Wahlen in Pakistan

Pakistan benötigt Konkretes statt Rhetorik

Die Parlamentswahlen in Pakistan am 8. Februar fanden inmitten politischer Unruhen statt. Vorwürfe des Wahlbetrugs werden erhoben. Dennoch hat sich inzwischen eine Koalition gebildet, die vor enormen Herausforderungen steht – insbesondere was die Stabilisierung der Wirtschaft und das Katastrophenmanagement angeht.
Empörte Imran-Khan-Anhänger Mitte-Februar in Rawalpindi.   picture-alliance/Pacific Press/Raja Imran Bahader Empörte Imran-Khan-Anhänger Mitte-Februar in Rawalpindi.

Die neue Koalition gilt als schwach und entspricht weitgehend der alten. Premierminister ist wieder Shehbaz Sharif, der blassere Bruder des charismatischen Nawaz Sharif, der schon mehrmals Regierungschef war. Ihre PML-N (Pakistan Muslim League-Nawaz) koaliert nun erneut mit der Erzrivalin PPP (Pakistan People’s Party) sowie mehreren kleinen Parteien. Vorsitzender der PPP ist Bilawal Bhutto-Zardari, der Sohn von Pakistans erster und bislang einziger Premierministerin Benazir Bhutto, die 2007 im Wahlkampf ermordet wurde. Asif Zardari, der Co-Vorsitzende der PPP, ist zum zweiten Mal zum Präsidenten des Landes gewählt worden.

Das Bündnis hatte im Wahlkampf einen schweren Stand. Der populistische Ex-Premier Imran Khan wurde zwar in der Woche vor der Wahl wegen Korruption und Verrat von Staatsgeheimnissen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, bleibt aber beliebt. Das oberste Gericht untersagte den Kandidat*innen seiner PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf), für diese Partei anzutreten, weil interne Wahlen nicht regelkonform durchgeführt worden waren. Sie traten aber als Unabhängige an und gewannen zahlreiche Sitze in drei von vier Provinzparlamenten.

Direkt nach den Wahlen hagelte es Kritik von verschiedenen Parteien und ausländischen Regierungen. Bei Protesten der PTI, die von Wahlbetrug zu ihren Ungunsten sprach, wurden zahlreiche Demonstrierende festgenommen, darunter bekannte politische Persönlichkeiten. Das Free and Fair Election Network (FAFEN) meldete ebenfalls Zweifel an und kritisierte Verzögerungen bei der Bekanntgabe der Ergebnisse. Es vereint Organisationen der Zivilgesellschaft.

Das Mandat des neuen Parlaments ist schwach, denn die Wahlbeteiligung sank um weitere fünf Punkte auf nur noch knapp 47 Prozent. Dass die Regierung Internet und Mobilfunk am Morgen des Wahltags abschalten ließ, erschwerte es den Menschen, zur Wahlkabine zu kommen, denn nicht wenige nutzen digital betriebene Services wie Uber.

Zur niedrigen Wahlbeteiligung trug sicherlich auch die fragile Sicherheitslage bei. Bereits im Vorfeld hatten Terroranschläge in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa Todesopfer gefordert. Für manche der Angriffe zeichnete die Terrormiliz ISIS verantwortlich, die die demokratische Entwicklung Pakistans gezielt sabotiert. Die Gewalt setzte sich während der Wahlen fort. Ein einflussreicher Politiker der Partei National Democratic Movement (NDM) wurde schwer verletzt.

Innere Sicherheit ist nur eines der Themen, um die sich die neue Koalition dringend kümmern muss. Sie muss zudem die Inflation in den Griff bekommen und die Wirtschaft stabilisieren. Außerdem gilt es, das Land besser auf die starken Regenfälle der kommenden Monsunzeit vorzubereiten, vor allem im Hinblick auf Katastrophenschutz und Stromausfälle. Pakistan sieht sich vermehrt unberechenbaren Klimafolgen ausgesetzt. Die Luftverschmutzung ist besonders in den Großstädten ein großes Problem. Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur sind schwach.

Die PML-N versprach in ihrem Wahlprogramm neben Wirtschaftsreformen und besserer Stromversorgung auch die Förderung diverser Sektoren wie IT, Landwirtschaft, Tourismus und Elektrofahrzeuge. Die PPP setzte Schwerpunkte bei Bildungspolitik und erneuerbaren Energien. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die neue Regierung die Erwartungen wird erfüllen können. Beim Anteil von Frauen in Topposi­tionen gelang ihr das schon mal nicht. Nur eine einzige Ministerin schaffte es in das 21-köpfige Kabinett. Auch in den Kabinetten der Provinzen ist Geschlechterparität nicht gegeben.

Pakistans Bevölkerung ist durch die anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage und zahlreiche Naturkatastrophen schwer gebeutelt. Vor dem Hintergrund neuer, verheerender Überflutungen in Belutschistan haben viele die politische Rhetorik auf den Nachrichtenkanälen satt. Die Regierung muss die Probleme anpacken. Sonst scheitert sie an ihrer Hauptaufgabe: vielen enttäuschten Bürger*innen neues Vertrauen in demokratische Institutionen zu geben.

Marva Khan ist Assistenzprofessorin für Recht an der LUMS (Lahore University of Management Sciences) und Mitbegründerin des Pakistani Feminist Judgments Project.
marva.khan@lums.edu.pk

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