Arbeitsmarkt

Benachteiligte Frauen

Die Aussichten in der Arbeitswelt sind nicht besonders rosig. Die weltweite Arbeitslosigkeit bleibt laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) auch 2017 mit 5,7 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie in 2016 (5,6 Prozent). Für die Erfüllung der Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele braucht es mehr und qualitativ hochwertigere Jobs.
Die ILO fordert eine gezielte Förderung von Frauen in der Arbeitswelt: Friseur-Ausbildung in Togo. Pascal Deloche/GODONG/Lineair Die ILO fordert eine gezielte Förderung von Frauen in der Arbeitswelt: Friseur-Ausbildung in Togo.

Mit der Agenda 2030 und vor allem dem Nachhaltigkeits-Entwicklungsziel 8 (sustainable development goal – SDG) wird die Bedeutung von Arbeit für die Bekämpfung von Armut deutlich. Mit SDG 8 strebt die Weltgemeinschaft die produktive Vollbeschäftigung und die Förderung von menschenwürdiger Arbeit für alle an. Der aktuelle Trendreport der ILO zeigt aber, dass sich auf dem globalen Arbeitsmarkt bis zur Zielerfüllung noch einiges ändern muss. Für 2017 geht die Organisation weltweit von 201 Millionen arbeitslosen Menschen aus und damit 2,7 Millionen mehr als 2016.

Grund für die leicht steigenden Arbeitslosenzahlen sind laut ILO vor allem die sich verschlechternden Bedingungen in manchen Schwellenländern, allen voran Brasilien. Während das bevölkerungsreichste Land Südamerikas im vergangenen Jahr von einer Rezession betroffen war, fällt auch das globale Wirtschaftswachstum schwächer aus als erwartet. Es fehlt an privaten Investitionen, und auch der internationale Handel geht zurück. Es ist daher fraglich, ob der Wirtschaft die Quadratur des Kreises gelingt und sie sowohl eine höhere Anzahl an Jobs schaffen und gleichzeitig die bestehenden Arbeitsplätze in ihrer Qualität verbessern kann.

Frauen sind besonders benachteiligt und haben häufig keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Die wachsende Anzahl an jungen Menschen, die einen Job suchen, und das nur moderate Wirtschaftswachstum erschweren die Lage zusätzlich. Hinzu kommen prekäre Formen von Beschäftigung, die für die Arbeiter meist ein Leben in Armut und Unsicherheit bedeuten.

Besonders in Entwicklungsländern sind sowohl die steigende Arbeitslosigkeit als auch die Art der Jobs ein großes Problem. So sind viele Menschen selbstständig tätig oder bei Familienangehörigen beschäftigt. Ein Symbol für die Not dieser Menschen wurde der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi, der sich 2010 selbst verbrannte und damit zum Ausbruch der tunesischen Revolution beitrug. Ursache für seine Selbsttötung war die mehrfache Schließung seines Gemüsestands wegen einer fehlenden Genehmigung und anschließender Schikane durch Stadtverwaltung und Polizei. Diese Form von prekären Tätigkeiten sind neben Nordafrika noch häufiger in Südasien und Subsahara-Afrika zu finden. Sie machen fast die Hälfte der globalen Beschäftigung aus. Laut ILO wird sich dies auch in Zukunft erst einmal nicht ändern.

Dass es vielen angestellten Arbeitern in Entwicklungsländern auch kaum besser geht, wurde in den vergangenen Jahren durch unterschiedliche Skandale bekannt. Ein Beispiel ist die Textilindustrie in Bangladesch. Viele Näherinnen arbeiten nicht nur unter katastrophalen Sicherheitsbedingungen, wie der Brand der Fabrik Rana Plaza 2013 offenbarte, sondern häufig auch zu Löhnen, von denen sie kaum leben können. Die Zahl der Arbeiter, die in Armut leben, wird in Entwicklungsländern zunächst noch ansteigen, prognostiziert die ILO. Die Organisation geht davon aus, dass jährlich über 3 Millionen Menschen in Entwicklungsländern hinzukommen, die weniger als 3,10 Dollar pro Tag verdienen. Damit reicht der Lohn kaum zum Überleben.

Die schlechten Arbeitsbedingungen in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern führen dazu, dass sich immer mehr junge und arbeitsfähige Menschen dazu entschließen, ins Ausland auszuwandern. Vor allem in Subsahara-Afrika können sich fast ein Drittel der Menschen vorstellen, für den Traum auf ein besseres Leben ihr Heimatland zu verlassen, informiert die ILO. Dies zeigt nicht zuletzt der anhaltende Flüchtlingsstrom von Nord­afrika aus Richtung Europa. Aber auch in Lateinamerika, in der Karibik und in den nordafrikanischen Staaten wächst die Bereitschaft zu migrieren.

Anders als in Entwicklungs- und Schwellenländern fällt die Arbeitslosenrate in den Industrieländern, wenn auch langsamer als in den Vorjahren. Problematisch ist dort laut ILO vor allem die strukturelle Arbeitslosigkeit. Sie ist vor allem auf technische Veränderungen oder wie im nordamerikanischen „Rust Belt“ auf Verlagerung von Arbeitsplätzen in billiger produzierende Länder zurückzuführen. Aber auch in Europa machen Menschen, die über ein Jahr auf Jobsuche sind, mittlerweile fast die Hälfte der Arbeitslosen aus.

Ungeachtet von Ländergrenzen sind vor allem Frauen am globalen Arbeitsmarkt benachteiligt. Problematisch ist, dass nur knapp die Hälfte der Frauen weltweit überhaupt am Arbeitsleben teilhaben, also entweder bereits in Beschäftigung sind oder eine Arbeit suchen. Tatsächlich wünschen sich nach Angaben der ILO mehr als zwei Drittel der Frauen, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen.

Gründe für die fehlende Beteiligung am Arbeitsmarkt von Frauen sind vor allem sozioökonomische wie der Familienstand, fehlende Transportmöglichkeiten oder die Work-Life-Balance. Außerdem ist ein wichtiger Faktor, ob in den Familien und der Gesellschaft Verständnis für das Bedürfnis der Frau nach Arbeit besteht.

Schaut man sich die unterschiedlichen Regionen an, sind es laut ILO vor allem die arabischen Staaten, Nordafrika und Südasien, in denen die Kluft zwischen Männern und Frauen und ihrer Beteiligung am Arbeitsmarkt am größten ist (siehe Nassir Djafari, S. 26). Dort übersteigt der Unterschied der Arbeitsmarktbeteiligung zwischen den Geschlechtern 50 Prozent.

Eine weitere Herausforderung für Frauen ist, dass sie, insofern sie am Arbeitsmarkt teilnehmen, öfter arbeitslos sind als ihre männlichen Kollegen. So beträgt 2017 die globale Arbeitslosenrate für Frauen 6,2 und für Männer 5,5 Prozent. Derzeit sieht es laut ILO so aus, als ob sich diese Lücke zwischen den Geschlechtern auch in den nächsten Jahren nicht weiter schließen wird. Am höchsten von Arbeitslosigkeit betroffen sind Frauen in den arabischen Staaten und Nordafrika, wo die Arbeitslosigkeit für Frauen über 20 Prozent beträgt und damit zweimal so hoch ist wie die der Männer.

Addiert man bezahlte und unbezahlte Arbeit, sind es weiterhin die weiblichen Familienmitglieder, die mehr Stunden arbeiten, da sie sich häufiger um den Haushalt, Kinder und Eltern kümmern. Darüber hinaus sind Frauen häufiger in Familienbetrieben beschäftigt. Eine weitere Geschlechterkluft ist im Bereich zu erkennen, in dem Frauen tätig sind. So arbeiten Frauen eher im Bildungs-, Gesundheits- oder sozialen Sektor, aber auch im Groß- und Einzelhandel. Die Entwicklung, dass Männer und Frauen in unterschiedlichen Sektoren tätig sind, ist in den letzten 20 Jahren sogar noch angestiegen, erklärt die ILO.

Um den Unterschied in der Arbeitsmarktbeteiligung von Männern und Frauen zu reduzieren, hat die G20 bereits im Jahr 2014 das Ziel „25 by 25“ verabschiedet. Bis zum Jahr 2025 soll die Beschäftigungslücke zwischen Frauen und Männern um 25 Prozent reduziert werden. Dies würde nicht nur zu einer höheren Anzahl an Arbeitsplätzen führen, sondern vor allem auch zu einer weltweit steigenden Wirtschaftsleistung von knapp vier Prozent. Gerade die arabischen Länder, Nordafrika und Südasien könnten hiervon profitieren. Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Vorteilen würde eine bezahlte Tätigkeit die Handlungsmöglichkeiten vieler Frauen verbessern.

Um mehr Frauen an den Arbeitsmarkt heranzuführen, müssen sich vor allem die Vorstellungen der Gesellschaft über erwerbstätige Frauen in vielen Ländern wandeln, analysiert die ILO. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Arbeitsbedingungen für Frauen zu verbessern.

Konkret gibt die Arbeitsorganisation folgende Empfehlungen:

  • Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit soll in den Nationalstaaten per Gesetz verankert werden.
  • Durch gleichen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und die höhere Wertschätzung für pflegende und soziale Berufe soll die sektorale Trennung von Männern und Frauen abgefedert werden.
  • Neben Gesetzen gegen geschlechterspezifische Diskriminierung muss es auch Aufklärungskampagnen, Sanktionen und paritätisch besetzte Gremien geben.
  • Es soll Ziel sein, eine bessere Arbeit-Familien-Balance zu erreichen, indem Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen familienfreundlicher gestaltet werden.
  • Die Bedingungen im von Frauen dominierten Pflegesektor müssen sich verbessern. Gleichzeitig soll unbezahlte Pflegearbeit durch bessere öffentliche Dienstleistungen und Umverteilung reduziert werden.
  • Informelle Jobs sollen formalisiert werden, da hiervon überproportional Frauen profitieren würden.

Neben dieser gezielten Förderung von Frauen ist es aber auch entscheidend, sowohl den Ursachen der konjunkturellen als auch der strukturellen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Die ILO sieht in öffentlichen Investitionen eine Möglichkeit, die nationalen Konjunkturen zu beflügeln.


Linda Engel ist freie Autorin.
lindaengel@gmx.de


Links

ILO, 2017: World employment social outlook. Trends for women 2017.
http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---inst/documents/publication/wcms_557245.pdf

ILO, 2017: World employment social outlook. Trends 2017.
http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_541211.pdf

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