Mulitlaterale Institution

Wie wir den IWF kennen

Zeitweilig schien es, als hätte der Internationale Währungsfonds (IWF) in der globalen Finanzkrise dazugelernt. Diese Hoffnung trog.
Unter der Führung der französischen Politikerin Christine Lagarde hat sich der IWF tief in inner-europäische Politik verstrickt. picture-alliance/dpa Unter der Führung der französischen Politikerin Christine Lagarde hat sich der IWF tief in inner-europäische Politik verstrickt.

Jahrzehntelang forderte der IWF in Finanzkrisen strikte, prozyklische Sparpolitik. Ende 2008 gehörte aber sein Chefökonom Olivier Blanchard zu den Koautoren eines Aufsatzes (Spilimbergo et al.), der einen neuen Ansatz forderte. Um eine neue Weltwirtschaftskrise zu verhindern, forderte sein Team ein globales Finanzpaket. Es sollte:

  • schnell aufgelegt werden, weil sofort gehandelt werden müsse,
  • groß und auf Dauer angelegt sein, weil die private Nachfrage deutlich und für lange Zeit einbrechen würde, und
  • flexibel genug konzipiert sein, um mehr Mittel bereitzustellen, falls das nötig werden sollte.

Vereinfacht formuliert sprachen sich die IWF-Experten gegen Sparpolitik und für Finanzstimuli aus. Dass die multilaterale Institution erst nach so langer Zeit zu dieser Einsicht kam, ist eigentlich erstaunlich. Die Geschichte ihrer Konditionalitätenpolitik liest sich wie eine Geschichte des Scheiterns – vom Abgleiten Subsahara-Afrikas Ende der 1970er Jahre bis zur „verlorenen Dekade“ der 1990er Jahre in Lateinamerika und der Südoastasienkrise in den spätern 1990ern. Überall ließ die IWF-Politik Volkswirtschaften schrumpfen, nicht wachsen.

Irgendwann erholten diese sich dann wieder, aber das beruhte meist auf Politikwechseln und veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen, wie etwa anziehender Rohstoffnachfrage. Vom IWF geforderte Austerität machte die Anpassungsperioden länger und verschärfte auf schmerzhafte Weise Probleme von Armut und ungleichen Einkommensverteilung. Dabei mischte sich der Fonds im Namen „technokratischer“ Kompetenz gern in die nationale Politik ein. Wegen ausgesprochen negativer Erfahrungen erschauern die meisten Entwicklungsländer bei dem bloßen Gedanken, sich je an den IWF wenden zu müssen. Lieber horten sie, um sich abzusichern, Währungsreserven, die sie produktiver verwenden könnten.

Ein Kurswechsel schien Ende 2008, als die Krise die G7-Nationen erschütterte, willkommen. Allerdings besann sich der IWF bald auf seine alte Politik und erlegte seine gewohnten Konzepte Ländern wie Pakistan, Ungarn und der Ukraine auf – mit den gewohnten Folgen. Auf den Rat seiner hochqualifizierten und hochbezahlten Wissenschaftler hörte er nicht.

In der Eurokrise, die vor allem kleine, periphere EU-Mitglieder belastet, überzeugt der IWF abermals nicht. Was Griechenland angeht, sind Beobachter aus Entwicklungsländern entsetzt, ihn jetzt eine vermeintlich positive Rolle spielen zu sehen, nur weil er – im Gegensatz zu den europäischen Institutionen - anerkennt, dass Schulden umstrukturiert werden müssen. Es ist aber eine schlichte Tatsache, dass Griechenlands Schulden zu hoch sind und zum Teil erlassen werden müssen.

Ökonomen in Asien, Afrika und Lateinamerika finden offensichtlich, dass der europäische Widerstand gegen Schuldenerlass nicht ökonomisch begründet ist. Es geht vielmehr um komplexe (und unerfreuliche) inner-europäische Politik. Jetzt wird die Bedeutung von Regeln betont und so getan, als hätten diese Regeln in Ländern zu Erfolg geführt, in denen die Arbeitslosenquoten für Jugendliche immer noch gewaltige 30 bis 50 Prozent betragen.

Es verstört, dass der multilaterale IWF sich dafür hergibt, ökonomisch unsinnige Eurozonen-Regeln durchzusetzen. Noch mehr verstört, dass mache europäische Politiker meinen, der IWF müsse das tun, auch wenn er dabei gegen seine eigenen Regeln verstoße. Die schreiben nämlich vor, dass der IWF nur dann Mittel bereitstellen darf, wenn dadurch Schuldentragfähigkeit wieder absehbar wird.

Seit 2010 haben zwei Griechenland-Programme nicht zu Schuldentragfähigkeit geführt. Nun wird über ein drittes verhandelt. Vermutlich wird es eine intransparente und schmuddlige Form des Schuldenerlasses durch niedrige Zinsen und lange Fristen geben. Ob der IWF selbst Geld beiträgt, ist noch offen, aber er gibt technischen Rat und insistiert weiter auf Sparmaßnahmen, die Griechenlands Depression vertiefen und zu weiteren sozialen Härten sowie zu noch unerfreulicherer, spaltender Politik führen werden.

Beobachtern in Entwicklungsländern ist das alles allzu vertraut. Wir wissen, dass der IWF bei der Durchsetzung hegemonialer Interessen stark und bei der Bewältigung von Finanzkrisen schwach ist. Ein Politikwechsel wäre willkommen gewesen – aber das war wohl zu schön, um wahr zu werden.


Jayati Ghosh ist VWL-Professorin an der Jawaharlal Nehru University in Delhi.
jayatijnu@gmail.com