Klimakrise

Eine indische Studentin artikuliert ihre Klimasorgen

Im Großraum Kalkutta und anderswo sind die ökologischen Probleme bereits groß. Die Klimakrise verschärft Armut und Ungleichheit.
Hochwasser in einem Slum in Kalkutta. picture-alliance/Pacific Press/Arka Dutta Hochwasser in einem Slum in Kalkutta.

In den vergangenen Jahren gab es in Kalkutta ungewohnte Hitze und längere Sommer. Die Temperatur stieg auf die Rekordhöhe von 46° Celsius. Als ich im März das Gelände der Jadavpur University betrat, waren Kommilitonen*innen schweißgebadet. Der Campus ist wegen vieler Bäume eigentlich zwei Grad kühler als die Stadt, aber alle klagten über die Hitze. Allen war klar, dass es wegen des ungebremsten Klimawandels noch schlimmer werden wird.

Der Großraum Kalkutta hat mit seinen rund 20 Millionen Menschen riesige ökologische Probleme. Im Monsun waren manche Nachbarschaften schon immer überflutet, aber mittlerweile sorgen plötzliche Regenfälle für mehr und schlimmere Hochwasser. Die Slums sind besonders betroffen. Immer wieder verlieren arme Familien Heim und Habseligkeiten. Hitze und Extremwetter erweisen sich auch immer wieder als tödlich, aber es gibt darüber keine zuverlässige Statistik.

Kalkutta wuchs in und nach der Kolonialzeit lange ohne richtige Stadtplanung. Diese begann ernsthaft erst in den 1970er-Jahren, als es schon sehr schwierig war, nachträglich für die Millionenstadt noch eine ausreichende Infrastruktur zu schaffen. Offensichtlich mangelt es weiterhin an Kapazitäten, um die wachsenden Umweltprobleme in den Griff zu kriegen. Das ist in anderen indischen Städten ähnlich.

Große Probleme gibt es auch im ländlichen Raum. Extremwetter vernichten Ernten. Zugleich macht unregelmäßig gewordener Regen etablierte Agrarpraktiken unmöglich. Die ländliche Infrastruktur ist generell auch in einem schlechteren Zustand als die städtische. Besonders leiden, wie immer, die Armen.

Riesige Missstände 

Ich gehöre zu den Santals, einem Adivasivolk. In ganz Südasien leben Adivasi seit Jahrhunderten in Harmonie mit der Natur, wobei sie Wälder, Berge und Feuchtgebiete schützten. Je mehr Land zu Feldern gemacht und für andere angeblich moderne Zwecke verwendet wurde, desto mehr litten unsere Völker an Marginalisierung. 

 

Die Konflikte halten an. Mancherorts sind sie unter einer Folge von Regierungen verschiedener Parteien zu Bürgerkriegsszenarien eskaliert. In solchen Fällen überschattet Gewaltberichterstattung riesige soziale und ökologische Missstände.

Im Bundesstaat Chhattisgarh opponieren Adivasi dagegen, dass große Wälder dem Kohlebergbau weichen sollen. Die indische Regierung hat vor Kurzem eine riesige neue Mine im Hasdeowald genehmigt. In ihm leben 20 000 Adivasi. Sie verehren den Wald und hängen von ihm ab. Die Regierung behauptet, die Kohle werde Indiens Abhängigkeit von Energieimporten senken, vernachlässigt aber, dass es sich um einen besonders schäd­lichen fossilen Brennstoff handelt.

Vermeintlich saubere Energieprojekte können auch zulasten von Adivasi gehen. Im Bundesstaat Arunachal Pradesh soll der Fluss Siang für ein riesiges Wasserkraftwerk gestaut werden. Das historische Land der Adi, einem Adivasivolk, soll dafür geflutet werden. Dort leben mehr als 100 000 Menschen. Es überrascht nicht, dass gegen das Vorhaben seit 15 Jahren entschlossen protestiert wird.

Die arme Landbevölkerung hat selten großen politischen Einfluss. Für Minderheiten gilt das besonders. Das ist ein wichtiger Grund von Landschaftszerstörung, Vertreibung und der Missachtung der Rechte von Adivasi.  

Politische Prioritäten 

Indien muss sich über die politischen Prioritäten klar werden. Wir stehen vor gewaltigen sozialen und politischen Problemen. Sie werden weiter wachsen, wenn wir nicht auf die Umwelt achten. Die Klimakrise verschärft Armut und Ungleichheit. Ganze Landstriche trocknen aus, während anderswo fruchtbare Böden erodieren.

Indien ist immer noch relativ arm, hat aber wenig zum Treibhauseffekt beigetragen. Vielen jungen Menschen ist dennoch klar, dass wir das destruktive Modell westlicher Konsumgesellschaften nicht kopieren können. Mehr Klimaanlagen, mehr Autos und mehr Plastikmüll werden die globale Umweltkrise weiter verschärfen, aber nicht zur Lösung beitragen.

Die globale Erwärmung droht uns nicht erst in der Zukunft. Wir erleben sie bereits, und sie wird ständig schlimmer. Regierungen weltweit müssen endlich aufwachen – und das gilt auch für die indische.

Ipil Monica Baski studierte Anglistik an der Jadavpur University in Kalkutta.
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