Kommentar

Kein falsches Beispiel setzen

Im September gab es in vielen islamisch geprägten Ländern Proteste wegen eines provokanten Videos, das den Propheten Mohammed verspottet. Westliche Regierungen haben bislang richtig reagiert. Die USA dürfen aber nicht anfangen, auf eigene Faust Terroristen in Libyen zu jagen.

Von Hans Dembowski

Einige militante Kämpfer haben sogar zu den Waffen gegriffen. Der Mord an US-Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeitern in Bengasi war ein schweres Verbrechen. In Kairo wurde die US-Botschaft angegriffen. Im Sudan brannte die deutsche Botschaft. Solche Gewalttaten sind völlig inakzeptabel, wie westliche Regierungen von Washington bis Berlin schnell klarstellten. Zu Recht wiesen sie zugleich darauf hin, dass sie gegen die Anstachelung von religiösem Hass sind, aber die Meinungsfreiheit ein wichtiges demokratisches Prinzip ist.

Bizarrerweise meinen manche wütenden Araber, die US-Regierung oder gar ein verallgemeinerter „Westen“ sei für jede unverantwortliche Äußerung und jedes geschmacklose Video irgendwelcher Bürger verantwortlich. Das entspricht autoritärem Denken von vor der Tahrir-Platz-­Revolution und belegt ein völliges Unverständis von Demokratie. Ja, der Film ist scheußlich, aber er wurde von keiner staatlichen Stelle autorisiert.

Zu Recht betonen westliche Spitzenpolitiker nun, dass arabische Staaten nicht nur für die Sicherheit der Botschaften sorgen, sondern auch Mördern und anderen Gewalttätern den Prozess machen müssen. Klar ist jedoch auch, dass die Regierungen von Transformationsländern wie Libyen und Ägypten derzeit nicht alle Pflichten erfüllen können. Sie ringen schließlich mit vielfältigen Problemen.

Westliche Regierungen, die sich Sorgen um ihre Diplomaten machen, können Mitarbeiter abziehen und das Sicherheitspersonal an den Botschaften aufstocken. Es wäre aber verheerend, wenn sie nun das Recht in die eigene Hand nähmen. Nichts hat dem Ansehen der USA in Afghanistan und Pakistan so sehr geschadet wie die eindimensionale Fixierung auf Terroristenjagd ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Prinzipien. Das darf sich in Libyen nicht wiederholen, wo viele Menschen nach dem Bürgerkrieg auf Rache brennen (siehe Aufsatz von Hadija Ramadan al-Amami auf S.372). In solch explosiver Lage dürfen NATO-Mitglieder nicht das falsche Exempel statuieren.

Sie täten aber gut daran, stärker und öffentlich Druck auf Saudi-Arabien auszuüben. Die Saudis fördern seit langem in vielen Ländern fundamentalistische Bestrebungen (siehe Kommentar auf der nächsten Seite). Dieses Gravitationszen­trum des sunnitisch-muslimischen Fanatismus ist – anders als sein schiitisches Gegenstück Iran – ein enger Verbündeter der USA.

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