Demokratie

Das Sachar-Komitee

2005 setzte die von der Kongresspartei geleitete Regierungskoalition ein Komitee ein, um den sozioökonomischen Status der indischen Muslime zu untersuchen. Das Komitee wurde nach seinem Vorsitzenden Rajendra Sachar, einem ehemaligen High-Court-Richter benannt. 2006 veröffentlichte das Komitee seinen Bericht. In ihm stand, dass sich die Situation der Muslime im Laufe der Jahrzehnte verschlechtert hatte und dass sie schlechter war als die anderer Minderheiten. Von Ghazala Jamil
Muslims in der Jama-Moschee in Delhi. Böthling/Photography Muslims in der Jama-Moschee in Delhi.

Der Bericht belegte, dass Schulen in Gemeinden um so schlechter sind, je größer der muslimische Bevölkerungsanteil ist. Er führte aus, dass die Bemühungen der indischen Zentralbank, marginalisierten Gruppen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu verschaffen, Muslime meist übersehen hatten. Er dokumentierte, dass der Anteil der Muslime in staatlichen Institution – und dort besonders an der Spitze – unter ihrem Anteil an der Bevölkerung liegt. In den Gefängniszellen liegt er jedoch darüber.   

In Indien finden alle zehn Jahre Volkszählungen statt, bei denen aber nicht nach Religionszugehörigkeit unterschieden wird. Deshalb geben die Statistiken keinen Hinweis auf den sozialen Status verschiedener Glaubensgemeinschaften. Im Sachar-Bericht gestand der indische Staat erstmals die Benachteiligung von Muslimen ein.

Das Sachar-Komitee unterbreitete Reformvorschläge, doch diese wurden nicht befolgt. Infamerweise wurden die Ergebnisse vielmehr gegen die Muslime verwendet. Der neuen Lesart zufolge ist es kein Wunder, dass eine derart benachteiligte Gruppe sich dem Terrorismus zuwendet. Die Lebensverhältnisse der Muslime zu verbessern würde in dieser Sicht bedeuten, Extremisten entgegenzukommen und Gewaltbereitschaft zu belohnen . 2011 sagte Minderheitenminister Salman Kursheed, der Sachar-Bericht sei “nicht der Koran”. Er teilte Muslimen so mit, der Inhalt sei nicht bindend.

Kursheed ist selbst Muslim und gehört zur Kongresspartei. Er ist ein typischer Quotenpolitiker, der beansprucht, seine Gemeinschaft zu vertreten, aber nur wenig Substanzielles erreicht. Solche Politiker gibt es in vielen Parteien. Sie fokussieren sich auf Themen, die eine symbolische, identitätspolitische Bedeutung haben, den Staat aber nicht viel kosten. (gj)
 

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