Klimawissenschaft

Sagen, was ist

Wer sich als Wissenschaftler zum Thema Klimawandel äußert, muss damit rechnen, persönlich angegriffen zu werden. Vor allem Populisten und Rechtsnationalisten stellen Forschungsergebnisse in Frage und diffamieren und bedrohen Menschen, die sie verantworten oder veröffentlichen – besonders im anonymen Raum des Internets. Dagegen wehren sich Wissenschaftler nach Kräften.
March for Science in der indischen Stadt Kalkutta im August 2019. Sudip Maiti/picture-alliance/ZUMA Press March for Science in der indischen Stadt Kalkutta im August 2019.

Harald Lesch ist Astrophysiker. Er ist Professor in München und durch Wissenschaftssendungen im Fernsehen auch über Fachkreise hinaus bekannt. Seine Haupt­forschungsgebiete sind Plasmaphysik, Schwarze Löcher und Neutronensterne. Er forscht und veröffentlicht aber auch viel zum Klimawandel und berät darin die Politik.

Als Physiker war Lesch es stets gewohnt, dass man ihn respektiert und seine Forschung ernst nimmt. Bis sich der Sternenforscher einem sehr irdischen, existenziellen Thema zuwandte: „Seit ich über Klimawandel rede, werde ich persönlich angegriffen“, sagt Lesch. Shitstorms im Internet seien an der Tagesordnung, Drohungen keine Seltenheit. Für den Physiker unverständlich, denn: „Klimawandel ist nicht persönlich und auch nicht politisch. Was ich mache, ist Wissenschaft.“

Leschs Erfahrung ist kein Einzelfall. Im Allgemeinen genießen Wissenschaftler weitgehendes Vertrauen in der Gesellschaft. Aber für Klimawissenschaftler gilt das nicht. Populisten und Rechtsnationalisten, die die menschengemachte Erderwärmung leugnen, zweifeln unstrittige Forschungsergebnisse dreist an und diffamieren, beschimpfen und bedrohen die Menschen, die dahinterstehen. Dass die Klimawandelleugner Gehör finden, auch über die einschlägigen Filterblasen hinaus, liegt daran, dass eine organisierte Szene dahintersteht. In den USA, wo sie entstanden ist, wird sie als „Denial Machine“ (Leugnungsmaschine) bezeichnet. Zu ihr gehören angebliche Thinktanks, die keine nennenswerte Forschung betreiben, aber kräftig Öffentlichkeitsarbeit machen. Ihre „Experten“ sind entweder wissenschaftliche Außenseiter oder windige Journalisten und Politiker. Finanziert wird die Maschine unter anderem von Unternehmen, die ein Interesse daran haben, dass die fossile Energiewirtschaft so weitermachen kann wie bisher. Natürlich sind die Geldquellen weitgehend intransparent.

Tatsächlich ist der Konsens in der Wissenschaft über Echtheit und Gefährlichkeit des Klimawandels überwältigend. Mehr noch: Es gab nie zuvor solch umfangreiche und aufwändige gemeinschaftliche Anstrengungen von Forschern aus aller Welt wie die, die der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) seit 1988 koordiniert. Die IPCC-Berichte werden immer präziser und erschreckender. Die Faktenlage ist klar: Wir steuern auf eine Katastrophe zu.

Selbst führende Politiker – allen voran US-Präsident Donald Trump – verbreiten dennoch Zweifel. Wissenschaftsleugnung ist auch in anderen Feldern wie Evolutionstheorie oder Umweltforschung gesellschaftsfähig geworden. Kreationistische Vorstellungen, nach denen die Erde und das Leben auf ihr so entstanden sind, wie im Alten Testament beschrieben, haben es in manchen US-Bundesstaaten in den Schulunterricht geschafft. Astrophysiker wie Lesch widerlegen sie zwar im Handumdrehen – doch tatsächlich finden sie mehr Zustimmung, als man glauben mag.

Die Wissenschaft wehrt sich nach Kräften. Im March for Science gingen 2017 und 2018 zigtausende Wissenschaftler in hunderten Städten weltweit gegen Wissenschaftsleugnung und Fakenews auf die Straße. Viele Forscher unterstützen auch die Jugendbewegung Fridays for Future. Als Scientists for Future stehen sie für die Fakten ein, die den Forderungen der Klima­bewegung zugrunde liegen und die – wie könnte es anders sein? – vehement angezweifelt werden.

Wir haben es mit einem regelrechten Kulturkampf zu tun. Sein Ende ist noch offen: Man kann nur hoffen, dass sich Vernunft und Verstand durchsetzen. Bleibt die Frage, warum der Streit um den Klimawandel mit so viel Hass verbunden ist. Mit Diskreditierung, Beleidigung, Angriffen, die nicht auf die Sache, sondern den Menschen abzielen. Ich kann nur mutmaßen, dass die Klimawandelleugner sich selbst und ihre Art, zu leben, bedroht sehen. Aber gerade weil die Gefahren real sind, dürfen sich weder Wissenschaftler noch Journalisten von ihrer Aufgabe abbringen lassen: zu sagen, was ist.


Katja Dombrowski ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu

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