Governance

Leere Töpfe

In Kenia gingen die Menschen in den vergangenen Monaten immer wieder auf die Straße, um gegen den drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten und Steuererhöhungen zu protestieren. Dreißig Menschen sind bereits ums Leben gekommen, und die Wirtschaft nimmt weiter Schaden.
Proteste in Nairobi. picture-alliance/REUTERS/Thomas Mukoya Proteste in Nairobi.

Die weltweite Inflation, angetrieben vom Ukrainekrieg und einer sich nur langsam von der Covid-19-Pandemie erholenden Wirtschaft, lässt die Preise in Kenia explodieren. Hinzu kommt, dass die Regierung die Subventionen für Güter wie Benzin oder die Grundnahrungsmittelbasis Maismehl gekürzt hat.

Gleichzeitig erhöht sie Steuern auf Einkommen oder Wohnraum, um im Inland Geld einzunehmen und Kenias Auslandsschuldenkrise zu bewältigen, die vor allem durch immense Schulden gegenüber China und anderen internationalen Akteuren, etwa dem IWF, ausgelöst wurde.
 

Kenia ist zwar das wirtschaftliche Aushängeschild Ostafrikas, aber dennoch leben viele Menschen dort an der Armutsgrenze. Sie fragen sich nun, wie sie am nächsten Tag etwas zu essen auf den Tisch bringen sollen – und sie sind wütend.

Die Proteste begannen bereits im März dieses Jahres in der Hauptstadt Nairobi und anderen Städten wie Kisumu und Mombasa. Sie wurden von der Opposition unter der Führung von Raila Odinga organisiert, der die Wahl von Präsident William Ruto im vergangenen Jahr angefochten hatte. Ein Gericht entschied, dass Rutos Sieg rechtmäßig war.

Odinga wirft dem Präsidenten jedoch immer noch vor, zu lügen. Während des Wahlkampfs hatte Ruto versprochen, die Lebenshaltungskosten innerhalb von hundert Tagen nach seinem Amtsantritt im vergangenen September zu senken. Die Anschuldigungen fallen im ganzen Land auf fruchtbaren Boden.

Zunächst fanden die Proteste einmal pro Woche statt, dann dreimal, jeweils mittwochs bis freitags. Die Opposition rief ihre Anhänger*innen auf, leere Töpfe auf dem Kopf zu tragen und mit Kochlöffeln auf sie zu schlagen – die offensichtliche Geste wurde symbolisch. Ein Marsch zum State House, dem Sitz des Präsidenten, wurde von der Polizei vereitelt.

Die Proteste waren zudem von dramatischen Verfolgungsjagden geprägt, bei denen die Polizei hochrangige Vertreter der Opposition verhaftete. Die meisten Demonstrant*innen waren zu Fuß unterwegs und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, bei denen es auf beiden Seiten zu Verletzungen kam.

Zivilgesellschaft und Opposition werfen der Polizei vor, mit brutaler Gewalt vorzugehen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind 30 Menschen getötet worden. Dutzende trugen Schusswunden und Verletzungen durch Tränengas und Polizeiknüppel davon. Insgesamt wurden Hunderte verhaftet.

Gleichzeitig leidet die Wirtschaft, da Geschäfte aus Angst vor Gewalt, Plünderungen und Zerstörung immer wieder geschlossen blieben. Die Kenya Private Sector Alliance schätzt die täglichen Verluste an den Protesttagen auf fast 19 Millionen Euro.

Gespräche dringend erforderlich

Religiöse Führer*innen und westliche Diplomat*innen riefen die Regierung zu Gesprächen mit der Opposition auf. Die Botschaften Australiens, Dänemarks, Deutschlands, Schwedens, Kanadas, Irlands, Norwegens, der Schweiz, der USA, der Niederlande und der Ukraine sowie des Vereinigten Königreichs äußerten sich besorgt über den Verlust von Menschenleben, die Gewalt und die Zerstörung von Eigentum.

Regierung und Opposition haben inzwischen Gespräche aufgenommen. Präsident und Oppositionsführer vereinbarten, unter Vermittlung des ehemaligen nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo getrennte Dialogteams zu bilden. Bislang konnten die Unterhändler – fünf von jeder Seite – jedoch noch keine Einigung erzielen. Beide Seiten bleiben optimistisch, eine Lösung zu finden.

Ende Juli stellte die Opposition die Proteste ein. Stattdessen wurden in allen Teilen des Landes „Solidaritätsparaden und Mahnwachen für die Opfer der Polizeigewalt“ organisiert.

Kenianer*innen äußern gemischte Gefühle über den laufenden Dialog. Paul Wekesa aus Nairobi sagt: „Sobald ein Dialog stattfindet, weiß man, dass es nicht mehr um die Bürger geht. Wir haben es schon einmal erlebt: Politiker wollen das diskutieren, was ihren eigenen Interessen dient.“

Der öffentliche Pessimismus wurde Ende August verstärkt, als der stellvertretende Präsident Rigathi Gachagua die laufenden Gespräche mit den Worten quittierte, sie würden nichts bringen. Auch Odinga deutete einen Taktikwechsel an, sollten die Gespräche scheitern, und sagte, er werde seine Anhänger*innen erneut zu Protesten und Streiks aufrufen.

Isaac Sagala ist Journalist und Radiotrainer. Er lebt in Nairobi.
bwanasagala@gmail.com

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