G20

Aufholen durch Bildung

Rund 60 Jahre nach dem Ende des Kolonialismus hat Afrika noch immer nicht den Anschluss an den Weltmarkt gefunden. Entwicklungshilfe allein kann dieses Problem nicht lösen. Der Schlüssel liegt in besserer Bildung, aber auch mehr Investitionen sind gefragt.
Von Susanne Sawadogo
Bildung ist der Schlüssel: Schulkinder in Madagaskar. Kopp/picture-alliance/Westend61 Bildung ist der Schlüssel: Schulkinder in Madagaskar.

„Wenn ich mich für einen Bereich entscheiden müsste, in dem in Afrika investiert wird, wäre das Bildung“, sagt Jean-Louis Sarbib, ehemaliger ranghoher Weltbank-Mitarbeiter. Entwicklungsprojekte könnten noch so ambitioniert, die äußeren Rahmenbedingungen noch so gut für Investitionen sein: Nur wenn die Führungskräfte in Politik und Wirtschaft verantwortungsvoll handelten, komme ein Land wirklich voran. Voraussetzung für verantwortungsvolle Führung sei Bildung. Und wer gebildet sei, einen kritischen Geist habe und „die richtigen Fragen“ stelle, fordere verantwortungsvolles Handeln auch von Behörden, Schulen oder Unternehmen ein.


Um die Ressourcen des afrikanischen Kontinents für die wachsende Bevölkerung nutzbar zu machen und Arbeitsplätze für die vielen jungen Menschen zu schaffen, reichen die immer gleichen Forderungen nach Demokratisierung und guter Regierungsführung demnach nicht aus. Das wurde bei einer Diskussion über die „Wirtschaftliche Transformation Afrikas im Kontext der G20-Partnerschaft mit Afrika“ in Berlin deutlich, zu der die Konrad-Adenauer-Stiftung und das African Center for Economic Transformation (ACET) eingeladen hatten.


Die aus der Kolonialzeit übernommenen Bildungssysteme seien darauf angelegt, lediglich „10 000 Menschen an die Spitze“ zu bringen, argumentiert der Unternehmensberater Tutu Agyare aus Ghana. Die große Masse werde vergessen. Zudem klaffe eine Lücke zwischen den Fähigkeiten, die in Schule und Studium erlernt werden, und den Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Wer ein Unternehmen führen wolle, müsse nicht nur Kenntnisse im Rechnungswesen haben, sondern auch in Staatsbürgerkunde.


Auch Sarbib fordert eine Reform des Bildungssystems, da es derzeit Ungleichheit reproduziere. Bildung müsse im frühen Kindesalter beginnen und auch der Landbevölkerung zugutekommen. „Wenn man die Produktivität steigern will, muss auch jemand lesen können, wie das Düngemittel eingesetzt wird“, sagt Sarbib.


Während Heike Rüttgers von der Europäischen Investitionsbank Bildung als Schlüssel ansieht, um ein „Wachstum ohne Jobs“ zu verhindern, warnt der Afrikabeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke: Eine gute Ausbildung nütze nichts, solange es nicht ausreichend Arbeit gebe. „Dann ist Bildung ein Migrationstreiber. Das ist nicht unser Interesse.“ In ihrem Bemühen, Fluchtursachen zu bekämpfen, hat die Bundesregierung die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas auf die Agenda des G20-Gipfels gesetzt. Mit der Initiative „Compact with Africa“ fördern die G20-Staaten Privatinvestitionen und Investitionen in Infrastruktur.


Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) liegt der Bedarf für Infrastrukturinvestitionen in Afrika bei 130 Milliarden Dollar im Jahr. Auf dem Podium herrschte Einigkeit darüber, dass die staatliche Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) den Bedarf nicht decken kann. ODA könne aber genutzt werden, um Investitionsanreize zu schaffen, etwa in Form von Risikoabsicherungen oder durch Ausbildungsförderung.


Zudem müsse dafür gesorgt werden, dass in Afrika erwirtschaftetes Kapital dort bleibe. Derzeit legen viele Afrikaner ihr Vermögen lieber in Europa an oder parken es auf Auslandskonten, anstatt in ihrer Heimat Steuern zu zahlen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Die afrikanischen Regierungen müssten Steuern eintreiben, um Geld für Investitionen zu haben.


Für Nooke sind die Einhaltung von Menschenrechten und der Kampf gegen Korruption wichtig, um ein gutes Investitionsklima zu schaffen. Aber nicht immer müsse „das ganze Setting der westlichen Demokratie“ erfüllt werden. „Das kann auch mal eine Entwicklungsdiktatur sein“, fügt der Afrikabeauftragte hinzu – wirtschaftliche Erfolge seien „mehr als gar nichts“.


Der Südafrikaner Greg Mills  von der Brenthurst Foundation in Johannesburg ist dagegen überzeugt: „Demokratien wachsen schneller.“

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