Wasser

Recht ohne Handhabe

In einer Resolution hat sich die UN-Generalversammlung Ende Juli mit überwiegender Mehrheit für ein Men­schen­recht auf Wasser ausge­spro­chen. Bindend ist es nicht. Zudem wäre es eigentlich unnötig gewesen. Denn implizit gibt es ein solches Recht schon. Was fehlt, ist vielmehr ein Klageweg.

Die San-Buschmänner in Botswana dürfen in ihr angestammtes Wohngebiet in der Kalahari-Wüste zurückkehren. Das haben sie sich 2006 vor Gericht erstritten. Doch der Staat verbietet ihnen, ein dort vorhandenes Bohrloch in Betrieb zu nehmen. Deshalb, so berichtet die britische BBC, müssen sie ihr Wasser 40 Kilometer in ihre Heimat transportieren. Das oberste Gericht in dem westafrikanischen Staat hat der Regierung Botswanas im Juli Recht gegeben. Wenn sie sich in einem so weit entfernten Gebiet ansiedeln wollten, müssten sie die Konsequenzen selber tragen, zitiert die Organisation Survival International den Richter.

„Das ist sehr übel. Wenn wir kein Wasser haben, wie sollen wir dann leben?“, fragte der Sprecher der San-Buschmänner. Und genau deswegen – weil Wasser notwendig zum Leben ist – verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, in der sie das Recht auf Wasser als fundamentales Menschenrecht anerkennt. Das war eine Woche nach dem Urteil in Botswana. Von 192 Mitgliedsstaaten stimmten 122 für die Resolution, 41 enthielten sich. Auch Botswana enthielt sich. Was nach einem Durchbruch im internationalen Recht klingt, ist jedoch nicht mehr als ein Statement. 884 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 1,5 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an den Folgen von unsauberem Wasser.

Dabei gibt es ein Recht auf sauberes Trinkwasser eigentlich schon im internationalen Recht. Zwar gibt es keinen eigenen Artikel dafür. Aus anderen Normen aber lässt es sich herauslesen. Da gibt es das Recht auf Leben in Artikel 6 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte. In einem anderen internationalen Pakt – über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – erkennen die Unterzeichner in den Artikeln 11 und 12 zudem das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und körperliche und geistige Gesundheit an. „In der Zusammenschau dieser und anderer Normen gibt es das Recht auf Wasser schon“, sagt Knut Bourquain. Er ist Jurist und hat über einen Anspruch auf Wasser im internationalen Recht promoviert. Auch die Weltgesundheitsorganisation plädiert für ein durchsetzbares Recht auf sauberes Trinkwasser.

„Zurzeit gibt es aber vor allem ein Problem“, erläutert Bourquain. „Einerseits haben die Staaten viele grundsätzliche Verpflichtungen, ihre Bürger mit Trinkwasser zu versorgen. Andererseits haben Betroffene nur wenige und ineffektive Möglich­keiten, diese Rechte auf internationaler Ebene einzuklagen.“ Eine solche Möglichkeit ist eine Beschwerde vor dem Menschenrechtsausschuss (CCPR).

Der Knackpunkt: Dieser Ausschuss ist nur für die Umsetzung des Pakts für bürgerliche und politische Rechte zuständig. Deswegen gibt es in puncto Wasser nur einen Fall, in dem Individuen dort eine Beschwerde vortragen können. Dann nämlich, wenn ihr Leben durch fehlenden Zugang zu Wasser bedroht ist. „Das Recht auf Leben ist aber ein sehr eingeschränkter Fall“, weiß Jurist Bourquain. „Wenn die­jenigen, die sich beschweren, an einem anderen Ort Wasser holen können, ist es schon nicht mehr betroffen.“ Außerdem gilt die Beschwerdemöglichkeit sowieso nur für Bürger derjenigen Länder, die das entsprechende Zusatzprotokoll unterschrieben haben. Botswana hat den Pakt über bürger­liche und politische Rechte im Jahr 2000 ratifiziert, das Zusatzprotokoll aber nicht.

Auf internationales Recht also können die San in ihrem aktuellen Fall nicht hoffen. Doch selbst wenn sie das könnten, hätten sie nach aktueller Rechtslage nur wenig Hoffnung auf Besserung. „Geht eine Beschwerde ein, können die Ausschussmitglieder feststellen, dass der entsprechende Staat das Recht der Betroffenen verletzt hat“, erläutert Bourquain. „Dann müsste der Staat handeln“, so der Jurist. Zwingen aber kann ihn niemand.

„Die Möglichkeiten, dass Wassernutzer durch individuelle Beschwerden ein bestimmtes Staatshandeln erwirken können, sind im internationalen Recht nur sehr schwach ausgebildet“, fasst Bourquain den Status quo zusammen. Er plädiert aber dafür, dass sich das ändert. Könnten sich Einzelne beschweren, würden sie automatisch den Staat zu mehr Rechenschaft zwingen, so seine Meinung. „Das heißt ja nicht, dass der Staat Wasser frei Haus liefern muss“, schränkt er ein. Aber es solle schon international überprüfbar sein, ob ein Staat tatsächlich alles ihm Mögliche tut, um seine Bürger mit Wasser zu versorgen.

Doch obwohl es bereits ein implizites Recht auf Trinkwasser gibt und sich internationale Organisationen bereits seit 1977 mit dem Thema beschäftigen, hat sich bisher nichts verändert. „Die Fortschritte auf dem Weg zur Überwindung dieser Probleme des Wassersektors sind bisher nicht sehr ermutigend“, resümierte auch der erste Weltwasserentwicklungsbericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2003, an dem 23 UN-Organisationen mitarbeiteten. Dabei „kann ein besserer Zugang der Armen zu besser bewirtschafteten Wasserressourcen enorm zur Beseitigung der Armut beitragen“, heißt es dort ebenso.

Ein erster Schritt dazu wäre nach Meinung von Bourquain, wenn Individuen auch gegenüber dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Beschwerde einreichen könnten. Dann könnten sie das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard geltend machen und ihre Regierung rügen lassen. (cir)

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