Krisenmanagement

Reform der Friedensmissionen

Die UN-Friedenssicherung steckt in einer selbst verschuldeten Krise, wie eine aktuelle Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ausführt. Wegen allzu ehrgeiziger Frie­dens­missionen sind die UN laut Autor Denis M. Tull nicht mehr in der Lage, die erforderlichen finanziellen Mittel, organisatorischen Kapazitäten und Per­sonalkontingente aufzubringen. Er sieht in der Krise eine Chance, die UN-Friedenssicherung effektiver zu gestalten.

Tulls Zahlen sehen auf den ersten Blick gut aus: Zwischen 2003 und 2008 stieg das Peacekeeping-Budget der UN von 2,5 auf 7,7 Milliarden Dollar, die Mitarbeiterzahl von rund 56 000 auf ­112 000. Worin also bestehen die Schwierigkeiten für die Vereinten Nationen? Tull meint, es gebe zu viele Friedensmissionen, die nicht mit entsprechenden Leitlinien und mit nur höchst unzureichenden Ressourcen ausgestattet seien. Selbst wenn eine Mission zu Ende gehe, kämen schnell neue Missionen hinzu oder es würden bestehende ausgeweitet.

Tull beanstandet, dass Missionen ergebnislos in Länder entsandt werden, wo es gar keinen Frieden zu verteidigen gibt. Der UN-Sicherheitsrat habe beispielsweise in Darfur und im Tschad den Fehler gemacht, eine Friedensmission ins Leben zu rufen, ohne dass es einen Friedensprozess gegeben hätte. Misserfolge führten aber letztlich nur dazu, dass die UN abgelehnt werden. Friedens­truppen, die in Konfliktländern stationiert würden, müssten wie auf Kampfeinsätze vorbereitet werden. Leider sei aber oft unklar, wann die Truppen eingreifen sollen – die Grenzen zwischen Friedenserhaltung und regelrechter Kriegsführung seien oft fließend.

Für Tull sind die Probleme Folgen des Missverhältnisses von verfügbaren Ressourcen und neuen Mandaten. Stehen nicht ausreichende Mittel bereit, müssen Mandate reduziert werden. Tull fordert, dass die UN Prioritäten definiert und entscheidet, welche Missionen sie wirklich erfüllen kann. Die Mandate müssten klar formulierte Ziele haben, damit Friedensmissionen sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Andere Dinge – etwa den Neuaufbau von staatlichen Institutionen – sollten die Peacekeeper dann anderen UN-Organisationen, wie dem Entwicklungsprogramm (UNDP) und der Kommission für Friedenskonsolidierung, überlassen.

Auch Partnerschaften mit der EU und anderen Organisationen sind bei der Friedenssicherung sinnvoll und nützlich, wie Tull ausführt. Er geht auf regionale Organisationen ein, die oft Konflikte in ihrem Gebiet besser verstünden als Außenseiter und die häufig handlungsfähiger seien. Da 71 Prozent der UN-Friedenstruppen in Afrika stationiert seien, befürwortet der SWP-Autor ausdrücklich die Kooperation von UN und Afrika­nischer Union (AU). Die AU habe sich sowohl eigenständig als auch zusammen mit der UN um Friedensmissionen wie beispielsweise in Darfur und Somalia ­gekümmert. Allerdings bestehe erheblicher Verbesserungsbedarf, was ihre Fähigkeiten und Ressourcenausstattung betrifft. Zu diesem Zweck hat die UN ein Zehn-Jahres-Programm für den Aufbau von AU-Kapazitäten entwickelt. Die African Peace Facility der EU bietet finanzielle Unterstützung bei der Finanzierung von AU-Friedensmissionen.

Neben klarer umrissenen Mandaten, besserem Ressourcenmanagement und dem Auf- beziehungsweise Ausbau von Partnerschaften brauchen die UN-Friedensmissionen nach Tulls Meinung auch zusätzliches, nichtmilitärisches Personal. Es gebe zahllose Möglichkeiten der Friedenssicherung auf nichtmilitärischem Wege, beispielsweise in Form spezieller Logistikleistungen oder in den Bereichen Kommunikation und Transport, aber auch durch zivile Mitarbeiter und Polizeipersonal. Die Polizei spielt für Tull eine besonders wichtige Rolle bei der Durchführung und Stabilisierung von Reformen im Sicherheitssektor. Er meint, Deutschland könne militärisch und zivil mehr Unterstützung leisten.
Andrea Herbst

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