Kommentar

Es bleibt noch viel zu tun

Nie zuvor hatte in Bangladesch jemand so große Macht durch demokratisches Mandat wie Sheik Hasina. Vor einem Jahr errang sie einen erdrutschartigen Wahlsieg.


[ Von Ridwanul Hoque ]

Am 6. Januar geht das erste Jahr unter Sheikh Hasinas neuer Regierung zu Ende. Im Wahlkampf hatte sie viel versprochen. Die fünf Hauptpunkte waren
– wirtschaftlicher Fortschritt,
– Beseitigung von Armut und Ungleichheit,
– effektive Bekämpfung der Korruption,
– solide Regierungsführung im Sinne der Unterbindung von Terrorismus und Extremismus und einer unabhängigen
Justiz sowie
– höhere Energiesicherheit.

Hasinas Partei hält heute 230 von 300 Parlamentssitzen (abgesehen von 45 für Frauen reservierte Sitze). Sie ist stark genug, die Verfassung zu ändern. Ihr Wahltriumph war aber nicht nur Ergebnis der Versprechen, sondern auch der Unzufriedenheit der Menschen mit den vorherigen Regierungen. Fünf Jahre lang hatte die Ban­gladesch National Party (BNP) ein Missbrauchsregime geführt, gefolgt von der Machtübernahme des Militärs im Jahr 2006, als klar wurde, dass die BNP die Wahlen manipulieren würde. Eine vom Militär gestützte Übergangsregierung versprach daraufhin, den Staatsapparat zu reinigen, erreichte aber wenig. Hasina selbst verbrachte wegen Korruptionsvorwürfen ein Jahr in Haft.

Ihre Regierung hat viele Wirtschaftsreformen initiiert. Sie will Arbeitsplätze schaffen und hat die Ausgaben für Sozialhilfe und soziale Sicherung erhöht. Neue Agrarsubventionen wurden eingeführt. Insgesamt hat das aber wenig bewirkt. Das Land leidet unter einer „Investitions­dürre“: Fehlendes heimisches Unternehmertum hat die Folgen der Weltwirtschaftskrise verstärkt.

Die Regierung hat ihr Versprechen, die Preise für Basisgüter zu regulieren, nicht gehalten. Essentielle Dinge bleiben für das einfache Volk viel zu teuer – mit weitreichenden Folgen für Armut und Gesundheit. Hasina veranlasste nur kleine Schritte zur Verbesserung des maroden Gesundheitswesens. Die Armen leiden besonders unter dem Fehlen von Krankenhäusern und medizinischer Versorgung.

Hasinas Regierung hatte versprochen, bis 2011 das Stromproblem zu lösen. Bisher ist wenig passiert, außer, dass die Uhr eine Stunde zurückgestellt wurde, um das Tageslicht besser zu nutzen.

Auch in Sachen Good Governance hinkt die Premierministerin ihren Zielen hinterher. Die versprochene „echte“ Unabhängigkeit der Justiz kling hohl angesichts politisch motivierter Berufungen von Richtern ans Oberste Gericht. Die Vorschläge der Judicial Pay Commission bleiben weitgehend unberücksichtigt. Das Parlament ist keine nationale Plattform für politische Beratung geworden. Die Anti-Korruptionskommission hat Autorität eingebüßt, weil die neue Regierung sich geweigert hat, einschlägige Reformen der Übergangsregierung zu übernehmen.

Die Sicherheitsprobleme sind heute größer als während Hasinas erster Amtszeit als Premierministerin von 1996 bis 2000. Ein Beispiel ist die immer noch nicht aufgeklärte blutige Meuterei von Grenzsoldaten der Bangladesh Rifles (BDR) im Februar. Es ist Hasina allerdings anzurechnen, dass die Täter vor Gericht stehen.

Bislang gelingt es der Regierung jedoch, religiösen Extremismus im Zaum zu halten. Sie hält ein wachsames Auge auf aufkeimende Terrorgruppen und Fundamentalisten. Sie hat einige radikale Organisationen verboten und viele Mitglieder verhaftet. Diese Erfolge werden allerdings vom Chaos im staatlichen Beschaffungs- und Bauwesen überschattet, wo Hasinas Awami League offenbar Vetternwirtschaft betreibt. Zudem gehen Menschenrechtsverletzungen und sogar Todesfälle auf das Konto der Sicherheitskräfte.

Die Regierung geht auch die Aufarbeitung der traumatischen Geburtsgeschichte der Nation an. Sie hat die gerichtliche Verfolgung der Kriegsverbrecher aus dem Befreiungskrieg von 1971 vorangetrieben sowie den Abschluss des Prozesses wegen Mordes an Sheik Mujibur Rahman 1975, dem Gründer Bangladeschs und Vater von Sheik Hasina.

Vor den Wahlen hofften Bangladeschs Menschen auf Wandel und Fortschritt. Heute sind sie zunehmend desillusioniert. Laut einer aktuellen Umfrage der Asiatischen Entwicklungsbank haben sie weniger Vertrauen in die Regierung als im Januar. Deren zukünftiger Erfolg hängt nicht von neuen Versprechen ab, sondern davon, dass sie ihre alten hält.

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