Kommentar

Thailändische Demokratie

Im Mai 2014 hat die thailändische Armee die gewählte Regierung aus dem Amt geputscht. Sie trat an mit dem Versprechen, die politische Spaltung des Landes aufzuheben, das korrupte System zu reformieren und die Demokratie wieder herzustellen. Ein Jahr später sitzen die Generäle fest im Sattel.
Prayuth Chan-o-cha mag Partner, die sich nicht einmischen. Im April empfing er den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew zu Wirtschaftsgesprächen in Bangkok.  prime minister, for economic and trade talks in Bangkok. Sakchai Lalit/AP Prayuth Chan-o-cha mag Partner, die sich nicht einmischen. Im April empfing er den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew zu Wirtschaftsgesprächen in Bangkok. prime minister, for economic and trade talks in Bangkok.

Als Armeechef Prayuth Chan-o-cha die Macht am 22. Mai 2014 in einem unblutigen Coup an sich riss, machte er zwei großmäulige Versprechen: das Volk froh zu machen und so schnell wie möglich Demokratie wieder herzustellen. Das erste Versprechen hat sich zumindest für all die Akademiker, Journalisten, Politiker und Monarchie-Kritiker nicht erfüllt, die seither drangsaliert, verfolgt, inhaftiert oder zur Flucht getrieben wurden. Und das zweite Versprechen mutet immer zynischer an, je länger die Militärdiktatur anhält.

Die Junta mit Prayuth an der Spitze setzte die Verfassung außer Kraft und entwarf eine Übergangsverfassung, die einem Freifahrtschein für die Generäle gleichkommt. Sie schränkte alle grundlegende Bürgerrechte ein. Sie kontrolliert die Medien, zensiert das Internet und unterdrückt die freie Meinungsäußerung. Zivilisten werden vor Militärgerichte gestellt.

Im April hob Prayuth nach mehr als zehn Monaten endlich das Kriegsrecht auf – was die Lage jedoch keineswegs verbessert: An seine Stelle trat eine Verfügung, die die Soldaten mit noch mehr Macht ausstattet. Zum Wohle von „nationaler Sicherheit“ und „öffentlicher Ordnung“.

Prayuth hob das Kriegsrecht aus Sorge um Thailands Ruf in der Welt auf. Die internationale Gemeinschaft übt einen gewissen Druck aus und verlangt von Zeit zu Zeit nach Gesten guten Willens. Selbst die Generäle wissen, dass wirtschaftlicher Aufschwung ohne Partner nicht funktioniert. Thailand braucht Handel und Tourismus. Und tatsächlich gab es einige positive Reaktionen auf die Aufhebung des Kriegsrechts.

Die Mehrheit der Thailänder scheint schlicht darauf zu warten, dass die Zeiten sich wieder ändern. Sie ändern sich schnell in Thailand. Seit Abschaffung der absoluten Monarchie 1932 gab es 12 erfolgreiche Militärputsche, 29 Ministerpräsidenten und 17 Verfassungen. Politische Instabilität ist die Norm.

Nicht nur das Volk hält still; das gleiche gilt für die Opposition. Thaksin Shinawatra, heimlicher Chef der Pheu-Thai-Partei, die das Land mit seiner Schwester Yingluck an der Spitze bis zum Putsch regierte, beobachtet die Lage aus dem Exil. Der Ex-Regierungschef wurde 2006 selbst vom Militär aus dem Amt gejagt und verließ das Land wegen eines Korruptionsverfahrens.

Thaksin genießt noch immer großen Rückhalt im Volk. Sollte es freie Wahlen geben, ist die Chance auf einen Sieg seiner Partei groß. Prayuth, der dem anderen politischen Lager angehört – dem der Nationalisten, Royalisten und Gelbhemden – weiß das. Und Thaksin weiß es auch. Während einige der ihm nahe stehenden Rothemden nach dem Coup zur Revolte bereit waren, verfolgt „Big Brother“ eine andere Strategie: Prayuth ins Leere laufen lassen und warten, bis wieder die Stunde der Shinawatras schlägt.

Wobei Yingluck vorerst kaltgestellt ist. Das vom Militär eingesetzte Parlament hat sie mit einem fünfjährigen Politikverbot belegt. Zudem wollen ihre Gegner sie für ihre Fehler als Ministerpräsidentin von 2011 bis 2014 büßen sehen. Unter anderem muss Yingluck sich vor dem Obersten Gericht wegen Amtsmissbrauchs und Korruption im Zusammenhang mit ihrem Reis-Subventionsprogramm verantworten. Ihr drohen bis zu zehn Jahren Haft.

König Bhumibol Adulyadej ist ebenfalls keine Hilfe. Der am längsten amtierende Monarch der Welt sorgt allein dadurch noch für Stabilität, dass er noch lebt. Der 87-Jährige ist sehr krank, seine Nachfolge ungeklärt und Anlass großer Sorge.

Eine Rückkehr zur Demokratie scheint daher allein vom Wohlwollen Prayuths und seiner Berater abzuhängen. „Westliche Demokratie“ hält der General für Thailand nicht für geeignet. Stattdessen stellt er sich eine spezifisch „thailändische Demokratie“ vor. Ihre Definition ist Prayuth zwar noch schuldig. Es deutet jedoch alles darauf hin, dass es sich dabei lediglich um ein hübsches Etikett für Diktatur handelt – denn diesen Begriff mag Prayuth überhaupt nicht.

 

Katja Dombrowski ist Redakteurin von E+Z/D+C. Sie hat von 2011 bis 2014 in Thailand gelebt.
euz.editor@fs-medien.de

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