Nahrungsmittelhilfe

Lob und Tadel durch FAO

Die internationale Nahrungsmittelhilfe hat viele Mängel, sie ist insgesamt aber besser als ihr Ruf. Zu diesem Ergebnis kommt die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in ihrem neuen Jahresbericht, den sie Ende Januar vorlegte (State of Food and Agriculture 2006). Es gebe kaum empirische Belege dafür, dass Nahrungsmittelhilfe die Empfänger abhängig macht und ihre Selbsthilfekräfte schwächt, heißt es in dem Bericht. Andererseits lieferten Hilfsorganisationen in Notsituationen häufig zu schnell Nahrungsmittel, ohne zu prüfen, ob andere Instrumente möglicherweise besser helfen würden.

Laut FAO leiden heute weltweit etwa 850 Millionen Menschen Hunger, genauso viel wie Anfang der 1990er Jahre. Das ist ein Teilerfolg, weil die Weltbevölkerung seitdem um 20 Prozent gewachsen ist. Allerdings hat sich laut FAO die Zahl akuter Hungerkrisen jährlich in den letzten zwanzig Jahren von durchschnittlich 15 auf über 30 verdoppelt; das Wachstum geht ausschließlich auf Afrika zurück, wo sich die jährlichen Notfälle verdreifacht haben. Gleichzeitig hat die Nahrungsmittelhilfe als Instrument zur Krisenintervention stark an Bedeutung verloren. Laut FAO machten Hilfslieferungen Anfang der 1990er Jahre in 38 Ländern mehr als fünf Prozent des Nahrungsmittelangebots aus; zehn Jahre später galt das nur noch für 21 Länder. Die aktuellen Hilfslieferungen entsprächen lediglich zwei Prozent des Weltgetreidehandels und weniger als einem halben Prozent der Weltproduktion.

Die Praxis internationaler Nahrungsmittelhilfe hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, urteilt die UN-Organisation mit Sitz in Rom. Dennoch gebe es weiterhin viele Mängel, die die Ursache dafür seien, dass Nahrungsmittelhilfe häufig wenig effizient sei. So stammten etwa 50 Prozent der internationalen Hilfslieferungen aus Überschüssen der Geber und dürften nur von einheimischen Unternehmen verarbeitet und verschifft werden (Lieferbindung); nur 15 Prozent der Hilfsgüter würden lokal in den Krisenregionen gekauft. Rund ein Viertel der Hilfe werde nicht direkt an die Bedürftigen verteilt, sondern in den Empfängerländern auf Märkten verkauft (Monetarisierung). Die FAO spricht sich dafür aus, sowohl die Monetarisierung als auch die Lieferbindung vollständig abzuschaffen. Das würde die Kosten senken und die Zielgenauigkeit von Nahrungsmittelhilfe erhöhen.

In den meisten Krisensituationen leiden Menschen nicht deshalb Hunger, weil es keine Nahrungsmittel gibt, sondern weil sie keinen Zugang zu ihnen haben – zum Beispiel, weil sie kein Geld haben oder der nächste Markt unerreichbar ist. In solchen Fällen sei es besser, Straßen zu bauen und Bargeld oder Gutscheine zu verteilen statt Nahrungsmittel. Der Bericht kritisiert, für viele Hilfsorganisationen sei Nahrungsmittelhilfe die „Standardantwort“ auf Hungerkrisen. Im internationalen Krisenmanagement mangele es an Analysen und Kenntnissen sowohl über die Ursachen von Hunger als auch über die dringendsten Bedürfnisse der Betroffenen und ihre eigenen Strategien zum Umgang mit Mangel. In der Praxis gebe es eine Kluft zwischen Nothilfe und langfristig orientierter Entwicklungshilfe. Allerdings versuchen Hilfsorganisationen diese Kluft durch Ansätze wie „entwicklungsorientierte Nothilfe“ oder „Linking Relief, Rehabilitation and Development“ (LRRD) zu schließen. (ell)

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