Interview

„Es gibt noch viel zu tun“

Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) setzt sich für mehr Einblick in internationale Geldströme ein. Mitinitiator Peter Eigen war von der Gründung bis 2011 EITI-Vorsitzender. Im Interview mit Hans Dembowski zog er Zwischenbilanz.

Interview mit Peter Eigen

Für Transparency International, das Anti­korruptionsnetzwerk, das Sie Anfang der 90er Jahre gegründet haben, war der Corruption Perception Index ein riesiger Erfolg. Er stuft verschiedene Länder danach ein, wie ausgeprägt Bestechlichkeit aus Sicht von Geschäftsleuten dort ist. Warum hat EITI kein ähnliches Instrument?
Es stimmt, dass der Index für Transparency sehr wertvoll ist, weil er unser Anliegen plakativ deutlich macht. Transparency ist aber auch etwas ganz anderes als EITI. Transparency stützt sich ausschließlich auf zivilgesellschaftliches Engagement, und dafür ist vergleichsweise aggressive Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll. EITI ist dagegen eine Multi-Stakeholder-Initiative mit Partnern im öffentlichen Sektor, in der Privatwirtschaft und regierungsunabhängigen Organisationen.

Dennoch wäre aber eine Art Pranger auch für EITI werbewirksam?
Ja, und in gewisser Weise nutzen wir so etwas auch. Die Länder, die bei uns mitmachen, fallen in drei Kategorien. Wir haben 35 Mitgliedsstaaten, von denen mittlerweile 13 als „compliant“ eingestuft sind, weil sie das EITI-Regelwerk nachweislich vollständig anwenden. In der Gruppe mit „candidates“ sind heute 20 Mitglieder. Sie sind EITI beigetreten und haben sich verpflichtet, die Regeln innerhalb von zweieinhalb Jahren zu implementiern, wobei für Jemen und Madagaskar wegen politischer Krise die Einstufung derzeit suspendiert ist. Drittens gibt es Länder, die über den Beitritt verhandeln, was auch schon eine wichtige Willensbekundung ist. Ein Land – Äquatorialguinea – ist auch wieder ausgeschieden. Ich halte es nicht für sinnvoll, noch weitere Abstufungen vorzunehmen. Die Lage der einzelnen Länder ist zu unterschiedlich. Afghanistan hat zum Beispiel ganz andere Probleme als Indonesien.

Was ist aus Ihrer Sicht bisher der größte Erfolg?
Es war eine echte Leistung, diesen Multi-Stakeholder-Prozess zu starten und in Bewegung zu halten. Alle Entscheidungen fallen im Konsens, so dass manche Dinge verzögert oder auch ganz verhindert werden. Beispielsweise war Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi bereit, EITI beizutreten, aber zivilgesellschaftliche Mitglieder lehnten das ab, weil in seinem Land regierungsunabhängige Organisationen unterdrückt werden. Aus meiner Sicht wäre es gut gewesen, mit der Regierung über Transparenz zu verhandeln, das hätte auch der Zivilgesellschaft Luft verschaffen können. Aber dazu ist es nicht gekommen.

Das Konsensprinzip ist also nicht hilfreich?
Doch, es hat auch Vorteile. Es ist sogar notwendig, denn EITI stützt sich auf eine sehr heterogene Mitgliedschaft aus Regierungen, Unternehmen und nichtstaatlichen Organisationen. Und auch innerhalb dieser Gruppen gibt es große Differenzen, beispielsweise kooperieren hochprofessionelle Advocacy Groups mit Sitz in reichen Nationen mit Graswurzelorganisationen aus Entwicklungsländern. Das Szenario wiederholt sich dann noch mal in den Mitgliedsländern, wo wieder breite gesellschaftliche und politische Kräfte relevant sind.

Einzelne Akteure würden also austreten, wenn sie einmal überstimmt würden?
Das wäre zu befürchten, und dann würde EITI erodieren. Zugleich haben Konsensbeschlüsse auch eine besondere normative Kraft: Keine der beteiligten Parteien hat eine Ausrede, sie sind freiwillig dabei. Und auf dieser Basis liefert EITI konkrete Ergebnisse: Mittlerweile liegen mehr als 80 Berichte über Erlöse aus dem Rohstoffgeschäft in 30 Staaten vor. Dort leben mehr als 900 Millionen Menschen, und früher hatten oft nicht einmal Parlamentsabgeordnete Einsicht in die Zahlen. Allein in Nigeria ging es jährlich um bis zu 50 Milliarden Dollar Staatseinnahmen, über die niemand wirklich zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

Sind die Berichte alle von derselben Qualität?
Nein, sie können nur so gut sein, wie es die spezifischen Ausführungsregeln sind, auf die sich die EITI-Gremien im nationalen Rahmen einigen. In Nigeria beispielsweise haben sie sich auf Project-by-Project-Reporting festgelegt. Das bedeutet, dass für jedes Einzelvorhaben Daten veröffentlicht werden müssen. Anderswo sind die Regeln nicht so streng, was für die betroffenen Unternehmen und Behörden auch bequemer ist. Derselbe Konflikt tobt momentan übrigens auch in Brüssel. Die EU erwägt Project-by-Project-Reporting für die neuen Finanzmarktregeln, wie das die USA im entsprechenden Dodd-Frank Act bereits eingeführt haben. Leider stemmt sich aber beispielsweise die deutsche Industrie gegen diese sinnvollen Bestimmungen.

In vielen arabischen Ländern spielt die Ölwirtschaft eine große Rolle. Hat der arabische Frühling Interesse an EITI geweckt?
Tunesien hat kürzlich den Beitritt angekündigt. Das ist ein erster Schritt. Früher hat die arabische Welt zwar Interesse an unseren Ideen gezeigt, aber nur Irak und Jemen sind auch Mitglieder geworden.

Was halten Sie vom Trend zur „Renationalisierung“ der Rohstoffwirtschaft? Bolivien hat beispielsweise unter diesem Schlagwort die Verträge mit multinationalen Energieunternehmen neu verhandelt.
Worauf es ankommt, ist ein rechtlicher Rahmen, der den Menschen dient und nicht nur den ­Investoren und ein paar Regierungsstellen. Wem Bergwerke oder Ölfelder gehören, ist dagegen ­sekundär. Ich erinnere mich noch gut an die Nationalisierung der Bergwerke in Sambia – sie hat an den Machtverhältnissen im Land ebenso wenig ­geändert wie an der Verteilung der Profite. Im ­benachbarten Botsuana lief es ganz anders, ich habe das in den 70er Jahren als juristischer Berater des Präsidenten miterlebt. Dort wurde auf die ­Kontrolle der ­Geldflüsse geachtet. Dass Botsuana zugleich einen 50:50-Schlüssel für staatliche und private Beteiligung einführte, war allenfalls ­wichtig, was den Einfluss auf die Geschäftsführung anbelangt. Deshalb würde ich das Thema „Renationalisierung“ nicht so hoch hängen.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungs­bedarf?
Es gibt noch viel zu tun. Es wäre gut, wenn die BRICs – Brasilien, Russland, China und Indien – mitmachen würden. Die Chinesen sind zwar auf der Ebene einiger EITI-Mitgliedsländer mit dabei und halten sich dann auch an Vereinbarungen. Aber ansonsten halten die BRICs Abstand. Grundsätzlich braucht EITI noch mehr Mitglieder – vor allem auch unter den Industrienationen. Transparenz ist zudem nicht nur auf der zentralstaatlichen Ebene sondern auch auf untergeordneten staatlichen Ebenen nötig. Sinnvoll wäre auch, das Instrumentarium auf Agrar- und Forstprodukte anzuwenden. Es muss wirklich noch viel geschehen, damit aus dem Ressourcenfluch überall ein Ressourcen­segen wird.

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