Landwirtschaft in China

Masse sticht

– das größte Land der Welt besitzt aber nur zehn Prozent aller Äcker und Weiden. Ökologischer Landbau tut sich deshalb schwer, schildert eine Studie der Asienstiftung.

Die Landwirtschaft in China hat unübersehbare Probleme: Spritzmittel und Dünger verschmutzen Boden und Wasser, die Nutzflächen schrumpfen durch Megastädte und Erosion. Billigimporte aus Brasilien machen den Sojaanbau gleich­zeitig unrentabel, die Kluft zwischen Stadt und Land wächst, und Lebensmittel-skandale empören das Volk. Trotzdem treibt Chinas Führung den industriellen Ausbau ihrer Agrarwirtschaft voran, sie fördert die Gentechnik und verbreitet Hybrid-Reissorten in Afrika.

Die Regierung in Beijing sieht kaum eine andere Wahl, verdeutlicht die Studie „Landwirtschaft in China: Zwischen Selbstversorgung und Weltmarktintegration“. Die alles beherrschende Sorge der Machthaber ist, 1,3 Milliarden Bürger aus eigener Kraft zu ernähren. Nicht mehr als fünf Prozent der Grundnahrungsmittel zu importieren, den Rest aus eigener Kraft zu erzeugen, lautet die Politik. Die Strukturen des Welthandels mit Nahrung werden dabei kaum in Frage gestellt. Gleichzeitig hat Chinas Führung begriffen: Korruption ist in vielen Provinzen das Hauptproblem. Der Aufbau echter Bauern- und Verbraucherverbände scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Ernterekorde mit chemischer Keule

Die Studie von Uwe Hoering schlüsselt auf, welche Probleme die Volksrepublik bisher gelöst hat und welche Aufgaben vor ihr stehen. Der 61-jährige Buchautor und Journalist schildert, welchen sozialen Umbruch viele Familien auf dem Land erlebten. Ins kollektive Gedächtnis brannten sich die „goldenen“ 1980er Jahre ein, als die Volksrepublik sich von Kollektiven verabschiedete. 250 Millionen Familienbetriebe ersetzten die Produktionsbrigaden. Mit dem Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden – bis heute der massivste auf der ganzen Welt – eilte die Landwirtschaft von einem Rekord zum nächsten. Vor zehn Jahren drehte sich das Blatt: Da Weizen im Vergleich zu Gemüse, Baumwolle oder zur Schwei­nezucht weniger Profit verspricht, sinken heute die Anbauflächen. Beijing subventioniert sie kräftig und hält an Selbstversorgung fest. Der Agrarhaushalt verdreifachte sich von 2000 bis 2006 auf 317 Milliarden Yuan. Der ökonomische Beitrag der Landwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt ist gleichwohl gesunken: Ihr Anteil schrumpfte von einst 40 Prozent (1970) auf heute 11 Prozent (2007).

Sozialer Brandherd

Das 1958 eingeführte „Hukou-System“ verbot den meisten Bauern bis 2003, in größere Städte zu ziehen. Ihnen drohte sonst der Verlust ihrer Bezugsrechte für Lebensmittel, ihres Wohn- und Arbeitsrechtes, sie durften nicht heiraten und keine Krankenhäuser oder Schulen nutzen. Der globale Wettbewerb schlug voll in ihr Kontor: Ein Haushuhn lohnt sich heute nicht mehr, es dominieren Fabriken und Konzerne. Hoering spricht vom „Bauernopfer Landwirtschaft“. Jeder zweite Chinese wohnt aber auf dem Land – im Westen kaum beachtete Proteste häufen sich nun, und Beijings Innenpolitik hat die ländliche Bevölkerung wiederentdeckt.

Die 1992 gegründete Asienstiftung empfiehlt als Herausgeber der Studie einen Dialog zwischen Europas und Chinas Agrarpolitik. Eine Schnittstelle wäre die Reform der EU-Agrarpolitik, meint auch Hoering. Exporte „ökologischer“ Lebensmittel in die EU und Chinas Versuch, Nutzflächen in Afrika zu finden, wären guter Gesprächsstoff. In China konkurrieren wie bei uns Agrarrohstoffe mit dem Getreideanbau. Und auch der Klimaschutz zwingt zum gemeinsamen Austausch.

Peter Hauff

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