World Wide Web

Dramatische Wirkung

Vor zehn Jahren war der „digitale Graben“ ein Riesenthema. Entwicklungsexperten fürchteten, arme Menschen würden vor allem im ländlichen Raum mangels Zugang zum Internet weiter marginalisiert werden. Der Graben besteht weiterhin. Er hat sich aber als geringeres Problem als befürchtet erwiesen, weil Mobilfunk immer mehr Menschen Anschluss an das Internet gibt.
Mobiltelefon 2008 in Kenia. Schytte/Lineair Mobiltelefon 2008 in Kenia.

Viele Länder überspringen PC und Festnetz, die zusammen in der reichen Welt in den 1990ern den Siegeszug des Internets ermöglichten. Zum Jahrtausendwechsel zeichnete sich dann ab, dass die Zukunft dem mobilen Internet gehören würde – und so kam es auch. Zudem expandierten die Mobilfunknetze fast überall rasant. Heute nutzen viele Menschen in Afrika und anderen benachteiligten Weltgegenden Smartphones oder Tablets, ohne Leitungen zu brauchen. Es gibt selbstverständlich noch viel zu tun. Internetgebühren sind in Entwicklungsländern meist teurer als in Industrieländern, während die Verbindungen langsamer bleiben. In Ballungsräumen ist die Kommunikationsinfrastruktur, wie jede In­frastruktur, besser als auf dem Land. Entscheidend ist aber, dass die meisten Dörfer heute meist nicht mehr von Telekommunikation abgeschnitten sind. Das World Wide Web wird seinem Namen immer mehr gerecht.

Die digitale Revolution hat gewaltige ökonomische und politische Folgen. Am wichtigsten ist wohl, dass Bauern oder Fischer heute Marktpreise recherchieren können, bevor sie entscheiden, wo sie ihre Ware verkaufen. Das sorgt für höhere Einkommen. M-Pesa, eine kenianische Innovation, die den Geldtransfer per Handy ermöglicht, ist ebenfalls relevant. Damit verschaffen Telekomunternehmen Kunden im ländlichen Raum, wo es keine Bankfilialen gibt, Zugang zu Finanzdienstleistungen. Clevere Programmierer entwickeln zudem ständig neue Apps, die den Wissensbedürfnissen nicht nur der Eliten, sondern großer Mehrheiten in Entwicklungsländern dienen können. In gewissem Umfang erreichen sie mit der Verwendung von Piktogrammen und Audiodateien sogar Analphabeten.

Die politischen Implikationen sind ebenfalls dramatisch. Mobilisierung mittels Websites und Internet-gestützter sozialer Netzwerke hat im arabischen Frühling zum Sturz von Diktatoren beigetragen. Und auch dort, wo Regierungen im Amt geblieben sind, wächst der Druck in Richtung Transparenz und Rechenschaftspflicht. Wenn Staatsleute neue Techniken nutzen, um die Regierungsführung zu verbessern, verdienen sie sich die Anerkennung der Bürger – und erhöhen ihre Chance auf friedlichen Machterhalt.

Leider gibt es aber auch eine dystopische Perspektive. Der NSA-Skandal hat offenbart, wie gut die US-Regierung über Privatleben auf der ganzen Welt informiert ist. Hätten Hosni Mubarak und Zine el-Abidine Ben Ali und Muammar Gaddafi geahnt, wie beliebt soziale Netzwerke in ihren Ländern geworden waren, hätten sie ihre Geheimdienste sicherlich angewiesen, diese Kommunikationsform zu überwachen. Der arabische Frühling wäre wohl sofort unterbunden worden. Datenschutz ist in den meisten Entwicklungsländern bislang kein großes Thema. Das dürfte sich aber bald ändern. Auch multilateral muss gehandelt werden. Privatsphäre im Internet ist ein globales öffentliches Gut, das Schutz verdient – bisher aber nicht hat.

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