Mangroven

Die Rettung des Mekong-Deltas

Im Mekong-Delta, der „Reiskammer Vietnams“, sind die Auswirkungen des Klimawandels dramatisch. Bis zum Jahr 2100 könnten offiziellen Studien zufolge bis zu 39 Prozent der Region vom Meer überflutet sein – was nicht nur für die 17 Millionen Einwohner dramatische Konsequenzen hätte. Denn das Mekong-Delta produziert Reis für 245 Millionen Menschen weltweit und spielt daher auch für die globale Ernährungs­sicherheit eine wichtige Rolle.
Die Küstendörfer im Mekong-Delta sind vom Klimawandel stark betroffen. GIZ Die Küstendörfer im Mekong-Delta sind vom Klimawandel stark betroffen.

Am deutlichsten zeigen sich die Folgen des Klimawandels an der Küste, die durch den steigenden Meeresspiegel, Stürme und Flutwellen bedroht wird. An ungeschützten Stellen bricht sie weg, mancherorts bis zu 50 Meter im Jahr. Häuser werden überschwemmt und fruchtbare Ländereien versalzen. Die Existenzgrundlage vieler Menschen an der Küste ist gefährdet.

Um dem entgegenzuwirken, unterstützt Deutschland Vietnam gemeinsam mit Australien seit 2011 mit einem Programm zum integrierten Küstenmanagement. Das Programm, das die GIZ  im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des australischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und Handel (DFAT) durchführt, setzt auf Wiederaufforstung der ursprünglichen Mangrovenwälder, auf nachhaltige Methoden im Reisanbau und der Garnelenzucht sowie auf ein besseres Management der vielen Wasserkanäle, die die Region durchkreuzen. Darüber hinaus werden die vietnamesischen Behörden unterstützt, gemeinsam Strategien für die Zukunft der Region über Provinzgrenzen hinweg zu entwickeln, um gegen die Klimaveränderungen gewappnet zu sein.

Eines der größten Probleme an der Küste ist die Erosion. Sie sorgt dafür, dass immer mehr Land wegbricht und sich das Meer immer weiter ins Landesinnere frisst. Vielerorts stehen Häuser direkt am Wasser, die noch vor Jahren hunderte Meter Abstand dazu hatten. Mit dem Land verschwinden auch die darauf wachsenden Mangrovenbäume, die im Zwischenbereich zwischen Meer und Festland stehen. Sie sind der beste Puffer, um die Wucht von Stürmen und Überflutungen abzudämpfen.
Erosion stoppen

Das Küstenmanagement-Programm fand eine Lösung gegen die Erosion: Auf der Grundlage von komplexen Messungen der Strömungen wurden einfache Wellenbrecher-Zäune aus Bambus entwickelt, die im Meer stehen und die Wucht der Wellen bremsen. Dadurch können sich die Erdpartikel, die das Meer mitführt, ablagern – so entsteht neues Land, auf dem dann Mangroven und andere Pflanzen wachsen können. So konnte nicht nur Erosion gestoppt, sondern auch die Küstenlinie an einigen Stellen bis zu 180 Meter weiter in Richtung Meer verschoben werden.

Doch so erfolgreich die Wellenbrecher-Zäune auch sind – sie sind nur eine von vielen Lösungen, die nötig sind, um die 720 Kilometer lange Küste im Mekong-Delta gegen den Klimawandel zu stärken. Daher entwickelte das Programm eine digitale Karte der gesamten Küstenlinie, auf der präzise verzeichnet ist, an welchen Stellen welche Küstenschutz-Maßnahmen notwendig wären – seien es die Wellenbrecher aus Bambus, seien es neue Mangrovenbäume, seien es an besonders gefährdeten Stellen auch mächtige Mauern aus Beton, die zwar nicht schön anzuschauen sind, aber die Wucht des Meeres erfolgreich bremsen.

Maßnahmen zum Küstenschutz können die Probleme des Mekong-Deltas allerdings allein nicht lösen. Denn die Bedrohungen gehen darüber hinaus. Die Landwirtschaft im Mekong-Delta, eine der produktivsten in Asien, ist zunehmend gefährdet. Bereits heute drückt der steigende Meeresspiegel immer mehr Salzwasser ins Delta; zugleich wird die Frischwasserzufuhr durch den Mekong-Fluss immer spärlicher und unzuverlässiger – unter anderem wegen riesiger Staudämme in China und Laos (siehe Artikel hierzu in E+Z/D+C 2013/12).

Im Frühjahr 2016 trugen diese Faktoren dazu bei, dass das Mekong-Delta unter der schlimmsten Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 90 Jahren litt – ein Schock für tausende Bauern, die zum Teil herbe Ernteausfälle verzeichneten (siehe Artikel hierzu in E+Z/D+C e-Paper 2016/10). Die Dürre war für die Politik aber auch ein Signal, die ohnehin notwendige Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für das Mekong-Delta mit Nachdruck voranzutreiben.

Denn das Mekong-Delta, das etwa 17 Millionen Einwohner hat, ist gar keine eigene administrative Einheit, sondern in 13 unterschiedliche Provinzen unterteilt, die ihre Pläne und Investitionen oft nicht mit­einander abstimmen. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Ministerien für Klimawandel-Anpassung im Mekong-Delta zuständig sind.

Eine neue Verordnung des Ministerpräsidenten für regionale Koordinierung im Mekong-Delta soll hier Abhilfe schaffen: So werden künftig alle Akteure – vor allem Provinzen, Ministerien und internationale Partner – gemeinsame Strategien entwickeln und damit die zur Verfügung stehenden Mittel deutlich effizienter einsetzen.


Wassermanagement verbessern

Besonders wichtig ist diese Reform in den Bereichen Landwirtschaft und Wassermanagement. Das Delta ist von tausenden Kanälen durchzogen, die den Bauern das Wasser in der Form bringen, die sie für ihre Produktion benötigen: Frischwasser für Reis- und Obstfarmen, Salz- oder Brackwasser für die Garnelenzucht. Bisher fehlt es allerdings an einem klaren System dafür, wo welche Produkte angebaut werden sollen und wie das Wassersystem darauf abgestimmt werden muss. Die Konsequenz: Die immer spärlicheren Frischwasserressourcen werden oft nicht effizient eingesetzt.

Dass es auch anders geht, beweist ein Bewässerungssystem im südlichen Mekong-Delta. Hier wurde das Wassermanagement gemeinsam mit lokalen Behörden optimiert, was zu einer Verbesserung an Kanälen mit einer Gesamtlänge von 14 000 Kilometern geführt hat – das entspricht der Distanz zwischen Deutschland und Australien. 1,2 Millionen Menschen im ländlichen Bereich profitieren davon.

Allerdings ist die Wasserversorgung nicht der einzige Faktor, um die Landwirtschaft besser an die Klima- und Umweltveränderungen anzupassen. Das Mekong-Delta ist geprägt durch eine Vielzahl von sehr kleinen Farmen, die oft nur 0,5 bis zwei Hektar groß sind. Zwar hat dieses System den Vorteil, dass viele Menschen mit hoher Autonomie einen geringen, aber zuverlässigen Lebensunterhalt verdienen können. Doch die vielen unabhängigen, fußballfeldgroßen Bauernhöfe machen es schwierig, die Produktivität zu erhöhen und verlässliche Standards einzuführen. Daher werden im Mekong-Delta meist Produkte geringer Qualität hergestellt, die nur zu einem niedrigen Preis verkauft werden können, sodass für die Bauern wenig übrig bleibt.

Eine Lösung besteht in der Bildung von Bauerngenossenschaften, die das GIZ-Programm unterstützt. Solche Zusammenschlüsse machen es einfacher, den Bauern Trainings in verbesserten Anbaumethoden anzubieten, die die Einkünfte steigern und die Umwelt schonen. Ein Beispiel ist der Reisanbau, wo Bauern mit der „Alternate Wetting and Drying Rice“-Methode 30 Prozent weniger Wasser und Pestizide verwenden und ihr Einkommen um bis zu 40 Prozent steigern können.

Solche Ansätze werden nun ins „Großes Reisfeld“-Programm der Regierung übernommen, in der viele kleine Farmen nach gemeinsamen Standards anbauen, um die Qualität der Produkte zu sichern – so, als würde es sich um ein einziges großes Reisfeld handeln. 

Ansätze wie diese gehen in die richtige Richtung, benötigen aber weitere Unterstützung. Die einzelnen Bauern und Bewohner der Küstengebiete können allein dem Klimawandel wenig entgegensetzen. Wenn es aber gelingt, eine Initiative anzustoßen, in der nicht nur die unterschiedlichen politischen Akteure zusammenarbeiten, sondern auch die lokale Bevölkerung ihren Platz findet, dann besteht Hoffnung, dass das Mekong-Delta auch in mehreren Jahrzehnten noch hunderte Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen kann. Die Zeichen hierfür stehen derzeit gut.


Severin Peters ist Seniorberater im Programm zum integrierten Küstenmanagement im Mekong-Delta.
severin.peters@giz.de

Christian Henckes leitet das Programm.
christian.henckes@giz.de

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