SDGs

Offizielle Statistiken müssen besser werden

Die zunehmende Nachfrage nach öffentlichen Leistungen setzt lokale Regierungen und andere Beteiligte unter Druck. Solide Datengrundlagen würden Entscheidungsträgern nutzen.
Satellitenfotos sind hilfreich, ersetzen aber nicht die Datenerhebung vor Ort. Siedlung in Nordghana. Screenshot: google maps Satellitenfotos sind hilfreich, ersetzen aber nicht die Datenerhebung vor Ort. Siedlung in Nordghana.

Statistiken sind in Entwicklungsländern grundsätzlich problematisch. Ohne die Hilfe von Experten vor Ort, die verlässliche Daten erheben, können weder internationale Organisationen noch nationale Regierungen den Erfolg im Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) messen. Derzeit sind mehrere Organisationen in dem Bereich aktiv, darunter das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Office for Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA).

Nach Angaben von OCHA-Mitarbeiter Kareem Elbayar gehören fehlende Daten zu den größten Problemen für viele Beteiligte am SDG-Prozess. OCHA hat ein großes Datenaustauschnetz mit 400 Partnern weltweit ins Leben gerufen, die zusammen rund 6 000 Datensätze geschaffen haben. Elbayar erklärt: „Das Ziel von OCHA ist, Daten für jeden überall kostenfrei zur Verfügung zu stellen.“ Es sollen ein vertrauenswürdiger Rahmen und Grundlagen zur Messung des SDG-Fortschritts geschaffen werden, wie er im März bei einer UN-Konferenz zu den SDGs erläuterte. Dieser Rahmen könne den Beteiligten die nötigen Informationen für effektivere Maßnahmen bieten.

Die größte Herausforderung besteht dem UN-Mitarbeiter zufolge darin, die Informationen zusammenzutragen, die später von Nutzen sein werden. Welche das sind, liegt nicht immer auf der Hand. Ein Beispiel, wo Behörden und Hilfsorganisationen zuverlässige Daten fehlten, um die Katastrophe richtig einzuschätzen, war laut Elbayar die Rohingya-Flüchtlingskrise in Myanmar und Bangladesch. „Das Ziel der Datenerhebung ist, dass keine Gruppe ausgeschlossen wird“, betont er.

Satellitengestützte Systeme wie GPS können NGOs dabei unterstützen, die Hilfe dorthin zu schicken, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Joachim Post vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sagt: „Unser Ziel ist die Kombination moderner Technologien für die Datenerhebung zur Maximierung der Hilfsmaßnahmen.“ Er hoffe, dass relevante Informationen über ein großes Datennetz jeden erreichen, der sie braucht. So könnten Entwicklungsländer gute Grundlagen zum Erreichen der SDGs schaffen.

Satellitenbilder geben zum Beispiel Aufschluss über die Qualität der regionalen Schulinfrastruktur. Doch Catherine Blampied vom Thinktank Overseas Development Institute (ODI) in London betont, dass auch mehr ausgebildete Statistiker vor Ort gebraucht würden. „Man kann den lokalen Statistik-Institutionen kaum vertrauen, weil sie in der Regel keine Daten von hoher Qualität sammeln.“ Um mehr Experten in abgelegene Gebiete zu locken, muss mehr Geld in die Hand genommen werden.

Die Wissenschaftlerin arbeitet seit 2016 daran, Datengrundlagen zu schaffen. Bisher bezieht sich ihre Arbeit auf Ghana, Kenia und Nepal, mit Schwerpunkten in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Sie hat festgestellt, dass für viele Regionen kaum oder gar keine betreffenden Daten vorlagen. Große Unterschiede gab es demnach zwischen ländlichen und urbanen Gegenden.

In Ghana zum Beispiel steht Bildung ganz oben auf der Agenda der Regierung, mehr als ein Viertel aller öffentlichen Ausgaben fließen laut Blampied in den Bereich. Trotzdem fehlten sehr viele Daten, um Lernerfolge zuverlässig zu messen. Der Wissenschaftlerin zufolge „gehen derzeit 18 Prozent der Kinder, vor allem Mädchen, in Nordghana nicht zur Schule, während der Landesdurchschnitt nur bei vier Prozent liegt.“ Der Unterschied rühre vermutlich daher, dass Nordghana überwiegend ländlich und weniger entwickelt sei als der Süden des Landes.

Ein weiteres großes Problem stellen fehlende Daten über benachteiligte Gruppen dar, etwa über Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI). Justus Eisfeld vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) weist darauf hin, dass „44 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern leben, in denen es illegal ist oder schwer bestraft wird, Teil der LGBTI-Community zu sein.“ Diskriminierung erschwere grundsätzlich die Datenerhebung. Selbst in entwickelten Ländern sei die Datenlage über sexuelle Minderheiten schlecht, denn Stigmatisierung führe dazu, dass Betroffene in Umfragen eher nicht die Wahrheit sagten.

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