Recht

Fischer gegen Ölmulti

Vor sieben Jahren geriet die Ölbohrplattform Deepwater Horizon des britischen Energiekonzerns BP im Golf von Mexiko in Brand und ging unter. Der Unfall kostete elf Menschen das Leben und löste eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten aus. Mexikos Fischer und andere Anwohner kämpfen bis heute um Entschädigung für die erlittenen wirtschaftlichen Einbußen. Ihre Regierung hat andere Prioritäten, als die Geschädigten in ihrem juristischen Streit zu unterstützen.
2010 brannte die BP-Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko und löste eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten aus. picture-alliance/dpa 2010 brannte die BP-Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko und löste eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten aus.

An der Küste der USA, die von der Ölpest betroffen war, gab es umfangreiche Säuberungsmaßnahmen und Entschädigungen in Millionenhöhe. Doch das Ökosystem kennt keine Ländergrenzen, und die Ölpest erreichte aufgrund der Meeresströmung auch andere Gebiete, allen voran Mexiko. Über die Folgen dort ist jedoch wenig bekannt.

Mexikos Fischer verzeichneten in den Jahren nach der Katastrophe, bei der einer wissenschaftlichen Studie zufolge bis zu 2 Millionen Barrel (rund 320 Millionen Liter) Öl ausliefen, einen drastischen Rückgang der maritimen Bestände, der zum Teil bis heute anhält. Betroffen sind unter anderem Krabben, Krebse und Speisefische, die das wirtschaftliche Rückgrat der Region bilden. Die Bundesstaaten mit den größten Einbußen sind Campeche, Tabasco, Tamaulipas und Veracruz. Die nationalen Medien thematisieren das jedoch kaum.

Die Regierung des damaligen Präsidenten Felipe Calderón hat Hinweise von Wissenschaftlern auf die sich abzeichnenden ökologischen Schäden ignoriert. Es wurden auch keine rechtlichen Schritte unternommen. Möglicherweise spielten dabei kurz zuvor entdeckte weitere Ölvorkommen unter dem Meer eine Rolle, deren Ausbeutung mittels einer Ausschreibung an multinationale Unternehmen vergeben werden sollte. Es war das erste Mal, dass sich die Möglichkeit privater Investitionen im staatlichen Mineralölkonzern PEMEX auftaten.

Angesichts der Untätigkeit der Zentralregierung reichten die Bundesstaaten Tamaulipas, Veracruz und Quintana Roo vor einem US-Gericht Klage gegen BP wegen der erlittenen Schäden ein. Sie wurde 2015 mit der Begründung abgewiesen, dass die betroffenen Gebiete in die Verantwortung der mexikanischen Regierung fielen. Diese strengte ihrerseits 2013 eine Klage an. Das Verfahren läuft noch immer. Unterdessen haben sich auch die Fischer organisiert und sind vor Gericht gezogen. Die wesentliche Frage ist, ob sie beweisen können, dass die erlittenen Einbußen eine Folge der von BP verursachten Ölpest sind.

Der Arbeit mexikanischer Wissenschaftler kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Auf ihre Ergebnisse stützt sich die Anklage. Einer der beiden Autoren dieses Artikels ist Ozeanograf an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) und leitet eine Forschungsgruppe, die die Folgen zweier großer Ölkatastrophen im Golf von Mexiko untersucht hat: Eine resultierte aus einem Unfall an der Explorationsölbohrung Ixtoc von PEMEX 1979, deren Folgen noch heute im Ökosystem der Region und darüber hinaus bemerkbar sind, und die andere aus der Havarie der BP-Plattform Deepwater Horizon 2010.

Die ersten Untersuchungen fanden im Sommer 2010 statt, drei Monate nach Beginn des Ölaustritts, als der Ölteppich die mexikanische Küste noch nicht erreicht hatte. Weitere Erhebungen wurden im folgenden Jahr im Winter vorgenommen. Zu der Zeit verlaufen die Meeresströmungen Richtung Süden, so dass die Möglichkeit bestand, dass die ausgetretenen Substanzen aus dem Norden in tiefe Wasserschichten oder auch an die Küsten gelangten. Eine Untersuchung von Mikroorganismen, die in Meeressedimenten leben, im Winter 2012 ergab große Veränderungen in Bezug auf das Vorkommen von Kohlenwasserstoffen, was mit der Ölverschmutzung zusammenhängen kann.

Trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse bestreitet BP, dass die beobachteten Veränderungen auf die Deepwater-Horizon-Ölpest zurückzuführen sind. In dem Zusammenhang wirkt sich auch die fehlende Unterstützung der Regierung für die Untersuchung in den betroffenen Küstenregionen aus – die in großem Kontrast zu den enormen Ressourcen steht, die BP für seine rechtliche Verteidigung aufwendet.

In Mexiko sind kritische Stimmen laut geworden, die eine Abkehr von der fast ausschließlichen Förderung von Öl zur Energiegewinnung und stattdessen mehr Einsatz erneuerbarer Energien fordern. Das Ökosystem ist permanent bedroht, denn an den Fördermethoden hat sich seit der Ölpest vor sieben Jahren nur wenig geändert. Knapp fünf Jahre danach gab es eine Explosion an einer PEMEX-Bohrplattform in der Sonda de Campeche. Vier Menschen starben, mehrere weitere wurden verletzt. Auch wenn kein Öl austrat, verdeutlichte der Vorfall doch die Gefahr, die permanent besteht.

Im Dezember 2016 wurden die Gewinner der Ausschreibungen für Tiefseebohrungen in mexikanischen Gewässern bekanntgegeben. Zwei Ölfelder gingen an BP in Partnerschaft mit der norwegischen Statoil und der französischen Total – obwohl der Konzern bis heute keinerlei Verantwortung für die Schäden an Mexikos Küsten übernommen hat.


Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México (UNAM) und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
virmercado@yahoo.com.mx

Luis A. Soto ist Ozeanograf an der UNAM.

 

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