Ressourcenfluch

Armut trotz Bodenschätzen

Bessere öffentliche Institutionen und Regierungsführung sind nötig, damit in Afrika breite Schichten von der Öl-, Gas- und Erzförderung profitieren. International wächst der Druck, diese Grundlagen endlich zu schaffen.
Worker on a Nigerian oil rig. Miller / Lineair Worker on a Nigerian oil rig.

Die anhaltend starke Nachfrage nach Metallen, Mineralien und fossilen Brennstoffen bietet Afrika eine beispiellose Chance, den Lebensstandard zu steigern. „Der Kontinent erkennt die Chance, der Armut zu entkommen", sagt Antonio Pedro, der in Kigali das Ostafrikabüro der UN Economic Commission for Africa (ECA) leitet. Die weltweite Nachfrage nach Ressourcen, so Pedro, bietet erz- und ölreichen Staaten die Gelegenheit, mehr Staatseinnahmen zu erzielen und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das könnte dann zu demokratischerer und transparenterer Politik führen.

Allerdings haben Experten Afrikas Bodenschätze schon oft als Chance bewertet. In den 1970er Jahren sollten staatliche Fördergesellschaften Reichtum schaffen. In den 1980ern wurden dafür dann internationale Konzerne auserkoren. In beiden Fällen floss das Geld aber in korrupte Kanäle oder auf Auslandskonten. Die Armut blieb.

Experten sprechen vom „Ressourcenfluch". Der Abbau von Bodenschätzen erfordert nämlich kaum ausgebildete Arbeiter, sodass Regierungen keinen Grund sehen, in Bildung zu investieren. Botswana ist eine Ausnahme: ein Land, das dank kluger Regierungsführung von seinen Diamantenminen profitiert. Skepsis gegenüber großen neuen Hoffnungen ist aber begründet, da die meisten rohstoffreichen Staaten Afrikas arm geblieben sind.

 

Verhandlungskompetenz stärken

„Wir sind mit der Lage nicht zufrieden", sagt Myriam Carius von der African Legal Support Facility (ALSF) in Tunis. Die ALSF ist bei der multilateralen Afrikanischen Entwicklungsbank angesiedelt und berät Regierungen bei Verhandlungen mit Unternehmen. Korruption ist für Carius ein Thema, aber die ungenügende Verhandlungsführung staatlicher Akteure sei schlimmer: „Schlecht ausgehandelte Verträge sind der Grund aller Probleme." Sie ermöglichten es den Konzernen, viel Geld ins Ausland zu schaffen.

Das öffentliche Bewusstsein für solche Missstände wächst. „Die Menschen sehen, dass sie nicht fair behandelt werden", urteilt Marinke van Riet von der zivilgesellschaftlichen Initiative Publish What You Pay. Politischer Druck bringe Regierungen dazu, alte Verträge, die von Vorgängern ausgehandelt wurden, in Frage zu stellen. Niger nennt van Riet als Beispiel. Dort will die Regierung einen Uranvertrag mit dem französischen Atomkonzern Areva nachbessern.

Entwicklungen in Übersee stärken das neue afrikanische Selbstbewusstsein. Das Dodd-Frank-Gesetz von 2010 verlangt in den USA, dass börsennotierte Unternehmen ihre Zahlungen an Regierungen im Zusammenhang mit Erz-, Öl- oder Gasförderung offenlegen. Die EU arbeitet an ähnlichen Regeln.

David Robert von der GIZ erkennt ein gemeinsames Interesse von USA, Europa und Afrika, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Westliche Politiker predigen ihm zufolge schon lange gute Regierungsführung, ohne viel zu bewirken. Der Hinweis, dass gute Amtsführung nötig sei, um Investoren anzulocken, dürfte mehr bringen, sagte Robert im Mai bei einer Konferenz der Stiftung Entwicklung und Frieden in Potsdam. Ihm zufolge müssen afrikanische Regierungen sich mit ihren Zivilgesellschaften darüber auseinandersetzen, welche Rohstoffe abgebaut werden und wie die Erlöse die allgemeine Wirtschaftsentwicklung voranbringen können.

Auch aus Sicht der Afrikanische Union (AU) kommt es auf nationalen Konsens an, wenn eine Rohstoffstrategie langfristig Erfolg haben soll. Das betont auch ihre African Mining Vision, die einen panafrikanischen Rechtsrahmen für die Regulierung, Genehmigung und Besteuerung von Ressourcenförderung in Aussicht stellt.

Zuvor müsse allerdings jede Regierung im Dialog mit der Zivilgesellschaft ihre eigene Vision definieren, meint ECA-Büroleiter Pedro. Abermals nennt er als Vorbild Botswana. Um mehr Wertschöpfung ins Land zu holen, verhandelte die Regierung ihren Vertrag mit dem Diamantenkonzern De Beers neu. Danach verlegte der Diamanten-Multi unter anderem seine Sortier- und Verkaufsabteilungen von Lon­don nach Gabarone. Pedro lobt Botswana für „kompetente Führung und klare Vis­ion". Und er lobt die gut qualifizierte und zuverlässige öffentliche Verwaltung, ohne die nichts laufe.

Gerrit Wiesmann

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