Edelsteine

Hochkarätige Entwicklung

In Madagaskar gewinnt ein innovatives Programm zum Anstoß einer integrierten Edelsteinwirtschaft an Bedeutung. Umweltbelange werden berücksichtigt.

[ Von Saleem H. Ali ]

Luxusgüter wie Schmuck werden von Verbrauchern seit einigen Jahren zunehmend kritisch beäugt, da der Abbau von Edelsteinen und Metallen als häufige Ursache für Konflikte und ungleiche Entwicklung gilt. Während die Medien den Fokus auf Gold und Diamanten legten, beispielsweise in Dokumentarfilmen wie „Fluch des Inkagoldes“ oder Hollywood-Thrillern wie „Blood Diamond“, hat selbst die Wissenschaft farbige Edelsteine bislang kaum beachtet.
Dabei ist es in vielerlei Hinsicht eine noch größere Herausforderung, den Handel mit Edelsteinen aus Entwicklungsländern zu regulieren. Sie sind weder ein gewichtetes Handelsgut mit Verbindung zur Zentralbank wie Gold, noch werden sie über einen zentralisierten Markt gehandelt wie Diamanten. Der Diamantenhandel konnte relativ einfach durch Zertifizierungssysteme wie den Kimberley-Prozess geregelt werden, den selbst kritische zivilgesellschaftliche Organisationen mittlerweile schätzen.

Edelsteine werden von reisenden Kaufleuten gehandelt, die Zugang zu den Märkten haben und wissen, wo sie die Steine veredeln lassen müssen, um die beste Farbe und den besten Glanz zu erzielen. Anders als Diamanten werden die meisten farbigen Edelsteine in irgendeiner Form behandelt – entweder durch Erhitzen oder durch Harzfüllungen zum Abdichten von Rissen (resin filling). Bestimmte ethnische Gruppen, insbesondere in Thailand und Sri Lanka, haben die Techniken zur Wertsteigerung perfektioniert. Oft dominieren ausländische Händler die Edelsteinmärkte, während die Herkunftsländer von den hohen Profitraten wenig abbekommen und häufig schwankende Einkommen haben.

In den vergangenen zehn Jahren wurde Madagaskar von einer enormen Nachfrage nach Saphiren erfasst, was die Aufmerksamkeit verschiedener Geber auf sich gezogen hat. Das Projekt zur Verwaltung mineralischer Ressourcen (Projet de Gouvernance des Ressources Minérales, PGRM) ist besonders interessant. 2003 etablierte es ein neues Modell der Entwicklungshilfe im Bereich nicht erneuerbarer Güter. Zudem ist das Projekt in einem ökologisch sensiblen Land mit weltweit einzigartiger Artenvielfalt angesiedelt. Es wird unter anderem von Frankreich, den USA und Südafrika unterstützt.

Kohärente Strategie

Zu den Projektzielen gehört, die Regierung bei der Schaffung eines nachhaltigen Edelsteinbergbaus zu unterstützen und dadurch zur Armutsbekämpfung in Madagaskar beizutragen. Ein Schwerpunkt ist die Unterstützung des Kleinbergbaus und des Kunsthandwerks.

Das PGRM startet mit der Vermittlung von technischem und geologischem Wissen für die Suche nach den besten Abbaugebieten. Eingesetzt wird beispielsweise ein Computersystem zur Interpretation und Nutzung geowissenschaftlicher Daten. Gleichzeitig fördert das Programm die Wirtschaft, beispielsweise durch Ausbildungsprogramme. Unter anderem wurde ein Institut für Edelsteinkunde gegründet, wo Madagassen in subventionierten Seminaren den Umgang mit modernster Technik erlernen. Stipendien werden vergeben, und zunehmend melden sich auch Studierende aus anderen afrikanischen Ländern zu den Kursen an.

Mittlerweile sind einige Kleinbergbauer auf der Suche nach verlässlicheren Einkommen die Wertschöpfungskette hinaufgestiegen. Wenn es Madagaskar gelingt, eine Schmuckbranche aufzubauen, dann werden die Kenntnisse zur Veredelung und Verarbeitung, die das Institut vermittelt, auch dann noch nützlich sein, wenn Madagaskars Edelsteinvorkommen einmal erschöpft sind.

Chantaburi in Thailand und Surat in Indien sind interessante Beispiele. Chantaburi beispielsweise ist immer noch ein wichtiger Handelsplatz, obwohl Thailands Rubinminen zum größten Teil erschöpft sind. 2005 schätzte der Economist, dass wöchentlich 50 Kilogramm Edelsteine aus Madagaskar nach Thailand zur Veredelung geschmuggelt werden – zum ökonomischen Schaden Madagaskars. Surat im indischen Staat Gujarat hat einen beachtlichen Marktanteil an der Schmuckproduktion, obwohl weder das Gold noch die Edelsteine aus Indien stammen. Diese Beispiele zeigen, dass es sinnvoll ist, in eine Manufakturbranche zu investieren, die gut zu den lokalen Fähigkeiten und Marktinteressen passt.
In Madagaskar fürchten einige Umweltschützer, der Abbau von Mineralien könnte der fragilen Umwelt der Insel schaden. Sie sprechen von Erosion, Entwaldung und einer möglichen Versandung der Flüsse. Außerdem fürchten sie den Verlust der biologischen Vielfalt durch illegales Jagen: Die Bergleute arbeiten oft in abgelegenen Gegenden und sind auf die Dschungeltiere als Nahrung angewiesen. Umweltschäden wiederum könnten sich schädlich auf den Tourismus auswirken, Madagaskars größten Dienstleistungssektor. Schlechte Planung könnte zur Folge haben, dass Öko-Tourismus und Edelsteinabbau unvereinbar in Konkurrenz zueinander geraten.

Glücklicherweise ist weithin anerkannt, dass die biologische Vielfalt der Insel einmalig und wertvoll ist. Die Regierung setzte sich daher 2003 das Ziel, bis 2008 zehn Prozent des Landes unter Naturschutz zu stellen. Zudem konnte sie für solche Umweltschutzmaßnahmen Geberunterstützung mobilisieren. Dennoch fürchten Umweltschützer, das Vorhaben könnte vernachlässigt werden, sobald die Edelsteinwirtschaft in Schwung kommt. Ökologen geben allerdings zu, dass der Edelsteinbergbau weitaus weniger schädlich ist, als es die Goldminen sind, die im Land betrieben werden. Im Vergleich zum Metallabbau, der den Einsatz hochkonzentrierter Chemikalien wie Quecksilber und Zyanid verlangt, ist der Edelsteinabbau relativ harmlos.

Der Schlüssel für eine umweltfreundlichere Gestaltung des Kleinbergbaus in abgelegenen Gebieten liegt darin, den Edelsteinsuchern Know-how für die Suche und Anreize für den Schutz der natürlichen Ressourcen zu geben. Auch der Abbau durch Dorfkooperativen wurde ausprobiert. Solche Maßnahmen können die Überwachung und die Durchsetzung von Gesetzen erleichtern. Zumindest sind das die Erfahrungen aus dem Smaragdbergbau in Brasilien.

Die Herausforderung bleibt, Madagaskars Position auf dem Human Development Index zu verbessern (derzeit Rang 150). Doch das Zusammenwirken der gewählten ökologischen, sozialen und ökonomischen Aktionen zeigt erste Ergebnisse. Die von Gebern in das PGRM-Programm investierten 40 Millionen US-Dollar haben bereits sichtbar Lebensunterhalt und Einkommensstabilität verbessert.

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