Verkehr

Große Ambitionen

Eine gute Infrastruktur fördert den Handel, erleichtert die Produktion und bringt Menschen miteinander in Verbindung. Für Erfolg, ein stabiles Wachstum und weniger Armut muss ein Land seine Infrastruktur ausbauen. Indiens Regierung kann nicht alle nötigen Baumaßnahmen allein finanzieren – und setzt deshalb auf Public-private-Partnerships (PPPs).


Von Prabir De

Indiens Aufstieg in den letzten Jahren ist in der Welt nicht unbemerkt geblieben. Das Land tut sich neben China als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften hervor. Dank steigender Investitionen und einer guten gesamtwirtschaftlichen Lage sieht die Zukunft vielversprechend aus. Doch um sein volles Potenzial zu entfalten, muss Indien nach Ansicht vieler Beobachter seine Infrastruktur deutlich verbessern, denn sie bremst schon jetzt die Wirtschaft.

Die Zentralregierung hat die Ausgaben für die Infrastruktur bereits erhöht. Zugleich bemüht sie sich, den Privatsektor stärker einzubeziehen. Laut staatlicher Planungskommission beläuft sich der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen im aktuellen Fünfjahresplan (2007 bis 2011) auf 514 Milliarden Dollar. Dabei soll der Aufwand von 5,2 Prozent des BIP im letzten Fünfjahresplan auf 7,6 Prozent steigen. Die aktuelle Quote von 7,55 Prozent zeigt, dass das fast erreicht ist. Der Privatsektor finanziert dabei mehr als ein Drittel der Infrastrukturmaßnahmen.

Der Regierung ist es also gelungen, privates Kapital zu mobilisieren. Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Für den nächsten Fünfjahresplan strebt die Planungskommission an, die Infrastrukturinvestitionen bis auf zehn Prozent des BIP – also auf eine Billion Dollar – zu steigern. Die Hälfte davon soll der Privatsektor beisteuern. Die Zentralregierung hat in Sachen Public-private-Partnerships schon viel erreicht, auf die Landesregierungen trifft das bisher jedoch noch nicht zu.

Auf Verkehr kommt es besonders an

Um Wachstum anzuregen und Armut zu reduzieren, ist ein effizientes und für jeden zugängliches Verkehrssystem unentbehrlich. In letzter Zeit hat Indien viel in Straßen investiert. Das starke Wachstum und steigende Einkommen werden den Bedarf in den nächsten Jahren aber weiter erhöhen. Die Zentralregierung und die Bundesstaaten verfügen derweil nur über beschränkte Budgets. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass der Privatsektor in die Verkehrsin­frastruktur investiert. Allerdings geht es nicht so voran wie erhofftt.

Wenn die Behörden nicht stärker auf die Bedürfnisse privater Investoren eingehen, wird die Privatwirtschaft jedoch kaum die gewünschte größere Rolle übernehmen. Die gesetzlichen Vorschriften müssen unternehmerfreundlicher gestaltet werden, und es muss mehr getan werden, um Investitions­risiken zu minimieren.

Immerhin 31,4 Milliarden Dollar privates Kapital hat Indien von Januar 2007 bis Januar 2011 für PPP-Projekte im Verkehrswesen mobilisiert, das meiste davon floß in den Straßenbau. Indien ist dabei, ein System nationaler Mautstraßen zu schaffen.

Mehrspurige und kreuzungsfreie Autobahnen werden in Zukunft die großen Metropolen Delhi im Norden, Mumbai (Bombay) im Westen, Bengaluru (Bangalore) und Chennai (Ma­dras) im Süden sowie Kolkata (Kalkutta) im Osten miteinander verbinden. Wichtige Abschnitte wie die Strecke zwischen Bengaluru und Chennai sind schon im Bau.
Ein weiteres innovatives PPP-Projektbeispiel betrifft den Schienenverkehr. Momentan nutzen Güter- und Personenzüge dieselben Strecken. Die Verbindungen zwischen Mumbai, Delhi und Howrah (dem Bahnknotenpunkt von Kolkata) sind überlastet. Über diese Schienen läuft 58 Prozent des Güter- und 52 Prozent des Personenverkehrs der Eisenbahnen. Das wirtschaftliche Wachstum wird sicherlich mehr Nachfrage auslösen. Deshalb plant die Regierung in Kooperation mit dem Privatsektor, spezielle Frachtkorridore einzurichten. Der Bau hat bereits begonnen.

Um das neue Netz für Hochgeschwindigkeitszüge besser planen, bauen und warten zu können, hat die Zentralregierung 2006 die Dedicated Freight Corridor Corporation of India Ltd (DFCCIL) gegründet. Ihr Zweck ist unter anderem, privates Kapital zu mobilisieren. Denn nachdem der Schienenverkehr bislang ausschließlich in staatlicher Hand war, bezieht die DFCCIL jetzt auch private Investoren ein. Der wirtschaftliche Vorteil dieses Projekts ist offensichtlich.

Neuer Raum für die globale Industrie

Der Delhi-Mumbai Industrial Corridor (DMIC) dürfte das eindrucksvollste PPP-Projekt für den Ausbau der indischen Infrastruktur darstellen. Die Möglichkeiten, die der neue Frachtkorridor zwischen den beiden Met­ropolen eröffnet, sollen voll ausgeschöpft werden. Es ist geplant, ein Gebiet von bis zu 200 Kilometern auf beiden Seiten entlang der Eisenbahnfrachtstrecke für industrielle Entwicklung zu erschließen. Initiator des DMIC ist die Zentralregierung. Sieben Bundesstaaten (Delhi, Uttar Pradesh, Haryana, Rajasthan, Gujarat, Madhya Pradesh und Maharashtra) werden davon profitieren.

Die Gesamtkosten dürften bei 90 Milliarden Dollar liegen. Die Zentralregierung ist bereit, ein Drittel davon zu tragen. Aus Japan kommt ebenfalls finanzielle und technische Hilfe, und einen Großteil sollen private Investoren beitragen. Die zuständige Behörde ist die Delhi-Mumbai Industrial Corridor Development Corporation (DMICDC). Sie wurde im Januar 2008 ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, günstige Voraussetzungen für die Gewerbeentwicklung zu schaffen. Dazu müssen auch das Umland und die Häfen der Westküste erreichbar sein.

Der DMIC soll zu einer weltweit relevanten Achse für Industrie und Handel werden. Vor allem die Ansiedlung von Fertigungsbetrieben und Dienstleistungsunternehmen wird angestrebt. Um auch die Aufmerksamkeit ausländischer Investoren zu erregen, muss die Infrastruktur globalen Standards entsprechen. Davon werden selbstverständlich auch lokale Unternehmen profitieren.

Das Projekt bezieht unter anderem ein:
– neun 200 bis 250 Quadratkilometer große Industrieparks,
– die erwähnte Schnellstrecke für Gütertransporte,
– drei Häfen,
– sechs Flughäfen,
– die ebenfalls erwähnte direkte Autobahnverbindung zwischen Delhi und Mumbai sowie
– ein 4000-Megawatt-Kraftwerk.

Mehrere Industriegebiete mit bester Infrastruktur sollen entlang dieses Korridors entstehen und ausländische Investoren anlocken. Die Landesregierungen von Haryana, Gujarat und Maharashtra unterzeichneten im April 2010 Absichtserklärungen für die Zusammenarbeit mit japanischen Firmen. Gemeinsam wollen sie so genannte „smart communities“ und „eco-friendly townships“ (Siedlungen mit optimierter Energieversorgung, 24-Stunden-Wasserversorgung, Fahrrad- und Fußgängerwegen sowie einem Recyclingsystem für Abfall und Wasser) entwickeln. Momentan laufen japanische Studien über die Umsetzbarkeit dieser Ideen in den genannten Bundesstaaten.

Qualifizierungsbedarf auf Landesebene

Bedarfsgerechte, belastbare Infrastruktur ist nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der indischen Wirtschaft zu steigern, Wachstum zu fördern und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, bemüht sich die indische Zentralregierung neben der Steigerung der öffentlichen Ausgaben für diesen Sektor auch darum, private Investoren einzubinden.

Sie sollte aber noch mehr tun, damit im Land das Bewusstsein für die großen Vorteile von PPPs wächst. Die Landesregierungen müssen geschult werden, um PPP-Projekte besser leiten und durchführen zu können.

Jedenfalls müssen die Investitionen in die indische Infrastruktur gesteigert werden, um weiterhin zweistelliges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. PPP-Projekte sollten bei globalen Ka­pitalfonds genauso wie bei indischen Anlegern Mittel einwerben. Die Hauptherausforderung besteht darin, effizi­ente Mechanismen zu entwickeln, die ein Gleich­gewicht zwischen internationalem und heimischem Kapital sicherstellen – sowie zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor.

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