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Nachfrage nach Faktenprüfung in Afrika steigt

Facebook und Google kooperieren neuerdings mit Faktenprüfungs-Agenturen, um die negativen Auswirkungen von Falschinformationen auf ihren afrikanischen Plattformen zu mindern. Es muss aber weit mehr getan werden.
Mobiles Netz ist im Afrika südlich der Sahara mittlerweile Standard. picture-alliance/BSIP Mobiles Netz ist im Afrika südlich der Sahara mittlerweile Standard.

In Afrika werden viele Falschinformationen im Internet verbreitet. Bisweilen ungewollt, oft bewusst. Die Verursacher verfolgen unter anderem finanzielle, ideologische und politische Interessen – mit ganz realen Folgen (siehe Kasten) wie finanziellen Verlusten, Rufmord oder sozialen Unruhen. Durch Falschinformationen geschürter religiöser oder ethnischer Hass kann sogar tödlich enden.

Der politische Aspekt von Fake News findet relativ viel Beachtung. Denn in Demokratien sollte der öffentliche Diskurs dem Gemeinwohl dienen – Desinformation und Propaganda untergraben aber gute Staatsführung.

In den größten Volkswirtschaften südlich der Sahara, in Südafrika und Nigeria, wurde dieses Jahr gewählt. Ehe die Wähler zu den Wahllokalen gingen, schloss sich der Social-Media-Riese Facebook, dem auch WhatsApp gehört, mit mehreren Faktenprüfungs-Agenturen zusammen, um Unwahrheiten und Fake News aufzudecken. Facebook versprach außerdem, in Zusammenarbeit mit Journalisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen digitale Kompetenz zu fördern. Die Plattform war massiv kritisiert worden, weil sie es in verschiedenen Ländern vor den Wahlen nicht geschafft hatte, die Verbreitung von Fake News zu verhindern. Das galt vor allem für die USA 2016.

Inzwischen macht Facebook in drei weiteren Ländern Afrikas Faktenprüfung: Kenia, Senegal und Kamerun. Einer von Facebooks Partnern dabei ist Africa Check, die erste unabhängige Prüfagentur des Kontinents mit Büros in Südafrika, Kenia, Nigeria und Senegal (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt im E+Z/D+C E-Paper 2018/05). Weitere Partner sind die französische Nachrichtenagentur AFP (Agence France Press) sowie die Firmen Dubawa aus Nigeria und PesaCheck aus Kenia.

Es habe sich bereits einiges getan, versichern Facebook-Manager. „Die unabhängigen Prüfer helfen uns, zu beurteilen, ob auf Facebook geteilte Inhalte stimmen. Erachten sie Inhalte für falsch, drosseln wir deren Verbreitung in Nachrichten-Feeds“, erklärt Akua Gyekye, der für politische Kommunikation bei Facebook zuständig ist. „Wir zeigen auch verwandte Artikel von Faktenprüfern, um mehr Hintergrund zu bieten, und benachrichtigen die Nutzer, wenn vermutet wird, dass das, was sie geteilt haben, nicht stimmt.“

Generell stellt sich Facebook damit seiner Pflicht, seine Plattformen in Ordnung zu halten. Und wie Gyekye betont, tue Facebook weit mehr, um:

  • falsche Profile zu entfernen,
  • die finanziellen Anreize, Fake News zu verbreiten, zu verringern,
  • Nachrichtenkompetenz zu fördern und
  • mehr Hintergrund zu liefern, damit die Nutzer selbst entscheiden können, was sie lesen, glauben und teilen wollen.

Doch die Herausforderungen sind enorm. Afrika hat 55 souveräne Nationen, geschätzte 400 Millionen Afrikaner haben aktuell Zugang zum Internet. In nur etwa zehn Prozent der Länder werden Posts auf Facebook und WhatsApp systematisch überprüft. Die Kapazitäten der Prüfer sind begrenzt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie jede Lüge sofort entlarven. Ehe Facebook und WhatsApp falsche Einträge löschen können, müssen sie über diese in Kenntnis gesetzt werden – und dieser Prozess dauert. Somit kann der Fakten-Check nur zu einem gewissen Grad das abpuffern, was gefälschte Inhalte anrichten können, aber nicht verhindern, dass diese Lügen verbreitet werden.


Zweifelhafte Websites und Blogs

Auch der Suchmaschinen-Gigant Google kooperiert inzwischen mit Agenturen, um zu prüfen, ob Meldungen stimmen. Ziel der Google News Initiative ist es, vertrauenswürdige Inhalte weit oben zu ranken. Wer Google kennt, weiß aber, dass weiterhin zweifelhafte Websites und Blogs oft nur knapp nach, wenn nicht gar vor international namhaften Quellen wie etwa der BBC oder Le Monde auftauchen.

Es wäre schön, wenn Social-Media-Plattformen künstliche Intelligenz (KI) nutzen könnten, um Lügen, Betrügereien und unbeabsichtigte Fehler aufzuspüren. Aber solche Algorithmen müssen erst entwickelt werden, und das ist nicht so einfach. Algorithmen ahmen menschliches Verhalten nach. Da Menschen leicht täuschbar sind, sind Softwareprogramme ähnlich anfällig.

Die britische Organisation Full Fact ist führend bei der Nutzung von KI zur Fakten­prüfung. Sie hat von Google zwei Millionen Dollar für die Entwicklung innovativer Tools erhalten, die Nutzern helfen einzuschätzen, ob Inhalte stimmen.

Full Fact erklärt: „Wir hoffen, dass unser Projekt hilft, dass binnen drei Jahren Bürger und Internetnutzer in die Sicherheit vertrauen können, Internetunternehmen faire und fundierte Urteile treffen können und politische Entscheidungsträger besser in der Lage sind, auf Fake News zu reagieren und zugleich die Meinungsfreiheit zu schützen.“ Die gemeinnützige Organisation kooperiert mit internationalen Partnern wie Africa Check und der argentinischen Agentur Chequeado.

Bislang gibt es aber noch keine KI-Lösungen. Der Gründer und Direktor von Africa Check, Peter Cunliffe-Jones, betont, dass Fake News ein vielschichtiges Problem darstellen und diverse Aspekte eine Rolle spielen. So könnten Menschen etwa auf Falschinformationen hereinfallen, weil sie:

  • keinen Zugang zu korrekten Informationen haben,
  • nicht zwischen zuverlässigen und unzuverlässigen Quellen unterscheiden können oder
  • nicht an öffentliche Institutionen glauben.

Die Nachfrage nach Faktenprüfung in Afrika steigt. Immer mehr Organisationen richten Prüfstellen ein. Zugleich werden Informationen immer raffinierter gefälscht.

Dem Africa-Check-Gründer zufolge sollte man lügenden Politikern oder Wirtschaftsbossen höflich, aber klar sagen, wo sie falsch liegen, und sie auffordern, sich öffentlich zu korrigieren. Journalisten von Mainstream-Medien sollten wachsamer sein und verlässliche Inhalte produzieren, die sich deutlich von Web-Gerüchten abheben. Nachrichtenkonsumenten wiederum sollten gute Quelle erkennen und wissen, wie man Inhalte anhand anderer Quellen gegencheckt. Der Kampf gegen Online-Lügen findet also an mehreren Fronten statt. Wie Cunliffe-Jones sagt: „Für ein vielschichtiges Problem braucht es vielschichtige Lösungen.“

Der Medienwissenschaftler Siguru Wahutu sieht das anders. In einem kürzlich erschienenen Aufsatz (2019) benennt Wahutu schlechte journalistische Standards als das Hauptproblem. Sozialen Medien und mangelnder Medienkompetenz die Schuld zu geben lenkt seiner Ansicht nach nur vom Journalismus ab und macht das Publikum zum Bösewicht, das aber eigentlich das Opfer sei.

Er übersieht dabei jedoch drei wichtige Punkte:

  • Jeder kann online publizieren, insofern spielen nicht nur Journalisten eine Rolle.
  • Soziale Medien sind eine legitime Informationsquelle. Viele Menschen informieren sich gar nicht über Mainstream-Medien.
  • Da Mainstream-Medien nicht über alles berichten, gibt es für manche Themen letztlich keine Alternative zu Social Media.

Wenn wir erwarten, dass allein journalistische Professionalität und Medienkompetenz der Bürger die Fake-News-Flut eindämmen sollen, lösen wir dieses globale Problem nicht. Letztlich müssen digitale Plattformen selbst Verantwortung für Inhalte tragen, die sie verbreiten, und für Richtigkeit und Redefreiheit einstehen. Sie müssen dabei aber aufpassen, dass sie nicht Zensur fördern. Afrikanische Regierungsinstitutionen sind nicht stark genug, um Internetgiganten in die Verantwortung zu nehmen. Selbst fortschrittlichere Nationen tun sich damit schwer.


Alphonce Shiundu ist der kenianische Herausgeber von Africa Check, einer unabhängigen Faktenprüfungsorganisation.
twitter: @shiundu

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