Wissenschaft

Recht fördert Wachstum

Haben formale Landbesitzrechte Einfluss auf wirtschaftliches Wachstum oder nicht? Dieser Frage geht das Overseas Development Institute (ODI), Britanniens staatlicher Think Tank, in einer aktuellen Literaturanalyse nach.
Südkorea profitiert von gesicherten Besitzrechten: Ginsengproduktion in Buyeo. Seung Jin Yeo/EPN/picture-alliance Südkorea profitiert von gesicherten Besitzrechten: Ginsengproduktion in Buyeo.

Ein Team von ODI-Forschern hat im Auftrag des britischen Entwicklungsministeriums (Department for Intenational Development – DfID) grundlegende wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema systematisch ausgewertet. Das Papier stellt die Standpunkte der Fürsprecher und der Gegner vor. Das ODI bezieht sich auf vier Hauptargumente aus einem Standardaufsatz (Besley/Ghatak 2009) darauf, dass gesicherte Besitzrechte zu ökonomischen Aktivitäten und Ressourcenverteilung führen:

  • Sicherheit: Wer investiert, will Gewinn machen. Diesen gilt es durch gesicherte und gut definierte Eigentumsrechte zu schützen. Unsichere Eigentumsverhältnisse können dazu führen, dass Unternehmen oder Privatpersonen ihre Gewinne nicht behalten können.
  • Weniger Sicherheitsaufwand: Privatpersonen haben weniger Kosten, um ihren Besitz zu schützen, und können ihre Ressourcen produktiver einsetzen.
  • Effizienzsteigerung: Kapital wird zu denen transferiert, die es am produktivsten einsetzen können.
  • Leichte Transaktionen: Rechtssicherheit macht es möglich, Grundeigentum als Sicherheit für Finanzmarktgeschäfte zu nutzen und so zusätzliches Kapital zu mobilisieren.


Die ODI-Studie führt aber auch skeptische Stimmen auf, die anzweifeln, dass Besitzrechte Wachstum antreiben. Die Hauptargumente sind:

  • Die Formalisierung von Rechten kann Konflikte hervorrufen und die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärken. Das wiederum hemmt das Wirtschaftswachstum.
  • Die Definition und Durchsetzung formaler Eigentumsrechte ist teuer. Mit diesem Geld ließen sich bestehende Rechtsstrukturen verbessern.
  • Die Förderung anderer wachstums­relevanter Bereiche ist wichtiger.


Selbst Befürworter der Eigentumsrechte stellen nicht in Frage, dass es weitere Faktoren gibt, die Wachstum begünstigen. Als Beispiel gilt die faire Verteilung von Wohlstand oder der Grad an Wettbewerb auf dem Finanzmarkt. Stand der Forschung ist, dass Eigentumsrechte grundsätzlich nützlich sind. Die ODI-Autoren weisen aber darauf hin, dass in Ländern mit sehr ungerechten Eigentumsverhältnissen typischerweise nur geringe Rechtssicherheit herrscht, was die Wachstumschancen begrenzt.

In ihrer Publikation präsentieren die ODI-Autoren Literaturbelege für alle genannten Thesen. Sie stellen fest, dass viele Publikationen einen positiven Zusammenhang zwischen sicheren Besitzrechten und langzeitlichem Wirtschaftswachstum herstellen. Eine Analyse wertete zum Beispiel die Daten von 64 Ländern aus, die zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert kolonialisiert wurden. Statistisch fand das ODI in seinen zitierten Studien einen sehr signifikanten Einfluss von Besitzrechten auf das Pro-Kopf-Einkommen heraus.

Dieselben Wissenschaftler wiederholten die Analyse am Beispiel des geteilten Nord- und Südkorea. Die beiden Länder haben gemeinsame historische und kulturelle Wurzeln und ähnliche geografische Gegebenheiten, aber völlig andere Gesellschaftsordnungen. Die Forscher stellten fest, dass im Jahr 2000 das Pro-Kopf-Einkommen in Südkorea bei 16 000 Dollar lag, während es in Nordkorea nur 1000 Dollar waren.

Verfechter der Gegenthese erachten Faktoren wie Geografie, Gesundheit oder menschliche Fähigkeiten als wichtiger für Wirtschaftswachstum als Eigentumsrechte. Als Beleg führen sie ebenso das Beispiel Nord- und Südkorea sowie die 64 ehemaligen Kolonien an, deren Datenbestand sie neu bewerteten. Sie halten vor allem das Bildungsniveau für ausschlaggebend. Sie fanden heraus, dass zwischen 1960 und 2000 Länder mit hohem Humankapital im Durchschnitt schneller wuchsen als solche mit gering qualifizierter Bevölkerung. Die ODI-Autoren weisen aber auch darauf hin, dass es Unsinn ist, komplexe gesellschaftliche Entwicklungen monokausal zu erklären.

Für die These, dass formale Eigentumsrechte als Kreditsicherheit für die Finanzierung genutzt werden und so mehr Investitionen ermöglichen, fanden die Verfasser der ODI-Studie kaum Belege. Abschließend monieren die Autoren, dass es für die genannten Fragestellungen zu wenig Datenmaterial gibt, um länder­übergreifende Analysen vervollständigen zu können.

Sabine Balk

 

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