Kommentar

Mali wartet

Islamistische Milizen und ihre Unterstützer aus dem Drogen- und Waffenschmuggel halten den Norden Malis fest im Griff. Nur ein internationaler Militär­einsatz mit UN-Mandat kann sie vertreiben.

Von Peter Hille

Bis Ende November soll die West­afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) einen Plan vorlegen, wie Nord-Mali von islamistischen Milizen befreit werden soll. Dann will der UN-Sicherheitsrat einen Militäreinsatz afrikanischer Truppen in Mali autorisieren, wie er am 12. Oktober bekannt gab. Der Haken an der Sache ist, dass er ebendies schon mehrfach angekündigt hat: am 21. September, am 10. August, am 5. Juli und am 18. Juni.

Die ECOWAS ist grundsätzlich bereit, 3300 Soldaten nach Mali zu entsenden, um Ansar Dine und andere Milizen zu vertreiben, die im Frühjahr im Norden die Macht ergriffen haben. Die UN fanden die Einsatzpläne bisher jedoch nicht überzeugend. Zu unklar seien die Ziele, zu vage die Ideen. Relevant sind sicherlich auch beklemmende Erinnerungen an Verbrechen von ECOWAS-Soldaten, die in den 90er Jahren in Liberia eingesetzt waren. Andererseits hat aber ein internationaler Mili­tär­­einsatz mit UN-Mandat das Erstarken der Islamisten in Mali erst möglich gemacht. Ohne den Krieg in Libyen wären sie wohl nicht so leicht an Waffen und schweres Gerät gelangt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnt zu Recht vor den humanitären Folgen eines Militäreinsatzes, Flüchtlingsströmen und ausbleibender Hilfe, die nicht mehr ins Kriegsgebiet vordringen würde. Die Katastrophe, die er verhindern will, ist aber längst da. Hunderttausende haben ihre Heimat verlassen. Wer geblieben ist, lebt nun unter dem Terrorregime der Islamisten.

Die Fundamentalisten verbieten Musik, Tanz und Sport. Sie zerstören Moscheen und andere Heiligtümer, die von einer alten Kultur islamischer Mystik geprägt sind, die ihnen nicht gefällt. Die neuen Machthaber trennen mutmaßlichen Dieben die Hände ab und steinigen, wen sie für Ehebrecher halten. Sie rekrutieren Heranwachsende als Soldaten und blockieren humanitäre Hilfe.

Unterstützt von Drogen- und Waffenschmugglern nutzten die Islsamistischen Milizen das Machtvakuum nach dem Armeeputsch vom 21. März, um die Kontrolle im Norden an sich zu reißen. Sie besiegten bald darauf auch die Tuareg-Rebellen, mit denen sie sich zunächst verbündet hatten.

Selbstverständlich sollten nun alle Anstrengungen unternommen werden, die Lage im Norden Malis zunächst durch Verhandlungen zu verbessern. Selbstverständlich wäre es auch gut, die malische Armee würde – mit Unterstützung von Militärberatern – den Norden selbst befreien. Aber in Mali trauen die wenigsten ihrem Staat zu, den Norden zurückzugewinnen, ob am Verhandlungstisch oder mit Gewalt.

Die Regierungen reicher Industrieländer schrecken vor dem Einsatz eigener Sodaten mittlerweile zurück. Deshalb gibt es zum Eingriff von ECOWAS und Afrikanischer Union nur eine Alternative: die Fundamentalisten gewähren lassen. Der Sicherheitsrat muss realistisch entscheiden und darf das Handeln der Nachbarn Malis, die Verantwortung übernehmen wollen, nicht endlos hinauszögern. Für die Entscheidungsträger ist die Situation sicherlich schwierig, aber für die Menschen in Nord-Mali ist sie noch viel schwieriger.

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