Wasserversorgung

Geldfragen

Allen Menschen bis 2030 sauberes Wasser und Sanitärversorgung verfügbar zu machen, ist das sechste Nachhaltigkeits-Entwicklungsziel (Sustainable Development Goal – SDG). In Malawi, einem Binnenland mit 17 Millionen Einwohnern, muss noch viel geschehen. Erfolg hängt vom Geld internationaler Geber ab, die aus gutem Grund Mittel nur noch über regierungsunabhängige Organisationen ins Land fließen lassen.
Viele Menschen holen ihr Trinkwasser aus Flüssen. Arjen van de Merwe/Lineair Viele Menschen holen ihr Trinkwasser aus Flüssen.

Malawi ist eins der ärmsten Länder der Welt. Der Weltbank zufolge betrug die Wirtschaftsleistung pro Kopf 2015 lediglich 340 Dollar und etwas mehr als die Hälfte aller Einwohner lebte unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Malawi hat seit der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht 1964 keinen ernsthaften militärischen Konflikt erlebt. Dennoch bleibt die ökonomische und soziale Entwicklung enttäuschend. Viele Malawier sind zu Armut verurteilt. Experten machen die Politik für  wirtschaftliche und soziale Probleme verantwortlich, und die meisten Malawier sehen das auch so. Zugang zu sauberem Wasser und ausreichender Sanitäreinrichtungen haben längst nicht alle.


Tiefe Frustration

„Wie kann ein Land das Ziel erreichen, wenn seine Politiker die Leute bestehlen, denen zu helfen sie vorgeben?“, fragt sich Alexander Phiri. Der Vater von drei Kindern lebt in Mtandile, einem Slum im Zentrum der Hauptstadt Lilongwe. Die meis­ten Menschen hier haben weder Zugang zu sauberem Wasser noch zu richtigen Toiletten. Sie holen ihr Wasser aus Brunnen, die nicht sicher sind. Wasserkioske verkaufen zwar Trinkwasser, doch die Preise sind für die meisten Familien unerschwinglich. 

Schuldig sind in Phiris Augen die Politiker. „Sie stehlen Steuergelder auf Kosten der Armen.“ Der Familienvater bezieht sich auf den „Cash-Gate“ genannten Skandal von 2013, als bekannt wurde, dass Kabinettsmitglieder und deren Partner sich mit Millionen Dollar aus der Staatskasse bereicherten. Als Konsequenz stoppten multilaterale und bilaterale Geldgeber wie die EU, die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, Deutschland, Norwegen, die USA, Britannien und andere die Budgethilfe, mit der sie den malawischen Staatshaushalt unterstützt hatten. Zusammen hatten sie etwa 40 Prozent des Haushalts finanziert.

Das Ende der Budgethilfe hatte ernsthafte Auswirkungen auf Bildungs- und Gesundheitswesen, einschließlich der Wasser- und Sanitärversorgung und Hygiene (water, sanitation and hygiene – WASH). Die größten Versorgungslücken sind wahrscheinlich in der Sanitärinfrastruktur aufgerissen. Das Wort „Toilette“ klingt schmutzig, sodass Politiker sich lieber mit anderen Themen profilieren. Weil Malawis Institutionen nie große Summen in diesen Bereich investiert haben, ist Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) hier besonders wichtig. Im Finanzjahr 2014/15 betrugen die Regierungsausgaben hierfür nur 1,1 Millionen Dollar.

Gesundheitsminister Peter Kumpalume zufolge hat die Regierung nicht das Geld für alle notwendigen Sanitärprogramme. Die Folgekosten beziffert er allerdings auch auf 12 Millionen Dollar, die nur deshalb für Medikamente gebraucht würden, weil sich Krankheiten wegen ungenügender sanitärer Einrichtungen verbreiteten. Kumpalume setzt in dieser Angelegenheit auf nichtstaatliche Organisationen (non-governmental organisations – NGOs). Er nennt sie „Partner, die mit uns arbeiten, um die Probleme der Sanitärversorgung zu lösen.“ 

Tatsächlich engagieren sich in vielen Dörfern Malawis zivilgesellschaftliche Organisationen in WASH-Angelegenheiten. United Purpose (UP), eine internationale NGO, die früher Concern Universal hieß, hat beispielsweise von der Britischen Regierung und UNICEF Geld für WASH-Programme in den Distrikten Kasungu und Dowa bekommen. 420 000 Menschen leben dort, und in 1800 Dörfern müssen die Menschen sich nun nicht mehr im Freien – ohne Toilette – entleeren.

Laut Heather Campbell, UP-Managerin in Malawi, wurden 714 Brunnen gegraben, von denen 42 Schulen versorgen. Campell sieht, was Sanitärversorgung und Hygiene angeht, „bemerkenswerten Fortschritt“, seit die NGO 2013 die Arbeit aufnahm.  

Es gibt in der Tat langfristigen Fortschritt. Laut der internationalen NGO WaterAid nutzten 2012 bereits 88 Prozent der malawischen Bevölkerung einfache und zehn Prozent technisch ausgereifte Toiletten. Von 1990 bis 2012 sank der Anteil der Menschen, die sich im Freien entleeren, von 19 Prozent auf 7 Prozent. Der Finanzierungsengpass nach Cash-Gate hat die Entwicklung aber gebremst. Heute kommt rund 80 Prozent des Geldes, das in den WASH-Sektor investiert wird, über internationale und lokale NGOs von internationalen Gebern.   

Persönliche Hygiene ist selbstverständlich auch wichtig. Nur 37 Prozent der Bevölkerung praktizieren sie Studien zufolge in ausreichendem Maß. Laut WaterAid haben nur vier Prozent der Schulen Malawis Waschbecken und stellen Seife bereit. Auch in anderen öffentlichen Einrichtungen wie Märkten und selbst Gesundheitseinrichtungen sind Hygienestandards niedrig.


Gesamtafrikanische ­Herausforderung

Malawi hat internationale Abkommen unterzeichnet, um die Entwicklung in Sachen WASH voranzubringen. Am prominentesten ist die UN Agenda 2030 mit den SDGs. Es gibt aber auch afrikanische Übereinkommen. Minister der AU-Länder verabschiedeten 2008 in Südafrika die eThekwini Declaration und 2014 als Folgeabkommen im Senegal die Ngor Declara­tion. Malawi hat beide unterschrieben.

Laut eThekwini Declaration sollen AU-Mitglieder jährlich 0,5 Prozent des Bruttosozialprodukts für den Ausbau der Sanitärversorgung aufwenden. Viele Länder taten das nicht. Die Ngor Declaration forderte daraufhin, dass 2030 allen Afrikanern Sanitäreinrichtungen zur Verfügung stehen sollen. Bemerkenswerterweise hat sich die AU dieses Ziel gesetzt, noch bevor die SDGs beschlossen wurden.

Malawi investiert immer noch keine 0,5 Prozent des Bruttosozialprodukts in seine Wasserinfrastruktur. Fairerweise muss gesagt werden, dass das Land kürzlich eine verheerende Dürre erlebt hat. WaterAid kritisiert aber, dass das für Bewässerung und Wasserentwicklung zuständige Ministerium keinen Etatposten für Sanitäres und Hygiene hat. Solch einen Haushaltsposten hat nur das Gesundheitsministerium – für kurative, jedoch nicht für präventive Maßnahmen.

Auch im urbanen Raum muss viel passieren. Malawis größte Städte, Lilongwe und Blantyre, haben je knapp über eine Million Einwohner, und ihre Bevölkerung wächst schnell. In Lilongwe sind nur 20 Prozent der Haushalte an Abwasserleitungen und Kläranlagen angeschlossen, in Blantyres sogar nur zehn Prozent. Die städtische Kanalisation  entstand in den 1950er Jahren unter Kolonialherrschaft.

Bislang wird Abwasser aus Privathaushalten und Gewerbe in die Flüsse geleitet, aus denen sich Tausende von Großstädtern ihr Wasser holen. Weil das Kanalsystem völlig überlastet ist, ist zudem das Grundwasser kontaminiert – und somit die Brunnen, von denen viele abhängen. Deshalb sind durch Wasser übertragene Krankheiten so verbreitet. Ohne ordentliche Sanitäranlagen ist sichere Versorgung mit Trinkwasser nun mal unmöglich.   

In beiden Städten wurden im Januar 2017 neue Bürgermeister gewählt. Beide haben versprochen, den Ausbau der Sanitärversorgung voranzubringen. Wo sie die Mittel für diese gewaltigen Infrastrukturinvestitionen herbekommen, bleibt abzuwarten.


Raphael Mweninguwe ist freier Journalist in Malawi.
raphael.mweninguwe@hotmail.com

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