Kommentar

Gefährlich, aber ehrlich

Im Juli hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir beantragt – unter anderem wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Das war ein mutiger, längst überfälliger Schritt.


[ Meike Scholz ]

Nun liegt es an den Richtern des IStGH, ob sie Rechtsgeschichte schreiben wollen. Sie müssen entscheiden, ob sie tatsächlich den von Moreno-Ocampo beantragten Haftbefehl ausstellen. Wenn sie es tun, dann würde sich erstmals ein amtierender Staatspräsident vor einer Auslieferung nach Den Haag fürchten müssen. Vor drei Jahren hatte der UN-Sicherheitsrat den Moreno-Ocampo beauftragt, die Gewaltverbrechen in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur zu untersuchen.

Auch deshalb gibt es viele Gründe, warum man die Beantragung des Haftbefehls gegen al-Bashir als “Spiel mit dem Feuer” bezeichnen könnte. So jedenfalls lautete die offizielle Reaktion aus Khartum. Auch die Afrikanische Union und die Arabische Liga sind gar nicht glücklich über Moreno-Ocampos Vorstoß. Sie werfen dem Chefankläger Arroganz vor. Der Friedensprozess in Darfur werde gefährdet – so die einhellige Meinung. Und die vertritt auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon.

Denn – Völkerrecht hin oder her – es geht hier doch um anderes als nur um Gerechtigkeit. Es geht um die Sicherheit von mehreren tausend Soldaten, die im Namen der UN und der AU dafür sorgen sollen, dass die Menschen in Darfur nicht weiter um ihr Leben fürchten müssen. Wie lange die UN gebraucht haben, um in der sudanesischen Krisenprovinz ihre Fahne zu hissen, ist allen Beteiligten noch gut in Erinnerung. Am Ende hieß es auch hier: Der Einsatz kam nur zustande, weil al-Bashir sein Einverständnis gegeben hat. Jeder Soldat der Blauhelmtruppe, jeder internationale Helfer, der im Land ist – sie verdanken ihre Einreise dem Präsidenten. Da muss man doch in anderen Dingen mal ein Auge zudrücken, oder?

Jedenfalls wird gerne behauptet, dass der Weg zum Frieden in Darfur nur über den sudanesischen Präsidenten führt. Vielleicht zu Recht, doch gleichzeitig muss man sich fragen: Was ist das eigentlich für ein Frieden? Mehr als 300 000 Menschen sind nach UN-Angaben schon ums Leben gekommen. 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben. Diejenigen, die es lebend in die Lager geschafft haben, leiden jetzt weiter. Selbst Mitarbeiter von Hilfsorganisationen werden angegriffen und auch die Blauhelme gelten als unerwünscht: Anfang Juli erst sind wieder Soldaten der internationalen Friedensmission bei Überfällen getötet worden. Die Angreifer sollen Mitglieder der Milizen gewesen sein, die von al-Bashirs Regierung unterstützt werden.

Ban Ki-Moons Reaktion auf die Beantragung des Haftbefehls war deshalb bezeichnend: Immerhin hat er so viel Angst vor dem sudanesischen Regime, dass er alle UN-Mitarbeiter, die für die Friedensmission in Darfur nicht absolut notwendig sind, evakuieren ließ. Al-Bashir hatte schließlich nicht zum ersten Mal gedroht.

Dass Moreno-Ocampo so einem Mann nicht vertraut, verdient deshalb mehr als Respekt: Weil er ausspricht, was andere nur denken – weil er den Finger in die Wunde derer legt, die dem Morden in Darfur bislang kein Ende setzen konnten. Ein Haftbefehl jedoch könnte Konsequenzen haben. Außenpolitisch würde al-Bashir mehr und mehr isoliert. Länder wie China oder Russland hätten es schwerer, mit ihm Geschäfte zu machen. Innenpolitisch könnten al-Bashirs Kritiker Aufwind bekommen. Denn welches Land kann sich schon auf Dauer einen Präsidenten leisten, der per Haftbefehl gesucht wird?

Damit es so weit kommt, muss der IStGH aber mehr Unterstützung bekommen – auch wenn ein amtierender Staatschef angeklagt wird. Denn dies hat Signalwirkung. Es bedeutet, dass niemand immun ist, dass Verbrechen schnell geahndet werden, dass das Völkerrecht denen hilft, die diese Hilfe auch brauchen: den Schwachen, Verfolgten und Gedemütigten – nicht nur den Toten.

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