Erderwärmung

Eine Herkulesaufgabe

Klimaexperten sind uneins darüber, wieweit es noch möglich ist, die globale Erderwärmung aufzuhalten. Jedes Zehntelgrad weniger zählt, um fatale Folgen wie vermehrte Dürren, Stürme oder Starkregen zu vermeiden, versichern Wissenschaftler.
Vorbild für die Zukunft? Ökodorf in Dänemark. Lineair Vorbild für die Zukunft? Ökodorf in Dänemark.

Im Oktober veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) einen Sonderbericht, der vor den verheerenden Folgen einer Erwärmung auf zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts warnt. Auf dieses Ziel hatten sich die Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens geeinigt (siehe Kasten). Klimaforscher wie Daniela Jacob, die als Autorin an dem Sonderbericht beteiligt war, plädieren nun stark dafür, die Erderwärmung auf wenigstens 1,5 Grad zu begrenzen. „Früher hätten wir nicht gedacht, dass es einen Evidenzwert gibt und dass sich das wissenschaftlich so genau sagen lässt“, erklärt sie.

Bei einer Erwärmung um „nur“ 1,5 Grad gäbe es laut Jacob weniger extreme Wetterlagen, einschließlich extremer Hitze und Starkregen. Außerdem fiele der Ernteausfall von Mais, Weizen und Reis geringer aus, betont die Forscherin. Ebenso gäbe es weniger Verlust von Biodiversität und Artenvielfalt. Auch der Anstieg des Meeresspiegels wäre bis 2100 etwa zehn Zentimeter niedriger.

Jacob warnt, dass es schon jetzt Regionen gibt, wo man die Folgen der Erwärmung ablesen kann. „Weltweit zeigen sich Wettersituationen, die vorher nicht da waren.“ Die Klimaexpertin erklärt jedoch, dass Wetterveränderungen nicht in allen Regionen der Welt gleichermaßen voranschreiten. Und sie gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus, denn sie hält es für machbar, die Welt auf 1,5 Grad Erwärmung zu halten. Es gäbe die technischen und finanziellen Möglichkeiten dazu – das Problem seien bislang die politischen Hürden. Dieser Ansicht ist auch Mojib Latif, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (siehe E+Z/D+C e-Paper 2018/11, Debatte).

Daniela Jacob betont aber, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad „nie dagewesene Veränderungen“ erfordere. Jeder Einzelne müsse sein Verhalten ändern. Außerdem müssten die Emissionen in allen Bereichen drastisch reduziert, neue Technologien erfunden und Investitionen in CO2-freie Technologien umgelenkt werden. Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu halten, müssten sich CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 Prozent verringern, gemessen am Niveau von 2010.

Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima Allianz Deutschland, in der sich mehr als 120 Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen haben, hält es für eine gute Nachricht, dass es noch möglich ist, dieses Ziel zu erreichen. „Dazu muss die Politik aber die richtigen Weichen stellen“, forderte sie auf einer Konferenz in Berlin, die die Klima Allianz gemeinsam mit dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) organisiert hat.

Um die Klimaziele zu erreichen, muss die Weltgemeinschaft sich aber beeilen und gemeinsam vorgehen, sind sich alle Experten einig. „Wir müssen die Klimapolitik vom Reden zum Handeln zurückbringen“, meint Hans-Christoph Boppel von VENRO. Das Pariser Abkommen von 2015 habe fast schon die Gewissheit vermittelt, dass die Staatengemeinschaft den Klimawandel gemeinsam angehe. Nun verspüren viele Enttäuschung.

Der Klimawandel, so Boppel, steht mit fast allen anderen entwicklungspolitischen Themen in Zusammenhang, egal ob es um die Bekämpfung des Hungers oder der Fluchtursachen geht. Er erschwere bereits die Entwicklung in armen Ländern deutlich und gefährde den Fortschritt. Besonders für die Ärmsten seien die Folgen verheerend. Boppel sieht in der Klimafrage aber auch eine Chance für die Weltgemeinschaft. Die Zusammenarbeit gegen den Klimawandel könne Vorbild für Global Governance in anderen Bereichen werden.

Eine Frage, die sich bei den anstehenden Transformationsprozessen stellt, ist, wie damit umzugehen ist, dass Arbeiter ihre Jobs in der Kohle- und Ölindustrie verlieren werden. Antonio Zambrano Allende von der peruanischen Bürgerbewegung gegen den Klimawandel MOCICC hat Verständnis für protestierende Arbeiter. „Wir müssen ihre Sorgen ernst nehmen.“

Er sieht es als wichtig an, die unterschiedlichen Interessen verschiedener Gruppen anzuerkennen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Ein gerechter Strukturwandel habe viele Facetten, meint Zambrano Allende. Drei Dinge sind seiner Meinung nach entscheidend: „Demokratie, Land und Territorien“. Bei einem gerechten Wandel müsse berücksichtigt werden, wie einzelne Menschen in unterschiedlichen Territorien arbeiten und leben.

Außerdem müsse auf Interessen von indigenen Gemeinschaften sowie auf die individuelle Geschichte einzelner Regionen eingegangen werden. Um Veränderung zu schaffen und auf den Klimawandel zu reagieren, sagte Zambrano Allende, müsse man lokal denken und verschiedene Interessengruppen an einen Tisch holen.

 

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