Textilindustrie

Erste Lichtblicke

Seit dem Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza im April 2013 ist das Schicksal der Arbeitnehmer in Bangladesch ins öffentliche Licht gerückt. Der internationale Druck zwingt Politik und Wirtschaft, tätig zu werden. Auch wenn die Bedingungen in vielen informellen Fabriken in Bangladesch immer noch miserabel sind, gibt es Unternehmer, die die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter verbessern wollen. E+Z/D+C-Redakteurin Sabine Balk hatte die Gelegenheit, drei Vorzeigebetriebe in und um Bangladeschs Hauptstadt Dhaka zu besichtigen.
In der Spinnerei der DBL Group in Bangladesch ist es blitzblank sauer. sb In der Spinnerei der DBL Group in Bangladesch ist es blitzblank sauer.

„Ich will, dass es unseren Arbeitnehmern gutgeht. Das ist einfach eine soziale Verpflichtung, die wir als Unternehmer haben“, sagt Muhammad Abdul Jabbar, während er durch das weitläufige Spinnereigebäude führt. Er ist Geschäftsführer der DBL Group, die auch Betriebsstätten in Sabhar hat, einem Vorort von Dhaka, wo vor vier Jahren 1127 Menschen den Tod in den Trümmern der eingestürzten Textilfabrik Rana Plaza fanden und über 2000 zum Teil schwer verletzt wurden. Pfusch am Bau, fehlender Feuerschutz, nicht vorhandene Notausgänge, miserable Arbeitsbedingungen, Schuften im Akkord – dafür ist Bangladeschs Textilindustrie in den vergangenen Jahren international bekannt geworden.

Dass es in Bangladesch auch anders geht, beweist die DBL Group. Sie hat fast 25 000 Angestellte, davon 45 Prozent Frauen, und machte im Finanzjahr  2015/2016 einen Umsatz von umgerechnet 365 Millionen US-Dollar. Das Unternehmen hat nicht nur eine eigene Näherei, sondern spinnt, strickt, bedruckt und färbt Textilien auch selbst. Die Hauptkunden sind deutsche und internationale Unternehmen wie Lidl, H&M, Esprit, Puma, Tom Tailor, Walmart oder die Jeansmarke G-Star. Dabei fällt wie bei allen Textilfabriken auf, dass sie sowohl für Billiganbieter wie Lidl und H&M als auch für höherwertige, teurere Marken wie Puma oder Esprit gleichermaßen fertigen. Die DBL Group nennt selbst als Firmenziel „den Ruf der Bekleidungs- und Textilindustrie in Bangladesch hochzuhalten“. 

Auch wer keine gewöhnlichen Textilfabriken gesehen hat, kann erkennen, dass es sich bei DBL um einen Vorzeigebetrieb handelt. Während sich auf und neben den engen, ungeteerten Zufahrtsstraßen wie überall in Dhaka der Unrat und Müll sammelt, ist es in den DBL-Betriebsstätten picobello. Vor der Firmenzentrale wächst grüner Rasen, und es gibt Blumenbeete. Außerdem findet sich ein Schild mit der Aufschrift „think green“. Grün ist sonst in Dhaka eher selten zu sehen: Die großen Palmblätter lassen alles hängen und sind wie alle anderen Pflanzen beige-grau gefärbt von Staub und Smog. Ganz anders in den Betriebsstätten der DBL. Die Böden in Spinnerei und Färberei sind blank geputzt, es liegt kein Fitzel herum. In der Färberei ist nichts zu riechen, was laut Kennern etwas Besonderes ist. Normalerweise stinkt es nach den verwendeten Chemikalien. Die Fabrik filtert und klärt Abwässer in einer eigenen Aufbereitungsanlage.  Beim Mittagsessen, das firmeneigenes Personal für das Management kocht, gibt es Fisch aus dem eigenen Teich. Die DBL Group hat Fischteiche und Gewächshäuser, in denen Gemüse angebaut wird. Sogar eigene Milchkühe werden gehalten. Auch für die Mitarbeiter tut das Management viel. Es gibt einen firmeneigenen, kostenlosen Kindergarten, der bereits Babys aufnimmt. Diese liegen, beaufsichtigt von mehreren Frauen, schlafend in Bambuswiegen. Die Kleinkinder, die nicht schlafen, laufen in einem großen Raum mit Spielsachen herum und freuen sich über den unerwarteten Besuch. In dem Kindergarten befindet sich auch ein Stillraum für die Arbeiterinnen, die ihren Babys in den Pausen ungestört die Brust geben wollen.

Die DBL bietet ihren Arbeitnehmern auf dem Firmengelände außerdem eine eigene Krankenstation mit Arzt und eine Beratungsstelle für Familienplanung. Diese Angebote werden gern genutzt. In die Beratungsstelle kommen Frauen und Paare, etwa 15 am Tag, erklärt die Krankenschwester Nasrin Sultana, die hier gerade Dienst tut. Sie sitzt in einem kleinen Kämmerchen mit Liege, Infobroschüren und einem Verhütungskoffer. Dort werden Verhütungsmethoden vom Kondom bis zur Pille gezeigt und erklärt. Sultana untersucht und berät Frauen und Männer über Verhütung und Familienplanung und gibt die Verhütungsmittel auch aus. Die meisten Fabrikarbeiterinnen wollen nicht mehr als ein, zwei Kinder, damit sie weiter im Arbeitsleben bleiben und die Familie ernähren können. „Am beliebtesten ist die Drei-Monats-Spritze als Verhütung“, erklärt Sultana. Der Arztbesuch und die Beratung sind für Belegschaftsmitglieder gratis.

Auch sehr beliebt ist laut Management der firmeneigene Laden, in dem ausländische Produkte wie Hygieneartikel, Schokolade oder Cerealien günstig erhältlich sind. Vor allem Damenbinden sind subventioniert zu kaufen. Frauen schätzen sie, weil sie sonst alte oder chemisch behandelte Stoffreste als Binden verwenden oder gar nicht arbeiten gehen, wenn sie ihre Periode haben.

„Uns liegen die SDGs am Herzen, allen voran Ziel  1, die Armut zu beseitigen“, erklärt Jabbar. Dafür haben sie eine Menge Partner ins Boot geholt, darunter Unicef und Care sowie die GIZ und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die KfW-Tochter, die Privatinvestitionen in Entwicklungsländern fördert. In einem 100-seitigen Sustainability Report

listet das Unternehmen zahlreiche Initiativen auf – von  „Breastfeeding in the Workplace“ über das „Female Supervisors Leadership Program“ bis hin zum „Community Knowledge Exchange Program“. Die DBL unterstützt zudem Bildungs- und Wirtschaftsinitiativen in der Nachbarschaft.

Die Bezahlung der Arbeiter und Arbeiterinnen der DBL liegt nur etwa zehn Prozent über dem mageren Mindestlohn von umgerechnet rund 70 Dollar pro Monat. Kritiker meinen, ein existenzsichernder Lohn müsste bei mindestens 180 Euro liegen (siehe Beitrag hierzu im E+Z/D+C e-Paper 2017/4). DBL-Manager Jabbar sagt, die Firma lasse Angestellten Vorteile über die genannten Initiativen und das soziale Engagement zukommen. Steigende Löhne würden sofort zu höheren Mieten führen, also die örtliche Inflation anheizen. 

Alle genannten sozialen und Nachhaltigkeitsmaßnahmen kosten zweifelsohne Geld. Der Kostendruck ist wegen harter Konkurrenz hoch. Die DBL Group wolle ihre Kosten durch Effizienz niedrig halten, erklären die Manager und arbeiten zudem an einer Niederlassung in Afrika, wo die Lohnkosten noch niedriger sind als in Bangladesch. Im Sommer soll eine Textilfabrik in Äthiopien mit 5000 Mitarbeitern starten. Mitarbeiter aus Bangladesch sollen ihr Wissen weitergeben. Für die Arbeiter in Äthiopien ist die Fabrik vermutlich ein Segen, in Bangladesch gehen hingegen Arbeitsplätze verloren.

Nicht ganz so weitläufig und idyllisch liegt ein Firmengelände von Zaber & Zubair (Z & Z) inmitten eines urbanen Gebiets von Dhaka. Hier arbeiten 1400 Menschen. Die Zufahrt führt abermals durch enge Gassen, über die täglich tonnenweise Textilien für den Export zum Hafen nach Chittagong gebracht werden. Die Straßen des dichtbesiedelten Landes sind überlastet – in den Städten ebenso wie in den Agrarregionen. Dadurch kann die Fahrt von der 15-Millionen-Metropole Dhaka ins 300 Kilometer entfernte Chittagong schon einmal 12 Stunden dauern.

Zaber & Zubair gehört zur Noman Gruppe, die 32 Fabriken betreibt und rund 60 000 Frauen und Männer beschäftigt. In der 1994 gegründeten Fabrik werden vor allem Heimtextilien hergestellt, unter andere für Ikea, Aldi, H & M, C & A, Lidl und Walmart. Es ist dann auch sehr erheiternd, Ikea-Stoffe auf den Bändern laufen zu sehen und zu wissen, welche Bettwäsche es in der kommenden Saison bei uns zu kaufen gibt. Eine ist rosa und mit den Komikfiguren Minons bedruckt. Die ist wohl für die Kinderzimmer bestimmt.

Besonders stolz zeigt man sich bei Z & Z über die Errungenschaften in Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. In Partnerschaft mit der GIZ betreibt Z & Z eine große biologische Kläranlage und eine Solarstromanlage. Die Klärbecken befinden sich auf den Dächern. Das Wasser wird in der Produktion wiederverwendet. Neben der Fabrik fließt ein trüber Fluss entlang, an dessen Ufer sich Müll und Unrat häufen.

Die 30-jährige Parvin arbeitet seit drei Jahren als Näherin bei Z & Z. Sie hat vorher in einer anderen Fabrik gearbeitet. „Ich arbeite lieber hier, weil ich einen Tag in der Woche frei und mehr Urlaub als vorher habe“, sagt sie. Sie hat zwei Kinder, die tagsüber zur Schule gehen. Sie verdient 4000 Taka pro Monat, sagt sie. Das sind umgerechnet 46 Euro – das scheint weniger als der Mindestlohn von 70 Euro. Aber die Angaben über seine Höhe schwanken ohnehin, eine einheitliche Aussage darüber bekommt man nicht. Parvins Mann arbeitet auch bei Z & Z, an den Bügeleisen, er verdient mehr, erklärt sie. Das sei schwerere Arbeit als Nähen, so die Begründung.


Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de


Link
DBL Group: Sustainability Report 2016.
http://www.dbl-group.com/sustainability/DBL-Sustainability-Report-2016.pdf

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