Stadtentwicklung

Voneinander lernen

Kapstadt und Aachen arbeiten gemeinsam an nachhaltiger Stadtentwicklung. Der Umgang mit Abfällen ist dabei ein zentrales Thema. Die beiden Städte stehen vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen, haben aber auch Gemeinsamkeiten. Im Austausch sammeln sie Ideen und lernen voneinander.
Müllwerkerinnen in Doornbach. Ostlender Müllwerkerinnen in Doornbach.

Das von Engagement Global finanzierte Projekt „Voneinander lernen – für eine nachhaltige Stadt!“ startete Anfang 2015. Nach einem Vorbereitungstreffen in Kapstadt vereinbarten die Projektverantwortlichen gegenseitige Arbeitsbesuche, um die Arbeitsweisen und Nachhaltigkeitsstrategien sowie die rechtlichen Grundlagen der beiden Kommunen miteinander zu vergleichen.

So lernte eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Kapstadt in einem einwöchigen Aufenthalt sämtliche Facetten der Abfallwirtschaft in der Region Aachen kennen, die in der Hand des kommunalen Unternehmens AWA Entsorgung GmbH liegt. Neben der Besichtigung von Anlagen wie einer Müllverbrennungsanlage, einer Biovergärungsanlage, Wertstoffhöfen und Deponien erhielt sie Einblick in die gesetzlichen Grundlagen und die vielfältigen Gebühren- und Sammelstrukturen. Besonders interessant für Kapstadt waren die Aktivitäten der Abfallberatung in Aachen: wie und auf welchen Informationskanälen die Bürger über Abfallvermeidung, -verwertung und -trennung informiert werden.

Beim Gegenbesuch in Kapstadt besuchten zwei AWA-Mitarbeiter ebenfalls Anlagen und Annahmestationen. Vorträge und Diskussionsrunden über das Abfallmanagement in der Vier-Millionen-Metropole ergänzten den Austausch.

In ihrer Arbeit sehen sich die Mitarbeiter aus Deutschland und Südafrika mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen und Problemen konfrontiert, die aus großen strukturellen und sozialen Unterschieden resultieren. Zum Beispiel gibt es in Kapstadt, anders als in Aachen, keinen flächendeckenden „Anschluss- und Benutzungszwang“. Daher ist die Finanzierung der Abfallwirtschaft schwierig.

Wertstofferfassungssysteme wie in Deutschland, die sich durch Gebührenstabilität auszeichnen, befinden sich in Kapstadt erst im Aufbau. Dort bringen Müll-Erzeuger und -Einsammler Wertstoffe direkt zu Recyclingstellen und bekommen sie dort bezahlt.

Ein anderer wichtiger struktureller Unterschied besteht darin, dass die Entsorgungswirtschaft in Deutschland stark technisiert, in Kapstadt aber bewusst als arbeitsintensiver Wirtschaftszweig organisiert ist. Dort werden die im Stadtgebiet getrennt erfassten Wertstoffe in Sortierzentren in einer größeren Sortiertiefe als in Deutschland aufbereitet und lokal ansässigen Verwertungsbetrieben zugeführt. Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen hat soziale Integration einen hohen Stellenwert: Geringqualifizierte haben zum Beispiel in Sortieranlagen die Chance zum Erwerb von niedrigschwelligen Qualifikationen.


Deponien und Recycling

Siedlungsabfälle landen in Kapstadt auf Mülldeponien; die Müllverbrennung ist rechtlich untersagt. Die Deponie Visserhok, eine der wichtigsten Entsorgungsanlagen der Stadt, hat ein Multibarrierensystem – unterteilte Ablagerungsbereiche, Eingangskontrolle, Dokumentation der eingebauten Abfälle –, das die gleichen Standards aufweist wie deutsche Deponien. Allerdings wird hier keine Gaserfassung und -verwertung durchgeführt. Probleme bereitet eine Flächennutzungskonkurrenz der Deponie mit schnell errichteten Siedlungen.

Angesichts der immer knapper werdenden Deponiefläche zielen viele Kapstädter Maßnahmen auf die Verringerung der Restmüllmenge. Programme zur Abfallminderung und -vermeidung und die Erhöhung der Recyclingraten für Papier, Glas, Metall und Kunststoffe sowie die Kompostierung der Grünabfälle sind die wichtigsten Projekte (zu Beispielen für innovative Projekte siehe Kasten).

In Kapstadt gibt es 20 Wertstoffhöfe, die zumeist von privaten Entsorgungsbetrieben im Auftrag der Stadt geführt werden. Dort können die Bürger kostenlos Abfälle getrennt abgeben; zum Teil werden sie auch von Recyclingfirmen getrennt. Auffallend ist die sehr gute Sortierqualität der angelieferten Wertstoffe und die Sortiertiefe; beispielsweise werden Kunststoffflaschen nach Farben getrennt. Je besser sortiert ist, desto höher ist der Verkaufswert.

Auch in informellen Siedlungen gibt es Projekte zur Mülltrennung. Aufgrund der engen Bebauung ist der Einsatz von Fahrzeugen oftmals nicht möglich. Deshalb sind einzelne Bewohner des Viertels mit dem Einsammeln von Abfällen und Wertstoffen beauftragt und erhalten dafür eine Entlohnung.

Ein weiteres erfolgreiches Projekt sind die sogenannten Swop Shops. Privatleute sammeln Kunststoffe (Flaschen, Folien, Eimer, Gartenstühle usw.), geben diese in den Swop Shops ab und erhalten dafür Wertmarken, die sie gegen Dinge des täglichen Lebens und Nahrungsmittel eintauschen können. Mitarbeiter sortieren und verpacken die Kunststoffabfälle und verkaufen sie an eine Recyclingfirma weiter. Von dem Geld wird die Ware für den Eintausch der Wertmarken gekauft.

Diese Initiativen sorgen dafür, dass Abfall auch in problematischen Gebieten ordnungsgemäß gesammelt wird. Durch Sortierung wird die zu deponierende Menge verringert. Gleichzeitig entstehen Verdienstmöglichkeiten.

Auch die Aufklärungsarbeit über den richtigen Umgang mit Abfällen, Abfalltrennung und Abfallvermeidung spielt in Kapstadt eine bedeutende Rolle. Ein Team von Mitarbeitern erarbeitet Programme für Schulen, Universitäten und viele andere Zielgruppen und führt diese durch.


Resümee

Das Austauschprojekt hat beiden Seiten neue Ideen und Anregungen für die Arbeit in der eigenen Kommune gebracht. Viele Ansätze sind für beide Städte nützlich. Die Kapstädter wollen zum Beispiel den Einsatz von Recyclingprodukten bei Aufträgen der Stadtverwaltung vorantreiben. Temporäre Erfassungssysteme wie Grünschnittcontainer oder mobile Schadstoffsammlungen sollen auf ihre Übertragbarkeit geprüft werden. Umgekehrt will Aachen Initiativen und Ideen der Abfallpädagogik übernehmen, etwa Papierschöpfen oder Upcyclingprojekte. Dazu sind gemeinsame Workshops geplant. In Kapstadt besteht zudem Interesse am Konzept des Aachener Beratungsmobils. Der Austausch soll in einer neuen Projektphase fortgesetzt werden.


Regina Brück ist Sachbereichsleiterin Abfallberatung bei der AWA Entsorgung GmbH.
info@awa-gmbh.de

Hermann-Josef Ostlender ist Abteilungsleiter Kundenservice bei der AWA Entsorgung GmbH.

Mona Plate begleitet das Projekt „Voneinander lernen – für eine nachhaltige Stadt!“ für die Stadt Aachen.
mona_plate@web.de

Gabriele Schütz-Lembach ist bei der Stadt Aachen für das Projekt zuständig .

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