Unser Standpunkt

Mehr Respekt

Die Zeiten sind rau für humanitäre Helfer. Die Krisen nehmen zu, und ihre Hilfe wird mehr und mehr benötigt. Andererseits wird die Arbeit immer gefährlicher, die Helfer geraten zunehmend selbst unter Beschuss.
Untersuchung eines unterernährten Kindes im Al Sabbah Children‘s Hospital in Juba, South Sudan. UNICEF/AP Photo Untersuchung eines unterernährten Kindes im Al Sabbah Children‘s Hospital in Juba, South Sudan.

Die Akteure in Gewaltkonflikten nehmen häufig keine Rücksicht mehr auf Helfer – oder sabotieren die Hilfe gar absichtlich als Kriegswaffe, wie geschehen in Syrien oder dem Südsudan, wo Hilfskonvois, Nothilfezentren und Krankenhäuser gezielt angegriffen wurden.

Besonders verheerend ist die Lage derzeit in Syrien. Ärzte ohne Grenzen, die oftmals als eine der letzten Hilfsorganisationen in Kriegsregionen ausharren, meldete im Februar, dass in der umkämpften Stadt Ost-Ghuta mehr als ein Dutzend ihrer Gesundheitseinrichtungen angegriffen und dabei zerstört oder beschädigt wurden. Ein aktueller Fall aus dem Südsudan ist ebenso exemplarisch für viele Krisenregionen. Ende April wurde ein Hilfskonvoi von Ärzte ohne Grenzen in einem abgelegenen Gebiet um Mundri von einer Gruppe bewaffneter Männer aufgehalten. Die Angreifer drohten dem Team mit Gewalt und nahmen den Mitarbeitern persönliche Gegenstände, medizinisches Material und anderes Eigentum von Ärzte ohne Grenzen weg. Dieser Angriff zwang die Organisation, die Arbeit mit mobilen Kliniken in dem Gebiet zu beenden, bis ihnen alle bewaffneten Akteure in der Region wieder einen sicheren Zugang gewährleisten. Die traurige Konsequenz: In vielen Regionen sind Menschen von medizinischer Versorgung abgeschnitten, weil es selbst für neutrale Ärzte dort zu gefährlich ist.

Entscheidend ist daher, dass es wieder Respekt für die humanitären Prinzipien gibt. Alle Konfliktparteien müssen Verletzte und Kranke schützen. Alle Parteien müssen die Unabhängigkeit und Neutralität humanitärer Organisationen respektieren. Auf diese Neutralität berufen sich Hilfsorganisationen und pochen darauf, dass sie auch als solche wahrgenommen wird. Die humanitären Helfer kommen, um ohne Ansehen der Person medizinische Hilfe zu leisten. Und sie verfolgen darüber hinaus keine anderen Interessen.

Diesen Anspruch sehen manche Hilfsorganisationen aber nun gefährdet, weil die konzeptionellen Erwartungen an die humanitäre Hilfe wachsen. In der entwicklungspolitischen Debatte gibt es seit mehreren Jahren den Anspruch, die humanitäre Hilfe mit weiteren Zielen wie Entwicklung und Frieden zu verbinden, um eine nachhaltigere Wirkung zu erzielen. Im Einzelnen muss aber sehr genau darauf geachtet werden, wo die Erweiterung der humanitären Arbeit Sinn macht und wo nicht.

In Kriegs- und Krisenregionen geht es zunächst darum, Menschen das nackte Überleben zu sichern. Die Sicherheit der Helfer ist wichtig – und der bloße Anschein, sie verfolgten eine eigene Agenda, kann gefährlich sein. In Situationen, in denen alle Akteure hohe Risiken eingehen, müssen humanitäre Organisationen selbst entscheiden, welche Ziele sie mit welchen Mitteln anstreben. Da, wo es möglich ist, sollten sie sich aber durchaus an den Grundsätzen der Entwicklungspolitik mit langfristiger Orientierung messen. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) wurden von den UN beschlossen, haben also universelle Geltung. Ähnlich sollte die Relevanz der lokalen Eigenverantwortung (Ownership) wo immer möglich berücksichtigt und nicht durch den Aufbau von Parallelstrukturen unterhöhlt werden.


Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fazit-communication.de

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