Privatschulen

Manchen bleibt keine andere Wahl

Ein Standardargument in der Debatte über die Finanzierung der UN-Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit (Sustainable Development Goals – SDGs) ist, die Privatwirtschaft müsse involviert werden, weil öffentliche Haushalte überfordert seien. Entsprechende Thesen werden auch mit Blick auf Bildungsziele aufgestellt.
Titel des Caerus-Reports. https://edafricareport.caeruscapital.co/thebusinessofeducationinafrica.pdf Titel des Caerus-Reports.

Die Beraterfirma Caerus Capital veröffentliche 2017 einen Bericht mit dem Titel: „The Business of Education in Africa“. Die ­Autoren schätzten, dass seinerzeit 21 Prozent der afrikanischen Kinder und Jugendlichen Privatschulen besuchten und dass die Quote bis 2021 auf 25 Prozent steigen werde. Der Investitionsbedarf betrug ihnen zufolge rund 20 Milliarden Dollar in fünf Jahren.

In Europa meinen viele Bürger, vor allem wenn sie eher dem linken Lager angehören, private Bildung verschärfe soziale Ungleichheit. In Entwicklungsländern wird diese Skepsis nicht im gleichen Maße geteilt. Der Grund ist, dass staatliche Schulen in Ländern mit hohen Einkommen meist zuverlässig arbeiten, in vielen Entwicklungsländern aber sehr schlecht sind.

Im Bericht heißt es über Entwicklungsländer: „Selbst wenn die Mittel aufgestockt werden, wird die öffentliche Hand auf Dauer weder genug Geld noch ausreichende Kapazitäten haben, um alleine zu agieren. Ergänzende Lösungen der Privatwirtschaft – ob profitorientiert oder gemeinnützig – können dazu beitragen, die Lücken zu füllen.“ Die Hauptprobleme seien Zugang, Qualität und Relevanz der Lehrpläne.

Der Report stellt mehrere Thesen auf:

  • Konkurrenz von Privatinstitutionen könne öffentlichen Einrichtungen zu besseren Leistungen stimulieren.
  • Private Institutionen könnten Innovationen einführen, die öffentliche Institutionen später übernähmen.
  • Private Anbieter fokussierten stärker darauf, welche Kenntnisse der Arbeitsmarkt fordert.
  • Besonders schlecht seien häufig staatliche Hochschulen.

Der Report räumt ein, private Bildung könne soziale Ungerechtigkeit verschärfen, urteilt aber, die Vorteile überwögen insgesamt die Nachteile. Der Staat habe drei Schlüsselrollen als „Wächter“, „Befähiger“ und „Partner“ aller Bildungseinrichtungen. Nötig sei stimmige Regulierung von privaten und öffentlichen Schulen, und wichtig sei die Definition nationaler Lernziele.

Der Bericht entstand mit Förderung wichtiger Geberinstitutionen wie USAID, der Aga-Khan-Stiftung und dem britischen Entwicklungsministerium (Department for International Development – DfID). Ein interessanter Aspekt ist, dass er informellen Bildungseinrichtungen große Bedeutung beimisst. Die Beraterfirma schätzt, dass regulär registrierte Unternehmen nur etwa 2 Milliarden der 20 Milliarden Dollar aufbringen dürften, die Afrika braucht. Aus ihrer Sicht kommen besonders örtliche Konzern-Konglomerate sowie internationale Bildungsketten infrage.

Die International Finance Corporation (IFC) gehört zur Weltbank und fördert den Privatsektor. Sie veröffentlichte 2017 einen deutlich kürzeren Bericht mit ähnlichen Botschaften. Betont wird unter anderem die Bedeutung von „Slumschulen“. Angesichts starker Landflucht hinkten Stadtplanung und Infrastrukturentwicklung der Urbanisierung hinterher. Entsprechend hätten Bevölkerungsgruppen in manchen der ärmsten Länder nur die Wahl zwischen „privater oder keiner Bildung“.

Die IFC-Autoren argumentieren zudem, Eltern hätten in Privatschulen mehr Einfluss. Ihnen zufolge sind private Einrichtungen kosteneffizienter, zugleich aber für die Familie teurer. Im Hochschulsektor erkennt IFC ein großes Potenzial für internetbasierte „Massive Open Online Courses“ und lobt Initiativen von privaten US-Elite­­universitäten (MIT, Harvard, Stanford).

Die Ausführungen von Caerus und IFC sind plausibel. Ob sie empirisch richtig sind, steht auf einem anderen Blatt. Die IFC-Autoren fordern mehr Forschung. Ihr Papier stützten sie großteils auf eine rigorose Metastudie, die das DfID 2014 auf Basis empirischer Veröffentlichungen anfertigen ließ.

Die Wissenschaftler testeten anhand der Daten mehrere Hypothesen. „Starke“ Belege fanden sie nur für eine: Der Unterricht ist in Privatschulen tatsächlich besser. Nur „moderate“ Evidenz fanden sie dagegen dafür:

  • dass Schüler in Privatschulen mehr lernten,
  • dass Privatschulen teurer seien oder
  • dass Behörden private Bildungseinrichtungen kompetent überwachen und regulieren könnten.

Was Geschlechtergerechtigkeit, Versorgung der armen Landbevölkerung und Verantwortung gegenüber Familien angeht, befanden die Autoren die Datenlage für klare Aussagen für zu schwach.


Links

Caerus Capital, 2017: The business of education in Africa.
https://edafricareport.caeruscapital.co/thebusinessofeducationinafrica.pdf

DfID, 2014: The role and impact of private schools in developing countries.
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/439702/private-schools-full-report.pdf

IFC, 2017: Private provision of education: opportunities for emerging markets.
http://documents.worldbank.org/curated/en/661781489044945872/pdf/113246-BRI-EM-Compass-Note-32-Education-PUBLIC.pdf

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.