Gender

Allen Widrigkeiten zum Trotz

Unternehmensgründer starten Betriebe und wollen mit guten Ideen Gewinn machen. Dafür brauchen sie spezifisches Wissen, Fähigkeiten und bestimmte Charakter­eigenschaften. Theoretisch unterscheiden sich Männer und Frauen darin nicht. In der Praxis aber können Frauen ihr Potential oft wegen verschiedener Hindernisse nicht voll entfalten. Bangladesch ist ein Beispiel für diese traurige Tatsache. Allerdings helfen regierungsunabhängige Organisationen und Mikrofinanzinstitutionen, die Lage zu verbessern.

Von Jinnat Ara und Syed Abdul Hamid

Unternehmertum von Frauen ist für Entwicklungsländer wie Bangladesch wichtig, weil es zur Armutsbekämpfung beiträgt. Bisher blieben die Erfolge im Gangesdelta aber gering. Laut Handelskammerstatistiken von 2000 waren lediglich 8,3 Prozent der Selbständigen in Bangladesch Frauen. Die Quote war mit 15,4 Prozent in den Städten etwas erfreulicher. Auf dem Land betrug ihr Anteil nur 7,4 Prozent. Weniger als zehn Prozent aller Unternehmenseigner in Bangladesch sind weiblich. In modernen Ökonomien dagegen stellen Frauen mehr als ein Viertel (Hossain, 2007).

In Asien stoßen Frauen immer wieder auf die gleichen Hindernisse (Tambunan, 2009):
– eingeschränkter Zugang zu Krediten, Märkten und moderner Technik,
– geringes Selbstbewusstsein und Schutzbedürftigkeit,
– sexuelle Belästigung und andere soziokulturelle ­Barrieren,
– begrenzte Mobilität,
– geringeres Bildungsniveau und wenig Ausbildungschancen,
– Haushaltspflichten,
– mangelnde Unterstützung und Vernetzung,
– niedriger sozialer Rang und zahlreiche Vorurteile
sowie
– harte Konkurrenz sowohl auf dem Binnen- wie auf dem Weltmarkt.
Diese Themen wiegen auch in Bangladesch schwer. Das hat eine kleine Fallstudie in der Hauptstadt Dhaka gezeigt, für die wir 15 Mikro- und Kleinunternehmerinnen interviewt haben.

Große Herausforderungen

Alle 15 Frauen beklagten sich über den eingeschränkten Zugang zu Krediten, sowohl im informellen Sektor als auch bei Geschäftsbanken. Für die Mehrheit war das Hauptproblem, eine Geschäftslizenz zu bekommen. Die Frauen wünschten, die Regierung würde sie mit zinsgünstigen oder sogar zinslosen Krediten sowie vereinfachten Zulassungsverfahren unterstützen.

Auch fühlten sich viele durch Familienmitglieder, Verwandte oder Nachbarn entmutigt. 12 der 15 Unternehmerinnen wurde von Personen aus dem engeren Umfeld vom Schritt in die Selbständigkeit abgeraten. Häufig hieß es, Geschäftsfrauen seien in der Gesellschaft schlecht angesehen. Eine Frau berichtete: „Als ich meine Arbeit aufnehmen wollte, beschuldigte meine Schwiegermutter meine Eltern, mich nicht richtig erzogen zu haben.“ Eine andere wurde gewarnt: „Wenn du dein eigenes Geschäft aufziehst, heiratet dich keiner.“

Frauen, die ein eigenes Geschäft starten wollen, haben oft nur ein begrenztes Verständnis von Märkten, Preisverhandlungen und dem Geschäftsleben allgemein. Meist haben sie keine Berufs- oder technische Ausbildung. Ein Drittel der Unternehmerinnen unserer Fallstudie bestätigte, dass mindestens eines dieser Hindernisse auf sie zutraf. Geringe soziale Unterstützung und mangelnde Vermarktungschancen sind weitere Hürden.

In unserer von Männern dominierten Gesellschaft ist Diskriminierung im Familienleben wie in der Geschäftswelt allgegenwärtig. Das Bildungsniveau von Frauen ist generell niedriger als das der Männer. Folglich fällt es ihnen meist schwerer, Informationen zu Preis, Nachfrage, Zulieferung, Wettbewerb oder innovativen Alternativen zu nutzen. Wegen der schlechten Infrastruktur entscheiden sich viele Frauen für Tätigkeiten, die sie zuhause oder in der Nachbarschaft erledigen können.

Gründerinnen stehen zudem selbstverständlich vor den selben Problemen, die generell kleine und mittlere Unternehmen (KMU) plagen. Midas Financing ist eine Finanzfirma in Bangladesch, die sich auf die KMU-Förderung spezialisiert hat. Eine Midas-Studie (2009) stellte vor einiger Zeit fest, dass
– 87,9 Prozent der Gründerinnen in Bangladesch unter Kapitalmangel leiden,
– es 21,3 Prozent an guten Vertriebswegen mangelt,
– sich 20,4 Prozent leichteren Zugang zu Rohstoffen wünschen,
– 14,2 Prozent qualifizierte Arbeitskräfte bräuchten,
– 9,0 Prozent keine Geschäftserfahrung mitbringen,
– 8,7 Prozent selbst nicht ausgebildet wurden und
– 2,5 Prozent Schwierigkeiten mit der Buchhaltung haben.

Hindernisse überwinden

Trotz aller Widrigkeiten sind unsere Interviewpartnerinnen der lebende Beweis dafür, dass Erfolg möglich ist. Eine Eigenschaft verbindet sie – Entschlusskraft. Eine von ihnen erzählte: „Ja, ich bin eine Frau, aber vor allem bin ich ein Mensch. Und als Mensch kann ich alles tun. In diesem festen Glauben versuche ich meine Probleme mit Courage, mentaler Stärke und Ehrlichkeit zu lösen.“

Die meisten der 15 Frauen haben sich ihr Startkapital von Nichtregierungsorganisationen (NROs) geliehen. In Bangladesch gibt es viele Mikrofinanzierungsinstitutionen, die häufig Frauen als Zielgruppe haben. Einige Gründerinnen wurden auch von ihren Männern finanziell unterstützt. Meist haben sie sich aktiv vernetzt, um sich den Herausforderungen gemeinsam zu stellen. Diverse NROs unterstützen Unternehmerinnen dabei.

Ein prominentes Beispiel ist BRAC. Im November bediente das Mikrofinanzprogramm von BRAC fast sechs Millionen Mitglieder – die Mehrheit von ihnen weiblich. Außer mit Kleinkrediten arbeitet BRAC vor allem mit berufsrelevanten Trainingskursen – von der Landwirtschaft bis hin zum Umgang mit Computern. Die Erfahrung lehrt, dass es im Kampf gegen die Armut nötig ist, auf Genderfragen aufmerksam zu machen und das Selbstbewusstsein von Frauen zu stärken. In einem armen Land wie Bangladesch haben viele Menschen keine Alternative zur beruflichen Selbständigkeit. Die wechselseitige Unterstützung hilft vielen BRAC-Mitgliedern, den Herausforderungen gerecht zu werden.

Aarong ist das führende Modehaus in Bangladesch. Die Firma gehört BRAC und vertreibt handwerkliche und andere Waren von 1300 selbständigen Produzenten – davon sind 65 Prozent Frauen.

BRAC unterstützt außerdem landwirtschaftliche Kleinbetriebe bei der Vermarktung von Milch-, Geflügel- und Fischprodukten. Die Vegetable Seed Initiative von BRAC ist ein weiterer wichtiger sozialer Geschäftszweig. Er versorgt Kleinkreditkundinnen mit hochwertigem Saatgut. Derzeit bauen 500 000 BRAC-Mitglieder als Haupteinnahmequelle Gemüse an.

Ein weiteres BRAC-Programm heißt „Employment and Livelihood for Adolescents“. Zielgruppe sind Mädchen und junge Frauen. Das Konzept ist zweigleisig. Das Programm bietet diverse Kurse mit beruflichen Fertigkeiten an und unterstützt darüber hinaus die Teilnehmerinnen mit Finanzdienstleistungen inklusive Sparbüchern und Kleinkrediten. Es zielt darauf ab, jährlich 230 000 heranwachsenden Frauen zu helfen, zuhause eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen, die den Lebensstandard ihrer Familie steigert (siehe E+Z/D+C 2010:5, S. 196 ff.).

BRAC hat vielfältige Programme, von denen viele auf spezifische Zielgruppen wie Witwen, geschiedene Frauen oder Angehörige von Minderheiten ausgerichtet sind. Als die globale Finanzkrise zu Einsparungen in der Textilindustrie in Bangladesch führte, begann BRAC mit der Entwicklung von Fortbildungsprogrammen für Näherinnen, die ihren Job verloren hatten, um ihnen zu helfen, sich neue Einnahmequellen zu erschließen.

Die Grameen Bank ist eine weitere weltbekannte Mikrofinanzinstitution aus Bangladesch, die vor allem Kundinnen bedient. Sie hat mittlerweile über sieben Millionen Mitglieder, die Spar- und Kreditdienstleistungen in Anspruch nehmen. Dabei handelt es sich zu 97 Prozent um Frauen. Grameen Shakti (ein Ableger der Grameen Bank) hilft Frauen im ländlichen Raum mit Geld und technischem Rat dabei, sich mit nachhaltigen Energiedienstleistungen selbständig zu machen.

BRAC und die Grameen Bank sind die größten und bekanntesten Entwicklungsorganisationen aus Bangladesch, die (in wachsendem Maße auch in anderen Ländern) die berufliche Selbständigkeit von Frauen fördern. Viele kleinere NROs im Land arbeiten mit ähnlichen Mitteln. Ohne Zweifel haben sie alle dazu beigetragen, Geschlechterrollen allmählich umzudefinieren. Wie anfangs ausgeführt, haben Frauen, die ein Geschäft starten wollen, in Bangladesch immer noch viele Probleme – aber sie dringen nicht mehr in völlig unerschlossenes gesellschaftliches Territorium vor.