Demografischer Wandel

Altenrechte sind Menschenrechte

Ein demografischer Wandel findet nicht nur im globalen Norden statt, sondern auch in vielen Ländern des globalen Südens. Eine immer älter werdende Bevölkerung stellt die Gesellschaften vor große Herausforderungen.
Alte Menschen haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben: Frau in Sogamoso, Kolumbien. picture alliance / photothek / Florian Gaertner Alte Menschen haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben: Frau in Sogamoso, Kolumbien.

Das demografische Altern sei „ein entscheidendes Merkmal des gegenwärtigen 21. Jahrhunderts“, zitiert Christel Wasiek, Autorin des Buches „Seniorenhilfe weltweit“, die UN. Grund hierfür seien die weltweit besseren Lebensbedingungen, die den Menschen ein längeres Leben erlaubten. Allerdings seien die jeweiligen soziokulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, unter denen Menschen altern, in den Ländern der Welt sehr unterschiedlich, schreibt die Autorin.  

In ihrem 2021 erschienenen Buch berichtet Wasiek aus ihren 50 Jahren Erfahrung in der Seniorenarbeit in Lateinamerika und der Karibik. 2008 gründete die Autorin die Stiftung „Seniorenhilfe weltweit“ zur Förderung der Altenhilfe.

In Ländern wie Uruguay, Chile oder Brasilien liegt der Anteil der Menschen über 60 Jahren bei durchschnittlich über 16 Prozent, in Kuba sind es sogar über 20 Prozent. Die Lebenserwartung liegt bei durchschnittlich 77,5 Jahren, wobei Frauen im Schnitt über 80 Jahre alt werden. Ein Großteil dieser Menschen hat keine ausreichende soziale Absicherung. Die Lebensqualität ist insbesondere für die ländlichen, indigenen und afroamerikanischen Bevölkerungsgruppen allgemein ungünstig, schreibt Wasiek.

Lange kam die Zielgruppe alte Menschen in der Entwicklungspolitik nur am Rande vor. Man ging davon aus, dass sich in den Ländern des Südens die Familien um die alten Menschen kümmern. Erst in den 1980er Jahren brachte die International Federation on Aging, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich aus Vertretern von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Hochschulen, der Industrie und Einzelpersonen aus fast 80 Ländern zusammensetzt, das Thema auf die internationale Agenda.

Seit Jahren bereits nimmt die Altenbevölkerung weltweit zu, doch besonders Entwicklungsländer waren und sind nicht darauf vorbereitet, die Folgen des demografischen Wandels sozialpolitisch zu bewältigen, schreibt Wasiek. Es gab immerhin diverse Konferenzen, in denen eindringlich auf die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage der Seniorenbevölkerung in den Ländern des globalen Südens hingewiesen wurde, so auch die beiden UN-Weltversammlungen über Fragen des Alters 1982 in Wien und 2002 in Madrid.

Dabei wurden sowohl Regierungen als auch die Zivilgesellschaft aufgefordert, die Auswirkungen des weltweiten Alterns unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse alter Menschen sozialpolitisch zu gestalten. Regierungen und NGOs des globalen Nordens wurden zur Kooperation mit den Partnern im globalen Süden aufgefordert.

Parallel dazu hat laut Wasiek die Gerontologie als Wissenschaft vom Alter und Altern an Bedeutung gewonnen und die Praxis der Seniorenarbeit beeinflusst. Es ging nicht mehr nur um die reine Versorgung alter Menschen. Die Sozialgerontologie richtet sich vielmehr an den Menschenrechten aus und zielt darauf ab, die Potenziale von Senioren und Seniorinnen in Bezug auf Selbstorganisation und Selbsthilfe zu aktivieren – kurzum, das Ziel war fortan, die Lebensqualität der Seniorenbevölkerung zu verbessern unter anderem durch:

  • den Aufbau sozialer Dienstleistungen,
  • sinnvolle Aufgaben und Freizeitbeschäftigung für Senioren (z.B. Sport, Gärtnern, Seniorenreisen),
  • die Netzwerkbildung von Senioren untereinander,
  • die Stärkung ihrer politischen Einflussnahme,
  • Mehrgenerationenarbeit, um ein Bewusstsein für den jeweils anderen zu schaffen,
  • Hinwirken auf ein positiveres Altersbild in der Gesellschaft,
  • Informations- und Fachaustausch sowie Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeitende in gerontologischen Praxisfeldern.

Seit den Anfängen der sozialen Seniorenarbeit wurde einiges erreicht, doch es gibt noch viel zu tun. Das Buch appelliert vor allem an die Verantwortlichen in der Entwicklungspolitik, die Folgen des demografischen Wandels in ihre Projektarbeit einzubeziehen und so einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut der Seniorenbevölkerung in den Entwicklungsändern zu leisten.


Buch
Wasiek, C., 2021: Seniorenhilfe weltweit. Erfahrungen aus Lateinamerika. Herder, Freiburg.
Spanische Version, 2022: Opción por la vejez. Experiencias en América Latina. Montevideo, Doble clic Editoras.



Dagmar Wolf ist Redaktionsassistentin von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu

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