Wohnbau

Bröckelnde Strukturen

Traditionelle Architektur ist ein Teil des nationalen Erbes. Das gilt auch für Ghanas alte Lehmhäuser, in denen bisweilen ganze Großfamilien wohnen. Viele Gebäude sind jedoch von Erosion betroffen und in einem schlechten Allgemeinzustand. Politische Entscheidungsträger sollten aktiv werden.
Wackeliges Fundament. Ofori Wackeliges Fundament.

Lehmhäuser haben eine lange Tradition in Westafrika. Zu den bekanntesten zählen die Gebäude der Dogon-Dörfer in Mali, die aus einem Erde-Stroh-Gemisch gebaut sind. Einige sind mehr als 1000 Jahre alt und als UNESCO-Weltkulturerbe besonders geschützt. Die Große Moschee von Djenné in Mali ist das größte Lehmbauwerk der Welt. Länder wie Kamerun, mit den hohen Musgum-Häusern aus sonnengetrocknetem Lehm, oder Sierra Leone, mit seinen Limba-Dörfern aus  Bambus und Lehm, zeugen vom reichen architektonischen Erbe Westafrikas.

In Ghana dienen traditionelle Lehmhäuser in Dörfern und Städten als Unterkunft für viele Haushalte. Sie prägen Altstadtstrukturen maßgeblich.

Im Süden Ghanas ist das traditionelle Lehmhaus rechteckig und meist mit Wellblech gedeckt; Lehmwände brauchen Schutz vor Regen. Im trockeneren Norden Ghanas sind die Lehmbauten meist rund und mit Stroh bedeckt. Manche dieser Häuser stammen aus der Zeit vor 1850, als die Briten ihre Kolonie hierhin ausdehnten.

Die traditionellen Strukturen werden meist als „compound houses” bezeichnet. Im Allgemeinen leben dort zwei oder mehr Haushalte, normalerweise aus der gleichen Erblinie. In den Städten im Süden gibt es sogar mehrstöckige Gebäude, in denen bis zu 20 Familien leben. Neuere Häuser sind jedoch meist zu klein für Großfamilien.

Leider sind viele traditionelle Lehmhäuser in schlechtem Zustand, weil sie kaum gepflegt werden. Viele von ihnen sind baufällig. Ein großes Problem ist, dass die Fundamente erodieren und wackelig werden. Forschungen im südlichen Waldgürtel Ghanas zeigen, dass die Fundamente vieler Gebäude offen liegen – teilweise bis zu einem Meter tief – wodurch das ganze Konstrukt ins Wanken gerät.

Wird das Haus mit Besen umfegt, verschlimmert das die Lage, denn das lockert den Boden und führt zu weiterer Erosion. Leider fallen immer wieder Lehmhäuser in sich zusammen, es gibt aber keine systematische Statistik über die Anzahl der betroffenen Häuser und Haushalte.

Erosion ist zwar vielerorts ein gravierendes Problem, aber trotzdem wissen die meisten Menschen nicht, was sie dagegen tun könnten. Manchmal hilft es beispielsweise, Gras zu pflanzen. Auch einfache Drainagesysteme sind hilfreich. Dieses Wissen muss unbedingt verbreitet werden.

Seit Zement und Sanderit genutzt werden, ist die Verwendung von Lehm zurückgegangen. An den meisten Orten werden heute unterschiedliche Baumaterialien genutzt, und Lehm gehört weiterhin dazu. "Swish", eine Mischung aus Mörtel und Lehm oder Laterit ist recht beliebt, und auch Zement und Erde werden gemischt. Das Problem mit der Erosion wird also fortbestehen, und dürfte sogar schlimmer werden, wenn der Klimawandel zu mehr oder heftigeren Regenfällen führt.

 

Gravierende Wohnungsnot

In Ghana besteht akute Wohnungsnot. Aufgrund einer schnell wachsenden Bevölkerung und zunehmender Verstädterung spannt sich die Lage immer mehr an. Laut UN-HABITAT benötigt Ghana jährlich etwa 120 000 zusätzliche Wohneinheiten. 

Wohnungsbau ist heute weitgehend Sache von Privatpersonen und Immobilienunternehmen. Früher war das eine Aufgabe des Staats. Der Bank of Ghana zufolge bauten private Projektentwickler zwischen 2000 und 2007 durchschnittlich um die 11 000 Wohneinheiten pro Jahr. Diese sind jedoch  Haushalten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen meist zu teuer.

2005 initiierte die ghanaische Regierung ein Programm, dank dessen über Private-public Partnerships mehr als 100 000 bezahlbare Wohnungen im ganzen Land ge baut wurden – vor allem in Städten, die für Immobilieninvestitionen attraktiv sind. Andernorts verschärft sich die Wohnungsnot. Um die Lage zu entspannen, wäre es sinnvoll, in den Erhalt der traditionellen Lehmhäuser zu investieren.

2011 veröffentlichte UN-HABITAT seinen Wohnraum-Report (Housing Profile Report) für Ghana) Darin wird zwar die Bedeutung der traditionellen Lehmhäuser als Wohnraum anerkannt – aber der Bericht beleuchtet weder, was die Gebäude gefährdet, noch gibt er Empfehlungen, wie sie zu schützen und erhalten sind.

Bei den ghanaischen Institutionen sieht es kaum besser aus:

  • Ghanas Environmental Protection Agency sieht die Küstenerosion als eines der großen nationalen Umweltprobleme – erwähnt aber mit keiner Silbe die Erosion an Gebäuden und deren Einfluss auf die Wohnungssituation.
  • Der Entwurf für die National Housing Policy von 2012 sieht keine konkrete Initiative vor, um gegen Erosion vorzugehen. Kwadwo Yeboah, Chefstadtplaner im Ministerium für Kommunalverwaltungen und ländliche Entwicklung, ist erstaunt, dass „das Thema Erosion in den Gemeinden und der Zustand der Lehmhäuser in der Wohnbaupolitik nicht berücksichtigt wurden”.
  • Ghana hat Entscheidungsgremien auf lokaler und regionaler Ebene (Metropolitan, Municipal und District Assemblies – MMDAs), diese haben aber kein Mandat, sich der Wohnungsnot anzunehmen. Es gibt Umwelt- und Abwasserpläne der MMDAs – aber Erosion kommt darin kaum vor.
  • Das Town and Country Planning Department der Regierung ist für das Management des Städtewachstums verantwortlich. Sie reguliert Flächennutzungspläne und berät die MMDAs. Trotzdem bezieht sie zur Wohnungslage keine Stellung.

Da die Regierung keine Strategie gegen Erosion hat, müssen die Eigentümer der Lehmhäuser das Problem selbst, so gut sie können, in den Griff bekommen. Gras und Drainagen helfen, reichen aber nicht. Es könnte und sollte mehr getan werden – und die Politik muss handeln:

  • Auf nationaler Ebene sollte das Ministry of Works and Housing die traditionellen Lehmhäuser als für die Wohnsituation im Land wichtig anerkennen und entsprechende Maßnahmen für deren Erhalt bereitstellen.
  • Das Ministry of Environment, Science and Technology sollte einsehen, dass Erosion die Gebäude bedroht, und die MMDAs zur Verantwortung ziehen.
  • Die MMDAs sollten Debatten auf Gemeindeebene anregen und lokale Führungspersönlichkeiten einbinden, um wo immer möglich Erosion zu verhindern. Es ist wichtig, Gemeindemitglieder zu sensibilisieren und sie über kostengünstige Maßnahmen wie Graspflanzung zu informieren.
  • Traditionelle Führungspersönlichkeiten und Autoritäten sollten versuchen, die sterbende Kultur der gemeinschaftlichen Nachbarschaftshilfe wieder zu beleben, um Umweltprobleme anzugehen und Erosion in den Siedlungen in den Griff zu bekommen. Entsprechend sollten sich die MMDAs stärker um finanzielle und materielle Unterstützung für den Bau von Drainagen zum Ablauf von Regenwasser in den Gemeinden und Dörfern bemühen.

 

Benjamin D. Ofori ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Environment and Sanitation Studies (IESS) der University of Ghana. bdofori@ug.edu.gh

Jesse S. Ayivor ist ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am IESS.
jsayivor@ug.edu.gh

 

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