Konflikte

Lehren ziehen

Die Instabilität im Nordkaukasus begann in Tschetschenien. Be­son­ders das Jahr 2009 war von Gewalt geprägt. Um eine Lösung zu finden, sollte Mos­kau westliche Hilfe an­nehmen, argu­mentieren deutsche Wissenschaftler.

Im Jahr 2000 erklärte Russland den Krieg in Tschetschenien für beendet. Dennoch hält die Gewalt bis heute an. Die Problematik hat sich verschärft, seit Rebellen sich statt auf säkularen Nationalismus zunehmend auf radikalen Islamismus berufen. Das schreibt Regina Heller im Friedensgutachten 2010, das von fünf deutschen, auf Friedens- und Konfliktforschung spezialisierten Instituten herausgegeben wird. Von Tschetschenien aus habe sich die Gewalt in die Nachbarschaft verlagert. Heute, so die Autorin, seien viele der nordkaukasischen Teilrepubliken instabil und kämpften mit Sicherheitsproblemen. „Seit Herbst 2008 hat sich die Lage im östlichen Nordkaukasus wieder zugespitzt”, schreibt Heller.

Um den Konflikt zu lösen, brauche Russland eine völlig neue Strategie, um die „Politik der harten Hand“ abzulösen. Militärische Schritte im „Kampf gegen den Terror“ seien nicht erfolgreich gewesen. Bis heute finanziert Moskau 75 Prozent der Regierungshaushalte im Nordkaukasus, aber langfristiger Erfolg werde sich erst einstellen, wenn das Geld wirklich die Menschen erreiche und nicht nur die regionalen Verwaltungsbehörden. Der Westen dagegen müsse verstehen, dass Russland Hilfe von außen nicht traut. Um dieses Vertrauen zu gewinnen, rät Heller den westlichen Regierungen, Präsident Medwedews Anstrengungen zur Verbesserung der Regierungsführung in der Region zu unterstützen.

Es gelte eine Entwicklungspolitik zu entwerfen, um die sozioökonomischen Bedingungen in der Region zu verbessern. Die beiden Bürgerkriege (von 1994 bis 1996 und von 1999 bis 2000), in denen die Tschetschenen um ihre Unabhängigkeit von Russland kämpften, hätten den Nährboden für den religiösem Extremismus bereitet – einen relativ neuen Trend in der Region. Hellers Ansicht nach wurzelt die Zunahme des religiösen Islamismus nicht nur in der Ideologie. Auch lokale Motive wie Territorialstreitigkeiten, die Schließung von Moscheen, Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch Militär und Polizei zählt sie zu den Ursachen. Wenn sich die soziale und ökonomische Situation in der Region nicht ändere und die politischen Institutionen weiter versagten, könne der religiöse Extremismus weiter Boden gewinnen.

Ein anderer Staat mit großen Problemen ist Tadschikistan, das erst 1991 unabhängig wurde und dann von 1992 bis 1997 einen Bürgerkrieg durchmachte. Wie in vielen zentralasiatischen Ländern legitimieren hier verschiedene ethnische, kulturelle, wirtschaftliche, religiöse und politische Gruppierungen ihre Machtansprüche über die Region, Familien- und Clanverbindungen. Unter solchen Umständen ist es wichtig, einen institutionalisierten Ausgleich ethnischer und regionaler Interessen zu fördern, argumentiert Arne C. Seifert im gleichen Buch. Es reiche nicht, dass Bemühungen von außen sich darauf konzentrierten, durch eine Aufteilung der Macht Frieden zu schaffen. Wie in Tschetschenien sei es zentral, die spezifischen Umstände des Konflikts zu berücksichtigen. Anders könne es keinen dauerhaften Frieden geben. (alh)

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