Nachhaltigkeit

Im Interesse der Wirtschaft

Unternehmerisches Handeln und die Beachtung sozialer und ökologischer Standards sind keine Gegensätze. Der Einfluss weltweit operierender Konzerne auf politische Entscheidungen hat zugenommen, folglich tragen sie auch entsprechende Verantwortung. Sie können – und müssen – zu nachhaltiger Entwicklung beitragen.


[ Von Andreas Baaden und Jochen Weikert ]

Wenn sich nicht alle an die Spielregeln halten, macht Sport keinen Spaß. Doping und unfaire Methoden verzerren den Wettbewerb. Das gilt auch in der Wirtschaft. Korruption und verantwortungslose Unternehmensführung – oft auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima – unterlaufen die Spielregeln einer nachhaltigen Weltwirtschaft.

Diese Spielregeln werden heute unter veränderten Bedingungen ausgehandelt: Im nationalen Rahmen setzten allein Regierungen und Behörden Normen. Lediglich die größten Unternehmen und Verbände nahmen Einfluss. Der Großteil der Wirtschaft war eher passiv. In der globalisierten Welt, in der Unternehmen immer mehr Macht haben, ist das anders.

Für weltweit präsente Unternehmen ist es leicht, nationalen Umweltauflagen auszuweichen. Sie verlagern einfach die Produktion. Gerade dieses von Medien und internationalen NROs heftig kritisierte Verhalten hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich neue Netzwerke sozial und ökologisch ausgerichteter Unternehmen gebildet haben. Sie machen die freie Wirtschaft auch zum Motor für nachhaltige Entwicklung.

Dass dies möglich ist, war selbst auf der letzten Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt zu sehen – eine Messe, die bislang nicht den Ruf hatte, besonders auf Nachhaltigkeit zu achten. Doch auch die Kraftfahrzeugindustrie kommt um das Thema nicht mehr herum. „Unternehmer bestimmen längst mit über internationale Regelwerke. Wir brauchen starke Brücken zwischen Wirtschaft und Politik“, sagt Harvard-Professor John Ruggie, der Kofi Annan bei der Gründung des „Global Compact“ beraten hat und jetzt UN-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte ist.

Der Klimawandel ist ein Thema, das die Menschen sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern betrifft. Er bedroht auch Unternehmen und Märkte. Seit den aufrüttelnden Berichten des UN-Klimarates (IPCC) wissen wir, worauf wir zusteuern. Noch sind aber zu wenige Industriezweige bereit, die Richtung entscheidend zu ändern. Es gibt nach wie vor eine große Kluft zwischen dem Wissen um den Klimawandel und Schritten zur Lösung der Probleme.

Unternehmen könnten einen entscheidenden Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten, sagt Rajendra Pachauri, Vorsitzender des mit dem Friedensnobelpreis geehrten Klimarates. Die Verbreitung klimafreundlicher Technologien ist für Pachauri die wichtigste Herausforderung dieser Tage. Wenn die Industrie eine proaktive Haltung einnähme, dann ergäben sich neben dem Gemeinnutzen auch Vorteile für jedes einzelne Unternehmen.

In Brasilien werden klimafreundliche Technologien bereits in großem Stil angewandt. Die Hälfte der Energie für den brasilianischen Transportsektor stammt aus Biotreibstoffen, schätzt der Bioethanol-Unternehmer Roberto Giannetti da Fonseca. Die Industrie des südamerikanischen Schwellenlands sei bereit, ihr technologisches Wissen und daraus entstehende komparative Vorteile mit afrikanischen Ländern zu teilen, beispielsweise durch Handel und Investitionen. Die marktverzerrenden Subventionen der Industrieländer für klassische und erneuerbare Energieprodukte behinderten das aber, sagt da Fonseca.

Wichtig ist ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten: „Die Regierungen müssen gesetzliche Regelungen zur Stärkung von Unternehmensverantwortung und umweltfreundlichen Industrien schaffen“, sagt Pachauri. Maßgeblich sind aber vor allem die tagtäglichen Entscheidungen von Konsumenten zu Gunsten oder auch zu Ungunsten des Klimaschutzes. Weitere wichtige Mitspieler sind die internationalen Organisationen, die in vielen Fällen ähnlich global aufgestellt sind wie die Wirtschaft. Für die Weltbank zum Beispiel könne die Bekämpfung des Klimawandels nach Ansicht von Entwicklungs­ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zur wichtigsten Zukunftsaufgabe werden.


Korruption aufdecken

Wie beim Thema Klima gibt es für Unternehmen viele Gründe, sich für neue Spielregeln gegen Korruption einzusetzen. Nach Schätzungen der Weltbank werden jährlich weltweit eine Billion Dollar an Bestechungsgeldern gezahlt. Der volkswirtschaftliche Schaden trifft vor allem die ­ärmsten Länder. Auf dem 12. Internationalen Wirtschaftsforum von Weltbank und InWEnt (siehe Kasten) lobte der Gründer von Transparency International (TI), Peter Eigen, die Bank: Sie habe sich „vom Saulus zum Paulus“ gewandelt und beschäftige mittlerweile auch in Entscheidungspositionen Leute mit klarer Haltung gegen Korruption. Eigen, der Vorsitzender der Transparenzinitiative in der Rohstoffindustrie (EITI) ist, sieht die Hauptverantwortung für Korruption in den Industrieländern und bei den Unternehmen, die Schmiergelder zahlen. Es müsse Schluss damit sein, immer mit dem Finger auf die Länder des Südens zu zeigen.

Unternehmen stehen vor dem Dilemma, entweder zu bestechen oder aber, wenn sie sich dieser „üblichen Praxis“ widersetzen, Nachteile gegenüber unfairen Wettbewerbern in Kauf zu nehmen. Geschäftsbeziehungen auf Bestechung aufzubauen, so TI-Präsidentin Nancy Boswell, ist jedoch keine zukunftsfähige Strategie. Das haben zuletzt die prominenten Beispiele aus der deutschen Industrie gezeigt. Wenn Unternehmen nachträglich die rote Karte gezeigt wird, dürfte der in Euro bezifferte Imageverlust (Aktienwert, Kundenvertrauen) die durch Korruption erreichten Vorteile weit übersteigen.

Der beste Weg ist auch hier gute Zusammenarbeit. Korruption rückhaltlos aufzudecken ist Aufgabe nicht nur von Regierungen und Unternehmen, sondern auch von unabhängigen Medien und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Beispiele hierfür sind die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen, die mittlerweile von 40 Staaten akzeptiert werden, unternehmerische Klimabündnisse wie die deutsche „2-Grad-Initiative" oder sektorübergreifende Antikorruptionspakte.

Auch die Gruppe der führenden Indus­trienationen thematisierte in diesem Jahr der deutschen Präsidentschaft die Rolle der „anderen Player“ und intersektoraler Kooperation. Das G8-Abschlussdokument von Heiligendamm betont ausdrücklich die Rolle der Wirtschaft für die globale Entwicklung („Corporate Social Responsibility“) und die Bedeutung von Initiativen wie EITI.

Es ist Aufgabe einer wirtschaftsbezogenen Entwicklungspolitik, solche Initiativen zu fördern und Kapazitäten aufzubauen, um Unternehmen in Nord und Süd zu verantwortlichen Gestaltern der Globalisierung zu machen. Was würde die nächste Generation über uns denken, fragte Heidemarie Wieczorek-Zeul unlängst auf der Weltbank-Jahrestagung in Washington, wenn wir bei vollem Bewusstsein die Erde in die Klimakatastrophe stürzten?

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