Entwicklung und
Zusammenarbeit

Propaganda

Wenn Autokraten gegen die Demokratie kooperieren

Autokratien arbeiten weltweit zusammen, um sich an der Macht zu halten. Sie überfluten die Öffentlichkeit mit gezielter Desinformation, um den demokratischen Diskurs zu zerstören und der Welt ihr eigenes Narrativ aufzudrücken, analysiert Anne Applebaum in ihrem Buch „Die Achse der Autokraten“.
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping unterstützen sich. picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Evgenia Novozhenina
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping unterstützen sich.

So verschieden autokratische Herrscher in Ländern wie Russland, China, Iran, Nordkorea, Venezuela oder Simbabwe in Ausrichtung und Ideologie auch sein mögen, sie halten zusammen, um ihre Macht zu sichern, sich zu bereichern und ihren Einfluss auszubauen. Gemeinsam umgehen sie Sanktionen und unterstützen sich gegenseitig mit Finanzmitteln, Technologien, Waffen und anderen Ressourcen. Mittels Propaganda-Bots und Trollfabriken nehmen sie Einfluss auf Debatten im digitalen Raum. 

Was sie eint, ist ihre Verachtung der liberalen Welt und der Kampf gegen jegliche Form der Demokratie. Zu diesem Schluss kommt die US-amerikanisch-polnische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum in ihrem Buch „Die Achse der Autokraten“. Die Ablehnung demokratischer Werte wurzelt im Wesen der Demokratie selbst, wie Applebaum analysiert: Rechenschaft, Transparenz, Gerechtigkeit, Menschenrechte, freie Medien und Bürgerbeteiligung sind Prinzipien, die die Macht der Autokraten infrage stellen. Daher möchten sie demokratische Bewegungen möglichst im Keim ersticken. 

Dazu diffamieren sie Oppositionelle, bringen charismatische Anführer*innen demokratischer Bewegungen in Verruf und schüchtern deren Anhänger*innen ein. Vor gezielten Morden schrecken Autokraten laut Applebaum meist zurück – aus Angst, Märtyrer*innen zu schaffen. 

Digitale Kampagnen und körperliche Gewalt

Die persönlichen Angriffe gegen politische Gegner*innen verfehlen ihre Wirkung nicht. In Venezuela, Simbabwe und vielen anderen Ländern zielen sie darauf ab, unbequemen Personen ein produktives Leben unmöglich zu machen. Diese sehen sich Hetzkampagnen auf Social Media, Schikanen durch Finanzbehörden, Nachstellungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Drohungen richten sich oft auch gegen Familienangehörige. 

Raffinierte Schmutzkampagnen im Internet fördern neue Formen des Massenmobbings zutage, an denen sich viele anonym beteiligen. Applebaum schildert etwa, wie die venezolanische Regierung ein System eingeführt hat, mit dem sie Nutzer*innen, die in den sozialen Medien Regierungspropaganda verbreiten, kleine Geldbeträge überweisen kann. Ähnliche staatliche Kampagnen sind laut Applebaum auch in anderen autokratisch regierten Ländern zu finden. Sie attackieren Gegner*innen mit unzähligen echten und gefälschten Accounts – wie eine „Maschinerie von Trollen, die aus allen Ritzen kommen“, zitiert Applebaum den venezolanischen Oppositionspolitiker Leopoldo López. 

Die Opfer solcher Trollkampagnen erleiden den sogenannten bürgerlichen Tod: Sie werden zunehmend isoliert und dadurch gleichsam zu Unberührbaren – selbst für ihre eigenen Angehörigen. Wird jemand wiederholt verunglimpft, fragen sich irgendwann sogar die engsten Vertrauten, ob an den Vorwürfen – und seien sie noch so falsch – nicht doch etwas dran sein könnte. Die Botschaft der Autokraten an die Bevölkerung ist eindeutig: Haltet euch von der Politik fern, es lohnt sich nicht, zu kämpfen. 

Diskreditierung von Demokratien

Neben Überwachung und Kontrolle nutzen Autokraten auch Narrative, die die Demokratie selbst beschädigen. „Chaos und Gewalt“, die angeblich in Demokratien herrschen, setzen sie „Ordnung und Sicherheit“ im eigenen Land entgegen. Sie warnen die Bevölkerung vor einer „geistigen Verunreinigung des Westens“ und befeuern Ressentiments und Nationalstolz. Russland inszeniert sich dabei gern als Führer eines Bündnisses starker, traditionsbewusster Staaten gegen schwache Demokratien, wie Applebaum bemerkt. 

Um das autokratische Narrativ durchzusetzen, werden massenhaft Falschinformationen verbreitet. Ob in Putins Russland, Maduros Venezuela, Musevenis Uganda oder Trumps Amerika – Politiker*innen lügen fortwährend und unverhohlen, dokumentiert Applebaum. Werden ihre Lügen entlarvt, versuchen sie gar nicht erst, Gegenargumente zu präsentieren. Ihre Strategie ist es, den öffentlichen Diskurs so mit Desinformationen und Ablenkungen zu überfluten, dass es kaum mehr möglich ist, Fakten von Fiktionen zu unterscheiden. Der frühere Trump-Berater Steve Bannon hat dafür die Wendung „flood the zone with shit“ geprägt.

Mediale Propaganda

Autokratische Herrscher investieren massiv in Auslandsmedien und Trollfarmen, um die Debatte in ihrem Sinne zu lenken. Beispielsweise verbreitet der russische Sender RT seine Propaganda in sozialen Netzwerken sowie über gefälschte Websites und betreibt auch mehrere Büros auf dem afrikanischen Kontinent. In Nairobi beschäftigt er etwa Journalist*innen aus der Region, um die Programme in Landes- und Weltsprachen zu verbreiten. 

Auch chinesische Nachrichtenagenturen wie Xinhua, das China Global Television Network (CGTN), China Radio und das Internetportal China Daily werden großzügig vom Staat finanziert und unterhalten mehrsprachige Kanäle in den sozialen Medien, wie Applebaum darlegt. Professionell produziert und staatlich subventioniert, sind sie günstiger als westliche Angebote und stellen China und seine Verbündeten vorteilhaft dar. Hunderte von Nachrichtenanbieter weltweit nutzen ihre Inhalte. 

Die afrikanischen Büros von Xinhua und RT sowie der venezolanische TV-Satellitensender Telesur oder der iranische Sender PressTV verbreiten die Weltsicht der Autokraten mit Geschichten und Memes. Diese Erzählungen werden wiederum von (echten und falschen) Netzwerken aufgegriffen und verstärkt, in zahlreiche regionale Sprachen übersetzt und auf lokale Märkte zugeschnitten. Die spanische Version von Iran Press TV – ein Sender, der offen antisemitisch ist und Covid-19 als Produkt einer zionistischen Verschwörung darstellt – ist zwar in Spanien verboten, in Lateinamerika aber überall verfügbar. Al-Alam, die arabische Version von PressTV, verbreitet ebenfalls solche Verschwörungserzählungen, schreibt Applebaum. 

Sie bilanziert: Wir erleben eine Welle gezielter Informationswäsche. Faktenchecks und schnelle Reaktionen reichen nicht aus; bis die Korrektur erfolgt, ist die Lüge längst in der Welt. 

Einfluss auf westliche Demokratien 

Die Informationspolitik der Autokraten zielt darauf ab, weltweit bestehende Gräben zu vertiefen und Unzufriedenheit zu schüren. Sie möchten den Zorn gegen demokratische Staaten anheizen. Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen werden auf zahllosen Plattformen gestreut, Algorithmen helfen, sie zu verbreiten. So landen diese Botschaften im globalen Nachrichtengeschehen. 

Autokraten kontaktieren zudem gezielt Politiker*innen und Unternehmer*innen in Demokratien, um Unterstützung zu finden. Sie fördern extremistische Stimmen, um Konflikte zu verschärfen und – wo möglich – in Gewalt eskalieren zu lassen, warnt Applebaum. Die Bürger*innen sollen so dazu gebracht werden, Staat und Politik zunehmend zu hinterfragen und an der Demokratie selbst zu zweifeln. Autokraten beobachten Siege und Niederlagen anderer genau und wählen ihre Schritte so, dass maximaler Schaden entsteht. 

Sie versuchen auch massiv, Wahlen in demokratischen Ländern zu beeinflussen. Bereits 2016 brachte die von Jewgeni Prigoschin, dem späteren Anführer der russischen Wagner-Gruppe, geleitete Internet Research Agency aus Sankt Petersburg massenhaft gefälschtes Material in Umlauf, um die amerikanischen Wahlen zu manipulieren. Seither ziehen diese Methoden immer weitere Kreise
 

Gemeinsam gegen Autokraten

Applebaums Buch zeichnet nach, welchen Einfluss Autokraten mittlerweile in unterschiedlichsten politischen, wirtschaftlichen, militärischen und Informationssphären ausüben. Es zeigt, wie viel Schaden sie anrichten können, wenn sie pragmatisch zusammenarbeiten, um ihr Ziel zu erreichen: die Beschädigung der Demokratie und ihrer Werte – im eigenen Land und weltweit. 
Der Kampf um Freiheit ist für Applebaum ein Kampf gegen autokratische Verhaltensweisen – grenzüberschreitend, in einer internationalen Allianz. Ihr Buch endet mit der Aufforderung: „Demokraten, vereinigt euch!“ 

Buch 
Applebaum, A., 2024: Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten. München, Siedler Verlag. 

Dagmar Wolf ist Redaktionsassistentin bei E+Z. 
euz.editor@dandc.eu  

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