den Dialog. Zu den Arbeiten des Cercle Kapsiki gehört auch das Projekt „Humours de Presse“, bei dem Karikaturisten lokaler Zeitungen ihre Zeichnungen zu aktuellen politischen Themen großformatig auf Hauswänden im Ort ausstellen.

K FACTORY ist ein offenes Atelier, eine Künstlerresidenz und Begegnungsstätte, die die Stiftung beim Aufbau eines Dokumentationszentrums zur aktuellen Kunst unterstützt hat. Zu ihrem Veranstaltungsprogramm für 2009 gehörte ein Filmzyklus, in dem aktuelle kamerunische Filmemacher Porträts ihrer Gesellschaft zeichnen.

Wie sich nicht nur in diesen Projekten zeigt, sind Kunst und Kultur wesentliche Bestandteile jeder Gesellschaft und sozialen Gruppe. Kulturschaffende schalten sich in den gesellschaftlichen Dialog ein, stoßen Denkprozesse an und beziehen zudem verschiedene gesellschaftliche Gruppen ein oder bringen sie überhaupt erst miteinander ins Gespräch.

Mitgestalter der Gesellschaft

Künstler und Kulturschaffende spielen für die Entwicklung ihrer Heimat eine Rolle. Das ist zwar weit­gehend bekannt. Dennoch hat Kultur in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit noch nicht den gleichen Stellenwert wie die politische, ökonomische, soziale und ökologische Dimension.

Das gilt für Kultur im weiteren Sinne – als Lebensweise, Tradition und Brauchtum – wie auch und im engeren Sinne in der bildenden und darstellenden Kunst, Literatur, Musik und in den Medien. Um diese Entwicklung zu ­fördern, unterstützt „Art in Africa“ Kultur- und Medienakteure vor Ort in spezifischen Projekten. Dabei geht es vor allem darum, den jungen Afrikanern ihre künstlerische Ausbildung und Arbeit möglich zu machen.     

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.