Arbeitsmarkt

Benins Beschäftigungssorgen

In Benin wünschen sich sehr viele Menschen eine Stelle im öffentlichen Dienst. Der Staat bezahlt zwar nicht gut – aber regelmäßig. Die meisten Beniner leben wegen ihrer informellen Jobs in permanenter Verunsicherung.
Steuern fallen nicht an: Auslage eines Schuhhandels in Benin. Lissac/picture-alliance/Godong Steuern fallen nicht an: Auslage eines Schuhhandels in Benin.

Kurz nach Amtsantritt nach den Wahlen 2016 erließ Benins neuer Präsident Patrice Talon mehrere Dekrete, um die Verträge kürzlich eingestellter Beamter zu kündigen. Einige der betroffenen Leute hatten offensichtlich Schmiergeld bezahlt, um eine Stelle zu bekommen. Lokalen Medien zufolge waren erhebliche Summen geflossen. Wie die Zeitungen berichteten, hatten einige Bewerber auch Zeugnisse gefälscht, während andere gar nicht erst versuchten, die für den Staatsdienst nötigen Qualifikationen auch nur vorzutäuschen.  

Talons Entscheidung, die Verträge zu kündigen, stieß auf Protest. Betroffene demonstrierten und trafen sich mehrmals zum Sit-in in dem Ministerium, das für Arbeit und öffentlichen Dienst zuständig ist. Sie fanden die Entscheidung des Staatschefs unfair, denn ihrer Meinung nach durften staatliche Festanstellungen nicht widerrufen werden.   

In Benin gibt es eigentlich klare Regeln darüber, wer sich auf Stellen im öffentlichen Dienst bewerben kann. Nötig ist die Staatsbürgerschaft des Landes, ein sauberes Führungszeugnis, ethisch korrekte Haltung und die Befähigungen, die für die ausgeschriebene Stelle nötig sind. Abschlusszeugnisse müssen vorgelegt werden. Bewerber, die in Praktika schon Einsichten und Erfahrung gesammelt haben, sollen bevorzugt werden. In der Praxis werden diese Vorschriften aber oft umgangen.

Eine Stelle im Staatsdienst zu haben, ist in Benin ein seltenes Privileg. Das Land hat 10 Millionen Menschen und weniger als 100 000 Beamte. Wer für die Regierung arbeitet, bekommt am Monatsende ein Gehalt. Es gibt noch weitere Vorteile, einschließlich einer rudimentären Krankenversicherung. Staatsbedienstete können zudem im Alter mit einer kleinen Rente rechnen.  

Stellen im öffentlichen Dienst sind begehrt, denn der Staat zahlt zuverlässig, auch wenn seine Gehälter eher bescheiden sind. Beamte haben im Gegensatz zur großen Mehrheit der Beniner also ein regelmäßiges Einkommen. Das hilft, die Familie zu ernähren.

Statistiken der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labor Organization – ILO) zufolge sind 75 Prozent der Bevölkerung von Benin erwerbstätig. Das Bruttoinlandsprodukt beruht zu 75 Prozent auf der Landwirtschaft, welche fast die Hälfte der Erwerbstätigen beschäftigt. Die Exporte sind zu 85 Prozent Baumwolle. In der Industrie arbeiten zehn Prozent und im Dienstleistungsgewerbe 44 Prozent. Formelle Festanstellungen sind allerdings sehr selten.   

Das Land leidet unter Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. Deshalb hat die neue Regierung versprochen, von 2016 bis 2021 für die Entstehung von 500 000 neuen Arbeitsplätzten zu sorgen. Kritiker fragen allerdings, wie das angesichts knapper Staatsfinanzen gelingen soll.  

Die Regierung hat angekündigt, sie selbst werde 10 000 Leute einstellen. Ob dabei Stellen neugeschaffen oder nur freiwerdende neu besetzt werden, blieb aber offen. Die Regierung hat auch ein neues Nationales Arbeitsamt geschaffen. Es soll Jugendlichen helfen, bezahlte Arbeit zu finden oder eigene Unternehmen zu starten. Bislang vermittelt es offenbar nur in seltenen Fällen Festanstellungen.  

Dem Gesetz zufolge ist Festanstellung in Benin unkündbar und mit diversen weiteren Vorteilen verbunden, zu denen unter anderem soziale Sicherung gehört. Unternehmensinhaber schrecken meist vor diesen langfristigen Verpflichtungen zurück.  

Die Wirtschaftsaussichten sind zur Zeit auch nicht gut. Der Freihafen von Cotonou, der früher das Herz der Volkswirtschaft war, wirkt heute verschlafen. Vor zehn Jahren war viel mehr los. Nigeria, Benins großer Nachbar, stützt seinen Außenhandel jetzt auf die eigenen Häfen und nicht mehr auf den Transportkorridor mit Cotonou. Weil deutlich weniger Schiffe Benin anlaufen, sind auch die Steuer- und Zolleinnahmen gesunken.  

 

Mangel an beruflichen Qualifikationen

Die meisten Arbeitssuchenden in Benin sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Einige haben Hochschulabschlüsse oder eine Berufsschule absolviert. Die meisten haben aber nur sehr wenig oder sogar überhaupt keine formale Bildung. Berufliche Qualifikationen sind selten.

Wegen all der genannten Gründe ist informelle Beschäftigung in Benin die Norm. Wer keinen eigenen kleinen Betrieb hat, rackert meist in dem eines Angehörigen mit oder macht als Tagelöhner Arbeit, für die keine Ausbildung nötig ist. Die Erwerbstätigkeit der meisten Menschen unterliegt keinen formellen Regeln und geht mit permanenter Unsicherheit einher.  

Die meisten Beniner erwirtschaften ihr Einkommen im informellen Sektor. Die Unternehmen sind klein. Die meisten verrichten irgendwelche Dienste, zum Beispiel im Handel mit Haushaltsgeräten, Kleidern oder Mobiltelefonen. Sie verwenden Bargeld und haben kaum Zugang zu Bankkrediten oder anderen Finanzdienstleistungen.

Ein wesentlicher Nachteil des informellen Sektors ist die mangelnde Rechtssicherheit. Firmeneigner brauchen keine feste Adresse. Sie zahlen keine Steuern und bieten ihren Mitarbeitern keinerlei soziale Sicherung. Ihre Güter und Dienstleistungen sind billig, aber für die Qualität gibt es keine Garantie. Schriftliche Verträge sind selten. Der informelle Sektor ermöglicht den Menschen das Überleben, hält sie aber in Armut gefangen – und das gesamte Land ebenfalls.

Selbst der Staatsdienst stützt sich zuweilen auf informelle Unternehmen. Vielfach haben Behörden sich Computer, Drucker und Fotokopierer so beschafft.

Manchmal scheint es, als verbinde den Staat eine Art Hassliebe mit dem informellen Sektor. Es ist klar, dass Steuern zu erheben der Staatskasse gut täte. Es gibt aber keinen Zaubertrick, der informelle Firmen zum Mitspielen brächte.

Frühere Regierungen wollten deshalb Unternehmen formalisieren und hatten begonnen, Firmenlizenzen zu vergeben. Talons Regierung verfolgt aber einen härteren Ansatz. Sie hat konstatiert, dass viele informelle Firmen auf öffentlichem Boden arbeiten und droht, sie räumen zu lassen. Es wird kaum überraschen, dass diese Politik zu noch mehr Aufregung geführt hat, als die Kündigung der Beamtenverträge. Kritiker werfen der Regierung vor, sie würge den informellen Sektor, in dem Hundertausende ihr Geld verdienen, ab.

Die Beschäftigungsprobleme Benins sind gewaltig und schwer zu lösen. Das haben frühere Regierungen auch schon erfahren.

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