Heikle Fragen ausgeblendet

José Antonio Ocampo, Jan Kregel und Stephany Griffith-Jones (Hg.):
International Finance and Development.
Zed Books, London und New York 2007,
207 S., 15,99 Pfund, ISBN 978-1-84277-862-3

In der Diskussion über erfolgreiche Entwicklungsprozesse spielt die Frage nach der Wirkung von Direktinvestitionen, Kapitalzu- und -abflüssen sowie Finanzkrisen eine wichtige Rolle. In den vergangenen Jahren haben sich die internationalen Finanzmärkte stark verändert: Kapital fließt nicht mehr aus entwickelten in weniger entwickelte Volkswirtschaften, sondern aus armen Ländern in den Norden, vor allem in die USA. Die Ersparnis der Armen finanziert den Konsum der Reichen. Diese bizarre Konstellation erschwert die Finanzierung von Entwicklung. Mit dem Verhältnis von internationalen Finanzmärkten und wirtschaftlicher Entwicklung beschäftigt sich der Band von José Antonio Ocampo und anderen.

Das erste Kapitel behandelt grenzüberschreitende Kapitalströme in Entwicklungsländer. Sie sind seit einigen Jahren charakterisiert durch stabile Direktinvestitionen, abnehmende Bankkredite und stark steigende Währungsreserven im Süden. Bei der Frage nach möglichen wirtschaftspolitischen Reaktionen darauf erwähnen die Autoren Fortschritte wie die Einführung von Kollektivklauseln in Anleiheverträgen (danach müssen im Krisenfall nicht alle Eigner von Staatsanleihen eines Landes einem Teilerlass zustimmen, sondern nur eine Mehrheit). Das Kapitel geht auch auf Risiken infolge neuer Instrumente auf den Finanzmärkten ein. Angesichts der Turbulenzen auf diesen Märkten infolge der Immobilienkrise in den USA Mitte 2007 scheint die Warnung vor Papieren, die Risiken handelbar machen, hoch aktuell. Beschränkungen des Kapitalverkehrs, wie sie von China, Chile und Malaysia mit Erfolg angewendet wurden, behandelt das Buch dagegen überraschend wenig.

Das zweite Kapitel betrachtet die öffentliche Entwicklungsfinanzierung. Es betont die Nachteile der klassischen, an Auflagen gebundenen Entwicklungshilfe. Das dritte Kapitel analysiert das Problem der Außenverschuldung. Im vierten werden Probleme des Weltfinanzsystems untersucht, vor allem die Ungleichgewichte in den Handels- und Finanzströmen zwischen großen Volkswirtschaften sowie das internationale Krisenmanagement. Die Autoren verweisen darauf, dass die USA
80 Prozent der international verfügbaren Ersparnis absorbieren, und warnen vor einer Finanzkrise. Sie regen an, eine neue Kreditlinie beim IWF zu schaffen, die von Finanzkrisen betroffenen Ländern Zugang zu kurzfristig verfügbaren Krediten garantieren soll, wenn sie bestimmte makro­ökonomische Kriterien erfüllen.

Das Thema des Buches ist aktuell. Dennoch hinterlässt der Band einen zwiespältigen Eindruck. Die Probleme von Finanzierung und Entwicklung werden umfassend erörtert, aber die Schlussfolgerungen bleiben seltsam unkonkret und klammern politische Aspekte weitgehend aus. So wird die Frage nach den Nutznießern der heutigen internationalen Finanzordnung nicht ausreichend diskutiert. Da diese gegen eine Reform, die ihre Profitchancen einschränken würde, Widerstand leisten dürften, ist das ein gravierender Mangel. Deshalb kann das Buch nur einem eingeschränkten Kreis von Finanzmarktexperten und entwick­lungspolitisch Interessierten empfohlen werden.

Heribert Dieter

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