Wirtschaftliche Zusammenarbeit

„Aufrichtiger Wissenstransfer“

Afrika ist ein kleiner Spieler in der Weltwirtschaft. Doch die Wirtschaft des Kontinents wächst. Selbst in den Ländern südlich der Sahara ist das Bruttoinlandsprodukt 2008 um fünf Prozent gestiegen. Mit dem Projekt „Afrika kommt!“ haben 19 deutsche Unternehmen ihre Beziehungen in die Region intensiviert, die als Handelspartner immer interessanter wird.


[ Von Eva-Maria Verfürth ]

Lucy Mutinda ist ein außer­gewöhnlicher Mensch. Die studierte In­genieurin gehört zu den wenigen Frauen in Kenia, die sich in die Welt des Maschinenbaus hineinwagen – und noch dazu in die besonders stark von Männern dominierte Automobil- und IT-Branche. Als sie sich für einen Leitungsposten in der Fertigung bei General Motors East Africa bewarb, glaubte man ihr kaum, dass sie wirklich in dem lauten und schmutzigen Produktionsumfeld arbeiten wollte. Doch Lucy Mutinda weiß genau, was sie will und wohin sie möchte. Sie ist erst 29 Jahre alt und hat bereits bei General Motors East Africa/Kenya gearbeitet, bei Toyota East Africa Limited und schließlich im Marketing für eine Ingenieurs-Software bei Gath Management Ltd., Nairobi. Danach wollte sie noch höher hinaus: Arbeitserfahrung im Ausland wollte sie sammeln.

Auch das hat sie nun erreicht. Lucy Mutinda ist eine von 20 jungen Fachkräften, die für das „Afrika kommt!“-Programm ausgewählt wurden. Für sie bedeutete das: ein Jahr Weiterbildung und Praktikum in Deutschland, finanziert von der deutschen Wirtschaft.

Mit dem Projekt „Afrika kommt!“ wollten 19 deutsche Unternehmen, Stiftungen und nicht zuletzt InWEnt, aufstrebenden afrikanischen Fachleuten einen Einblick in Strukturen und Abläufe deutscher Unternehmen geben. Sie sollten Netzwerke aufbauen und Kooperationen initiieren, um so die Wirtschaftszusammenarbeit zwischen Deutschland und ihrer Heimatregion mit voranzutreiben.

Um diese einmalige Möglichkeit zu nutzen, hat Lucy Mutinda ihren Job in Kenia gekündigt. Sie glaubt fest daran, dass ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Kenia nach der Weiterbildung besser sein werden – auch wenn die globale Finanzkrise der Wirtschaft dort arg zu schaffen macht.

Automobiltechnik für Kenia

Zusammen mit den anderen Teilnehmenden aus Subsahara-Afrika hat Lucy Mutinda im Sommer 2008 ein intensives Sprachtraining absolviert und steht nun am Ende einer neunmonatigen Hospitanz beim internationalen Automobilzulieferer Continental in Hannover. „Sie arbeitet gewissenhafter als die meisten Praktikanten von deutschen Universitäten“, erzählt Silke Gliemann von Continental beeindruckt. Die Zusammenarbeit hat so gut geklappt, dass der internationale Automobilzulieferer nun nach einer Möglichkeit sucht, Lucy Mutinda auch weiterhin bei sich zu beschäftigen.

Sobald sie nach Kenia zurückgekehrt ist, möchte Lucy Mutinda ihre Erfahrungen weitergeben. „In Kenia brauchen wir eine Veränderung der Businesskultur, genaue Planung und verlässliche Zieleinhaltung, Pünktlichkeit und gute Kommunikation“, sagt sie. „Davon werde ich die Leute jetzt besser überzeugen können, weil ich Erfahrung aus erster Hand habe.“ Bei Continental habe sie gesehen, wie jedes kleinste Detail, so unwichtig es auch erscheinen mag, in die Planung mit einbezogen wird. „In Kenia dagegen waren die Autos manchmal schon in der Fertigungsstraße, als wir feststellen mussten, dass die Auspuffrohre noch nicht geliefert worden waren.“

Medizin für Ruanda

Auch Clément Kanamugire kehrt mit großen Plänen in seine Heimat zurück. Der Ingenieur aus Ruanda hat beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim Michael Rabbow kennengelernt. Michael Rabbow ist für Projekte in Entwicklungsländern verantwortlich, die eine bessere Versorgung mit HIV/Aids-Medikamenten, die Ausbildung von Fachkräften und den Ausbau der Infrastruktur zum Ziel haben.

Gerade war ein Vorhaben zur Verbesserung der Medikamentenversorgung in Botswana auf den Weg gebracht worden. Da kam Clément Kanamugire gerade recht. Warum sollte es nicht auch in seiner Heimat Ruanda funktionieren?

Clément Kanamugire hat in Ruanda zwar nie im Gesundheitssektor gearbeitet, doch die Probleme mit der Logistik sind auch ihm bekannt: Medikamentenlieferungen werden nicht rechtzeitig weitertransportiert oder von den Behörden aufgehalten. Zusammen mit Boehringer Ingelheim will der Ingenieur nun die Transportabwicklung verbessern. Den Kontakt zu den Gesundheitsbehörden in Ruanda hat er bereits aufgenommen.

In Deutschland hat sich Clément Kanamugire ein großes Netzwerk an Bekannten und Partnern aufgebaut. „Die Leute hier sind sehr engagiert und organisiert. Wie sie ihren Job lieben – das hat mich beeindruckt.“ Für den Konzern Boehringer Ingelheim war „Afrika kommt!“ ein voller Erfolg. „Es war ein aufrichtiger Wissenstransfer von beiden Seiten“, meint Michael Rabbow.

Wirtschaftsförderung

Die Erfahrungen von Lucy Mutinda und Clément Kanamugire zeigen, wie Wirtschaftsförderung für beide Seiten, Deutschland und Afrika, funktionieren kann. Für ein weiteres „Afrika kommt!“-Projekt hat Lucy Mutinda Vorschläge, wie einige Kleinigkeiten noch verbessert werden können. „Die deutschen Unternehmen sollten im Vorhinein gut planen, wie sie die afrikanischen Teilnehmer in anspruchsvolle Aufgaben und Projekte einbinden können, von denen diese etwas lernen können“, meint sie. Dass Lucy Mutinda in interessanten Bereichen mitarbeiten konnte, fand sie sehr nützlich.

Außerdem haben viele Teilnehmende für das Projekt ihre Arbeit im Heimatland gekündigt. Ein Jahr Ausland – das macht kaum ein Arbeitgeber mit. „Wir sollen unsere Erfahrungen weitergeben. Aber wie, wenn wir keinen Anschlussvertrag in unserem Heimatland haben?“ Nichtsdestotrotz ist Lucy Mutinda zuversichtlich, dass sie durch „Afrika kommt!“ sehr gute Chancen bei der Arbeitssuche haben wird.

Lucy Mutinda und Clément Kanamugire sind überzeugt, dass „Afrika kommt!“ ein gutes Programm ist. Es sei eine große Chance für sie alle gewesen. Schließlich kehren alle Teilnehmer mit einem großen Erfahrungsschatz und vielen neuen Kontakten in ihre Länder zurück. „Ich kann nun meinem Land helfen“, erklärt Clément Kanamugire. „Wäre ich nicht nach Deutschland gekommen, wäre das so nicht möglich gewesen.“

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