Staatliches Finanzmanagement

Auf der Überholspur

Ruanda bemüht sich seit einigen Jahren darum, sein öffentliches Finanzmanagement – einen schwierigen wie bedeutenden Sektor – zu stärken. Die Reformen verlaufen ungewöhnlich erfolgreich.


Von Stephan Klingebiel und Timo Mahn

Die Reformen in Ruanda gehen in einem erstaunlichen Tempo vonstatten. Innerhalb weniger Jahre hat das Land sein öffentliches Finanzmanagement (Public Financial Management/PFM) erheblich verbessert, wie die jüngste PEFA-Analyse zeigt. PEFA steht für Public Expenditure and Financial Accountability.

Die Impulse kommen aus dem Land selbst, die Geber unterstützen es bei der Mobilisierung der Reformkräfte. Ruandas Führungsrolle wird dabei nicht in ­Frage gestellt. Das ostafrikanische Binnenland ist diesbezüglich ein ungewöhnliches Beispiel.

Dennoch rangiert Ruanda weiterhin unter den ärmsten Ländern Afrikas. Bis zum Jahr 2020 will das Land zur Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen zählen („country in a hurry“). Die Spielräume für soziale und wirtschaftliche Investitionen sind extrem begrenzt: Bei einem öffentlichen Haushalt von rund 1,2 Milliarden Euro auf zehn Millionen Einwohner verfügt das Land über die finanziellen Möglichkeiten einer mittelgroßen deutschen Gemeinde.

Etwa 50 Prozent dieses Haushalts sind geberfinanziert – und davon stammt die Hälfte aus direkter Budgethilfe. 46 Prozent des Budgets stammen aus Steuern, der Restbetrag aus nichtsteuerlichen Einnahmen (Gebühren, Strafen etc.) und Schuldverschreibungen (treasury bills). In den letzten Jahren beeinträchtigte die globale Finanzkrise die ruandischen Steuereinnahmen. Mitte 2010 gingen sie weiter in den Keller, als die Handelssteuereinnahmen im Zuge des neu eingeführten gemeinsamen Außenzolltarifs der Ostafrikanischen Gemeinschaft sanken. Seither haben sich die internen Einkünfte wieder erholt. Ein funktionsfähiges öffentliches Finanzmanagement ist daher zentral, damit das Land diese Mittel effizient und wirksam einsetzen und weitere Mittel – zunehmend auch Privatinvestitionen – anwerben kann.

Ruandas Entwicklung ist von folgenden Faktoren geprägt:
– „Doppelte EZ-Strategie“: Die ruandische Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass es nur vorübergehend externe Hilfe empfangen will. Mittel- und längerfristig will sich das Land aus der starken Geberabhängigkeit befreien. Im Sinne der Pariser Erklärung und des Aktionsplans von Accra wird aktiv für die Nutzung nationaler Systeme etwa durch Budgethilfe geworben, um die eigenen Verwaltungskapazitäten durch Nutzung anstelle von Umgehung nachhaltig zu stärken.
– Aufbau und Leistungssteigerung des öffentlichen Finanzmanagements waren in den letzten Jahren zen­trale Anliegen der ruandischen Regierung. Sie geht davon aus, dass Sektorpolitiken nur erfolgreich sein können, wenn verlässliche Finanzmanagementstrukturen bestehen. Die PFM-Reformagenda wurde dem Land nicht auferlegt, sondern von der ruandischen Regierung und Administration selbst entwickelt.
– Budgets und Budgetverantwortung werden zunehmend auf die in 30 Distrikten organisierten Kommunen verlagert. Daher müssen auf subnationaler ­Ebene entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden. Rund 30 Prozent des nationalen Budgets stehen den Distrikten zur Verfügung, womit Ruanda zu den Spitzenreitern in Afrika zählt. Der Ausbau der subnationalen PFM-Kapazitäten ist wichtig für eine fiskalische Dezentralisierung.

Die Regierung sieht die sicht- und messbaren PFM-Erfolge der vergangenen Jahre als Beleg dafür, dass die Partner nationale Systeme nutzen können und sollen. Gleichwohl ist hier Überzeugungsarbeit nötig: Zwischen 2005 und 2010 hat sich der Anteil an Partnern, die die ruandischen Systeme nutzen, von 39 auf rund 50 Prozent erhöht. Mit anderen Ländern verglichen ist das zwar beachtlich, aber die Regierung erwartet mehr. Geber tun sich nicht immer leicht, ihre Zusagen (Pariser Erklärung, Aktionsplan von Accra) umzusetzen.

Ungünstige Ausgangslage

Dabei war die Ausgangslage für die PFM-Reformen in Ruanda alles andere als günstig. Normalerweise bestehen zu Beginn eines solchen Reformprogramms grundlegende Verwaltungsstrukturen, auf die man dann aufbaut. In Ruanda gab es nach dem Genozid von 1994 hinsichtlich Verwaltung und institutionellen Wissens so gut wie gar nichts. Noch im Jahr 2007 waren nur geschätzte zwanzig ausgebildete Rechnungsprüfer im Land – und lediglich sechs von ihnen waren ruandische Staatsbürger.

In den letzten Jahren hat sich das Land bewusst von der traditionell frankophonen zentralistischen Verwaltungstradition distanziert und einen anglophonen Ansatz mit „checks and balances“ und Parlamentsautorität eingeführt. Zentrale Institutionen wie eine autonome Steuerbehörde und ein unabhängiger Rechnungshof mussten erst geschaffen werden.

Die 28 Indikatoren des PEFA-Analyserahmens sind international vergleichbar. Deshalb hat die Gebergruppe 2005 PEFA unter Federführung der Weltbank eingeführt. 2006 und 2007 wurde erstmals eine PEFA-Analyse in Ruanda durchgeführt. Das war ein Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen PFM-System. Der „Goldstandard“ PEFA erlaubte es Regierung (und Gebern), Qualität und Leistungsfähigkeit des eigenen, neuen PFM-Systems international zu verorten und Defizite offenzulegen. Dadurch wurden die inneren und äußeren Reformkräfte, die sich auf ein umfassendes Reformprogramm einigen konnten, gestärkt (PFM-Reformstrategie 2008–2012/13).

Eine Folgeanalyse im Dezember 2010 zeigte, was die Reformbemühungen gebracht haben: Ruanda hat sich in allen Phasen des Budgetzyklus – Budgetplanung, Durchführung, Kontrolle und Berichterstattung – verbessert und wurde bei 18 von 28 Indikatoren gut bis sehr gut bewertet. Anders als in anderen Ländern hat Ruanda besonders auch bei der externen Kontrolle Fortschritte gemacht. Was sich aber auch zeigte: Die Gebergemeinschaft hat sich hinsichtlich der drei Indikatoren zum Geberverhalten kaum verbessert – und zwar weder bei der Nutzung nationaler Systeme noch bei der Bereitstellung von Informationen zu EZ-Projekten als wichtige Einflussfaktoren der ruandischen Haushaltsplanung.

Gründe für den Erfolg

Bei Ruandas Erfolg spielen mehrere Faktoren zusammen:
– Hohe Eigenverantwortlichkeit (ownership) der Regierung im gesamten Reformprozess. Bei vielen PFM-Reformprogrammen in Subsahara-Afrika gibt es weitgehend standardisierte Reformpakete, die die Gebergemeinschaft vorantreibt, ohne die Partner­regierungen ausreichend einzubinden. Wenn Interessen der Geber – Absicherung treuhänderischer ­Risiken o. ä. – über die der Partnerländer gestellt werden, ist das langfristig von Nachteil. Oft wird auch zu viel von den jeweiligen Reformprogrammen erwartet. Statt vorhandene Systeme auszubauen und zu stärken, wird nicht selten ein radikaler Systemwechsel angestrebt, der das öffentliche Finanzwesen – etwa mit Finanzinformationssystemen (IFMIS) – in wenigen Jahren auf modernste Standards bringen soll. In Ruanda war die grundlegende Neufassung des öffentlichen Finanzwesens eine nicht von den Gebern auferlegte Notwendigkeit. Da das PFM-System weitgehend zerstört war, gab es kaum Widerstände gegen die Reformen. Die Gebergemeinschaft musste somit nur auf den bestehenden Reformwillen von Regierung und Verwaltung aufbauen. Das PFM-Reformprogramm ist in Ruanda ein gemeinsames Anliegen von Gebern und Regierung.
– Fokussierung auf „einfache Gewinne“: Die ruandische Regierung wird bei wichtigen internationalen Vergleichsstudien (Doing Business Index der Weltbank, PEFA etc.) gut bis sehr gut bewertet. Die ­Reformen zielen zum Teil explizit darauf, bei maßgeblichen Erhebungsaspekten besonders gut abzuschneiden, denn das ist nicht nur für das internationale „Standing“ eines Landes relevant, sondern kann handfeste Vorteile bringen, etwa wenn es um leistungsbezogene Ansätze geht, wie etwa bei der US-Millennium Challenge Corporation (MCC).
– In internationalen Rankings gut eingestuft zu werden, schafft zudem Spielräume („reform space“) und mobilisiert Reformkräfte. Die PFM-Reformagenda in Ruanda ist eng mit der Diskussion über eine wirksamere Entwicklungszusammenarbeit verknüpft. Aufgrund der entsprechenden Selbstverpflichtungen der Geber in der Pariser Erklärung kommt auch dem Bereich PFM mehr Aufmerksamkeit zu.

Unterstützung der Geber

Ruanda will von sich aus das PFM-System kontinuierlich verbessern. Die Geber unterstützen das Land in zweierlei Hinsicht: Sie heben über den Budgethilfe-Dialog die Wichtigkeit hervor, diesen PFM-Kurs ernsthaft fortzusetzen. Dieser Dialog richtet sich nicht nur an die nationale Regierung, sondern auch an Akteure wie den Budgetausschuss des Parlamentes, den Rechnungshof, die Distrikte und zivilgesellschaftliche Organisationen.

Zudem unterstützen Geber unmittelbar die Umsetzung der PFM-Reformagenda. Gemeinsames Anliegen von Gebern und ruandischer Regierung ist es, Einzelvorhaben zu vermeiden und stattdessen einen zentralen Finanzierungsansatz (Korb) aufzubauen, in den mittlerweile alle relevanten PFM-Geber einzahlen bzw. bald einzahlen werden. Dieser wurde zudem mit einem wirksamen Steuerungsgremium (PFM Steering Committee) ausgestattet.

Deutschland hat bereits wichtige Impulse für den Prozess gegeben:
– Die Einrichtung des PFM-Korbes wurde 2008/2009 von deutscher Seite aus geberseitig koordiniert und finanziert. Die Einbindung aller relevanten PFM-Geber (neben Deutschland sind dies die Weltbank, EU, DFID sowie Schweden) hat zu mehr Harmonisierung und Transparenz geführt.
– Als erster Einzahler hat Deutschland den Korb funktionsfähig gemacht und damit anderen Gebern ein Signal gegeben.
– Die direkte Unterstützung von PEFA 2010 war wichtig, um den Prozess selbst mitzugestalten, etwa mit der Initiative, die PFM-Kapazitäten der subnationalen Ebene als einen zusätzlichen Schwerpunkt aufzunehmen.

Künftig ist es wichtig, das Erreichte zu etablieren und dauerhaft anzuwenden. Wegen seines besonderen Verlaufs ist der ruandische Reformansatz nicht genau auf andere Länder übertragbar, er kann aber wichtige Ideen und Denkanstöße geben.

In Ruanda hat sich die Durchführung von PEFA-Analysen zur Begleitung des längerfristigen PFM-Reformprozesses bewährt. Geber und Regierungen erkennen das Instrument aufgrund seiner internationalen Vergleichbarkeit sowie seiner weitverbreiteten Anwendung an. PEFA regt als Diagnoseinstrument auch dazu an, über konkrete Reformschritte nachzudenken.

Nachdem Ruanda im Jahr 2010 dabei gut abgeschnitten hat, wird nun über die „nächste Generation“ der PFM-Diagnostik diskutiert werden müssen. Die Gebergemeinschaft wird künftig kritischen Fragen nach ihrem Beitrag zur Verbesserung der Haushaltsprozesse in Ruanda ausgesetzt sein. Oft wird übersehen, dass die Geber die Qualität der Haushaltsaufstellung in Entwicklungsländern erheblich beeinflussen, indem sie beispielsweise finanzielle Mittel vorhersehbar auszahlen und damit planbar organisieren. Indem sie Informationen über Projektaktivitäten transparent machen, helfen sie, dass diese in der Haushaltsaufstellung berücksichtigt und Ungleichgewichte in der Sektorallokation vermindert werden können.

Dass nun auch bisher eher skeptischere Geberländer wie die USA und Japan budgethilfe-ähnliche Unterstützungsansätze in Erwägung ziehen, ist ein gutes Zeichen.

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