Kommentar

Globale Verantwortung

Der Kampf gegen Hunger darf nicht in Konjunktiven stecken bleiben. Das fordert Bundesernährungsminister Christian Schmidt.
Die Leistungsfähigkeit der Kleinbauern muss steigen: motorisierter Pflug in Bangladesch. Ron Giling/Lineair Die Leistungsfähigkeit der Kleinbauern muss steigen: motorisierter Pflug in Bangladesch.

„Es gibt genug Nahrung für alle, aber nicht alle können essen, während die Verschwendung, die Vernichtung, der exzessive Konsum und der Gebrauch von Lebensmitteln zu anderen Zwecken uns allen vor Augen stehen.“ Deutliche Worte fand Papst Franziskus bei seiner Rede für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 2. Welternährungskonferenz, die im November in Rom stattfand. Wahre Worte. Nach wie vor leiden über 800 Millionen Menschen weltweit an Hunger. Das Recht auf angemessene Nahrung ist und bleibt das am häufigsten verletzte Menschenrecht. Hinzu kommen etwa 2 Milliarden Menschen, die vielleicht satt, aber trotzdem mangelernährt sind. Gleichzeitig gibt es circa 1,4 Milliarden Übergewichtige. Das hat Folgen: nicht nur für die Gesundheit des Einzelnen, sondern für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ganzer Regionen und Länder.

In der „Erklärung von Rom“, die die Ergebnisse der Welternährungskonferenz festschreibt, haben sich über 150 Staaten – unter ihnen Deutschland – klar zu dem Ziel bekannt, den Hunger in der Welt zu beenden und Vorsorge gegen alle Formen von Unter-, Mangel- und Fehlernährung zu treffen. Das zeigt: Das gemeinsame Bewusstsein und auch der Wille zum Handeln sind da! Allerdings braucht es mehr Verbindlichkeit in der Umsetzung als bislang. Die Politik des Konjunktivs – könnte, sollte, würde – muss zu einer Politik des Imperativs werden! Auch wenn die Erklärung keinen rechtlichen Rahmen vorgibt, müssen Nachfragen erlaubt sein, wenn Zusagen nicht eingehalten werden. Staaten, die ihre Zusagen nicht einhalten, müssen sich vor der Weltgemeinschaft erklären.

Hunger, Mangel- und Fehlernährung sind drängende Themen unserer Zeit. Zusammen mit anderen fordere ich eine UN-Dekade der Ernährung. Eine Dekade, in der die internationale Staatengemeinschaft geschlossen gegen den Hunger auf dieser Welt vorgeht. Eine Dekade, in der die reichen Länder nicht die Augen vor Hunger, Mangel- und Fehlernährung verschließen, sondern diese Herausforderungen gemeinsam sektorenübergreifend angehen. Eine Dekade, in der durch nachhaltige Entwicklung und Good Governance die Ernährung in den Entwicklungsländern gesichert wird und an deren Ende wir dem Ziel einer ausgewogenen Ernährung ein deutliches Stück näher gekommen sind.

Gerade der Land- und Ernährungswirtschaft kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur, weil sie die Mittel zum Leben produziert, sondern auch weil drei von vier Hungernden auf dem Land leben. Das lässt erahnen, welch großen Hebel im Kampf gegen Hunger, Mangel- und Fehlernährung wir in den Händen halten, wenn es gelingt, in den von Armut betroffenen Regionen starke, nachhaltige und ernährungssensitive Nahrungsmittelsysteme zu etablieren. Dafür setze ich mich weiterhin ein. Vor zehn Jahren hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung im Welternährungsausschuss der Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Die Freiwilligen Leitlinien konkretisieren das Menschenrecht auf angemessene Nahrung und formulieren entsprechende Handlungsanweisungen.

Diesen Weg gehe ich weiter. Ich setze mich dafür ein, dass nicht nur die Beseitigung des Hungers in die neuen Millenniums­ziele für weltweite nachhaltige Entwicklungspolitik aufgenommen wird, sondern die ausgewogene Ernährung der Bevölkerung als unsere gemeinsame Vision und als Ziel festgeschrieben wird. Auch wird Deutschland im Rahmen internationaler Gremien der Ernährungssicherung eine bedeutende Rolle beigemessen.

Der Kampf gegen Hunger, Mangel- und Fehlernährung ist kein Kampf gegen Windmühlen. Er ist zu gewinnen! Doch man braucht einen langen Atem. Auch wenn sich Erfolge erst langsam einstellen, sie sind sichtbar: Als sich 1992 die internationale Gemeinschaft zum ersten Mal zur Ernährungskonferenz getroffen hat, lag die Zahl der Hungernden weltweit bei mehr als einer Milliarde. Sie ist trotz einer wachsenden Weltbevölkerung zurückgegangen. Es liegt an uns allen, die Vision einer Welt, in der sich jeder angemessen, ausreichend und ­gesund ernähren kann, Wirklichkeit werden zu lassen.

Christian Schmidt ist Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. www.bmel.de

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