Pandemien

Globale Maßnahmen zur Pandemievorsorge

Ein neuer Pandemiefonds soll die Weltgemeinschaft vor einer erneuten Katastrophe wie der Covid-19-Pandemie bewahren. Er steht vor vielen Herausforderungen, hat aber auch das Potenzial, nicht nur Vorsorge, sondern auch Prävention zu betreiben.
Ein Mann reicht Lebensmittel durch Barrikaden, die Anfang 2020 ein Wohngebiet im chinesischen Wuhan blockieren. Kein Land war auf das Ausmaß der Covid-19-Pandemie vorbereitet. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Uncredited Ein Mann reicht Lebensmittel durch Barrikaden, die Anfang 2020 ein Wohngebiet im chinesischen Wuhan blockieren. Kein Land war auf das Ausmaß der Covid-19-Pandemie vorbereitet.

Bereits Infektionsausbrüche wie SARS in Südchina 2002, MERS im mittleren Osten 2012 und Ebola 2014 in Westafrika hätten Alarmsignale sein müssen. Erst die Covid-19-Pandemie mit über 6,7 Millionen Toten und mehr als 12,5 Billionen Dollar Wirtschaftseinbußen jedoch hat der Weltgemeinschaft verdeutlicht, wie schlecht die Gesundheitssysteme gerüstet waren und wie wichtig es ist, Ausbrüche gefährlicher Erreger möglichst zu vermeiden, besser vorzusorgen und sie effizienter zu bekämpfen.

Wir stehen vor der Aufgabe, multiplen Infektions- und Pandemierisiken in einer ohnehin bereits krisengeschüttelten Welt zu begegnen. Denn diese Risiken bestehen unvermindert fort. Sie nehmen in einer immer vernetzteren, mobileren Welt und durch die Klimakrise und Biosphärenzerstörung sogar noch weiter zu. Während einerseits Covid-19 nach wie vor bekämpft werden muss, muss die Weltgemeinschaft also andererseits gleichzeitig neue Ausbrüche eindämmen und sich auf künftige Pandemien vorbereiten.

Vor diesem Hintergrund beriefen die G20-Staaten 2021 das G20 High-Level Independent Panel on Financing the Global Commons for Pandemic Preparedness and Response (G20-HLIP) ein. Ende 2021 griff die US-Regierung mit ihrem Vorschlag zur Gründung eines neuen multilateralen Fonds für Pandemic Prevention, Preparedness and Response (PPR) eine zentrale Empfehlung dieses Panels auf. Der neue Fonds sollte – wie zuvor gegründete Gesundheitsfonds auch – als Financial Intermediary Fund (FIF) bei der Weltbank aufgehängt sein. Kennzeichen solcher FIFs sind:

  • Sie sind dezidiert multilaterale Instrumente. Mindestens drei Geber müssen insgesamt mindestens 200 Millionen Dollar Finanzierung bereitstellen.
  • Sie werden von der Weltbank verwaltet. Diese bringt ihre Erfahrung bei der Finanzierung und Umsetzung in Entwicklungsländern ein.
  • Die Verwaltung ist schlank. Ein FIF vergibt die Mittel an leistungsfähige internationale Durchführer. Es werden also keine neuen Umsetzungsstrukturen geschaffen, sondern bestehende zielgerichtet genutzt.
  • Die politische Steuerung von FIFs liegt nicht bei der Weltbank, sondern bei einem Aufsichtsrat, dessen Zusammensetzung und Regeln politisch entschieden werden.

Nach einem von der US-Regierung einberufenen Gipfel im Mai 2022, bei dem die USA und die EU je 450 Millionen Dollar und Deutschland 50 Millionen Euro bzw. im September weitere 19 Millionen Euro Finanzierung zusagten, wurde der neue Fonds im Juni gegründet. Die erste Aufsichtsratssitzung fand bereits im September 2022 statt. Im Dezember 2022 hatten 25 Geber rund 1,6 Milliarden Dollar für den Fond zugesagt, der seit November „Pandemic Fund“ (PF) heißt. In diesem Monat wurde er auch auf dem G20-Gipfel in Bali offiziell und als eines der sichtbarsten Ergebnisse der G20- und G7-Prozesse des Jahres 2022 lanciert.

Die Besonderheiten des neuen Pandemic Fund sind:

  • Seine katalytische Rolle: Er soll gezielte Anreize setzen, um das globale öffentliche Gut Gesundheit/Freiheit von Infektionskrankheiten zu fördern – ergänzend zu den Anstrengungen nationaler Gesundheitssysteme. Der PF muss darauf abzielen, Verbindungen zwischen bislang häufig parallel nebeneinanderher arbeitenden Instrumenten und Institutionen im Gesundheitsbereich sowohl national als auch international zu stärken.
  • Seine Governance: Im PF-Aufsichtsrat sitzen je neun Geber- und Nehmerländer und zwei Vertretungen der Zivilgesellschaft. Daneben gibt es einen Sitz für philanthropische Stiftungen, die bislang Zusagen in Höhe von knapp 40 Millionen Dollar gemacht haben. Mit Indonesien, China, Südafrika, Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien sind erstmals in einem Fonds dieser Größe auch Länder Geber, die kein Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind. Co-Vorsitzender der Geberländer ist der ehemalige indonesische Finanzminister Muhammad Chatib Basri. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, Länder mit geringeren Einkommen („Co-investor countries“) stärker zu beteiligen. Sie sind noch immer zu wenig präsent und eingebunden.
  • Die Einbindung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Als zentraler Fach- und Politikgestalter im Gesundheitsbereich ist ihre Rolle in den Grundlagendokumenten des PF verankert. Mit Mike Ryan, dem Exekutivdirektor des WHO-Gesundheitsnotfallprogramms, wurde ein hochrangiger WHO-Vertreter zum Vorsitzenden des beratenden Wissenschaftsgremiums (Technical Advisory Panel) ernannt, das eine wichtige Rolle bei der Begutachtung von Anträgen und der Erarbeitung von grundlegenden Konzepten spielen wird.
  • Seine Geschwindigkeit: Nur sieben Monate nach der Gründung wurde im Januar 2023 die erste Ausschreibung gelauncht – ein Prozess, der bei anderen Fonds oft Jahre dauert. Das ist positiv und auch politisch notwendig, weil der Fonds darauf angewiesen ist, seine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Zugleich muss aber sichergestellt werden, dass die besten und wirksamsten Vorschläge den Zuschlag erhalten. Auch müssen zeitgleich die Verfahrensabläufe eingespielt und optimiert werden.

Der PF muss sich nun in der Praxis bewähren. Er steht vor einigen Herausforderungen. Vordringliches Ziel im Jahr 2023 ist es, den Fonds in Gang zu setzen. Die erste Ausschreibung im Bereich Labore, Surveillance und Kapazitätsbildung wird bereits im Juli zu ersten Finanzierungsentscheidungen führen und die Umsetzung der Vorhaben dann direkt starten.

Die Aufgabe, die bestehenden Lücken in der PPR-Finanzierung nachhaltig zu schließen und Maßnahmen richtig auszubalancieren, ist besonders schwierig. Unter anderem müssen:

  • diese Lücken und (Pandemie-)Risiken noch klarer identifiziert und priorisiert werden.
  • die Maßnahmen echte Anreize setzen, andererseits aber Mitnahmeeffekte verhindern. Das kann nur in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Partner geschehen. Ärmere Länder mit schwachen Strukturen werden möglicherweise deutlich stärkere Unterstützung benötigen, als bisher für sie vorgesehen ist – zum Beispiel in Form von Beratung bei der Konzipierung von Vorsorgemaßnahmen und bei ihrer Umsetzung.
  • von den Ländern getragene, zugleich aber auch regionale und bisweilen globale Ansätze verfolgt und finanziert werden. Gerade letztere werden auch von den Fortschritten, die das internationale Rahmenwerk bei den bestehenden internationalen Gesundheitsvorschriften und dem künftigen Pandemieabkommen machen wird, abhängen.

Der Fonds muss darüber hinaus finanziell abgesichert werden, denn er ist deutlich unterfinanziert. Das gilt für seine Finanzausstattung insgesamt – 1,6 Milliarden Dollar sind angesichts der in einer gemeinsamen Studie der WHO und der Weltbank identifizierten Finanzierungslücke von 10,5 Milliarden Dollar pro Jahr nur ein Anfang. Außerdem war im März 2023 überhaupt nur ein Drittel der zugesagten Mittel effektiv eingezahlt. Der PF wird alle verfügbaren Mittel bereits 2024 verausgabt haben, wenn bis dahin nicht die bereits getätigten Zusagen eingezahlt werden und nicht mehr substanzielle neue Zusagen hinzukommen. Deutschland geht hier mit gutem Beispiel voran. Das BMZ hat Ende April 2023 weitere fünfzig Millionen Euro zugesagt, die bis zum Oktober ausgezahlt werden. Mittelfristig (2025 oder 2026) muss es jedoch, wie bei anderen Fonds auch, eine Wiederauffüllung nach möglichst klaren Beitragsschlüsseln geben.

Die wohl schwierigste Aufgabe ist aber, Priorisierungsentscheidungen bei begrenzten Mitteln zu treffen. Einige einflussreiche Stimmen plädieren dafür, dass sich der Fonds bis auf Weiteres nur auf die Vorsorge vor Pandemien (preparedness) konzentrieren sollte. Sie argumentieren, dass Prävention (prevention) und die unmittelbare Bekämpfung eines großen Infektionsausbruchs (response) weder finanzier- noch operationalisierbar seien.

Das trifft durchaus einen Punkt, aber greift dennoch zu kurz. Präventions- und One-Health-Themen aus der Pandemie-Politik herauszuhalten ist vergleichbar mit einer Klimapolitik, die auf Emissionsminderungen verzichten und stattdessen nur noch Anpassungsmaßnahmen finanzieren würde. Eine Pandemiepolitik, die zwar die allgemeine Vorsorge verbessert, bei einem massiven Infektionsausbruch aber nicht schnell und entschieden handeln kann, ignoriert am anderen Ende der Handlungsskala die bitteren Erfahrungen der Gegenwart. Covax und Act A als zentrale Programme der weltweiten Pandemiebekämpfung laufen 2023 aus. Wir werden eine Institution und Mechanismen brauchen, die die Lerneffekte dieser Programme berücksichtigen und im Krisenfall schnell anspringen. Mindestens die Schnittstelle zwischen Vorsorge und ersten Bekämpfungsmaßnahmen muss daher mitgedacht und aufgebaut werden. Das könnte der Pandemic Fund grundsätzlich übernehmen – seine allgemeine strategische Ausrichtung, aber auch seine (noch nicht ganz ausformulierten) Ziele und Aufgaben lassen dies zu.

Wolfram Morgenroth-Klein ist BMZ-Referatsleiter des Referats 101 Pandemieprävention, Pandemievorsorge und One Health sowie Aufsichtsratsmitglied des Pandemic Fund.
wolfram.morgenroth-klein@bmz.bund.de

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