Erfolgsmessung

Datenlücken

Die Weltbank braucht zuverlässigere Daten über Entwicklungsfortschritte. Bessere Umfragen und Volkszählungen würden vor allem Nationalstaaten dienen, sind aber auch international sinnvoll. Ob Ziele erreicht werden, ist nur anhand solider Statistiken zu beurteilen.
Es kommt auf jede einzelne Person an: Straßenverkehr in Hanoi. Dembowski Es kommt auf jede einzelne Person an: Straßenverkehr in Hanoi.

Die Weltbank orientiert sich an zwei Zielen: extreme Armut weltweit bis 2030 zu beenden und in jedem Land Einkommenssteigerungen für die unteren 40 Prozent zu erreichen. Das haben die Aufsichtsgremien der Bank im Herbst 2013 beschlossen. In einem kürzlich veröffentlichten „Policy Research Report“ untersucht die Bank nun, wie der Fortschritt hinsichtlich beider Ziele gemessen werden kann. Die Kernbotschaft ist, dass Statistiken besser werden müssen.

Die beiden Ziele sind verwandt, ihr Monitoring erfordert aber unterschiedliche Daten. Die Autoren führen aus, dass extreme Armut nicht vollständig zu beseitigen ist, weil manche Menschen in besonders ungewöhnlichen Lebensumständen leben. Zudem sei Armut in manchen Ländern noch zu „tief und weit verbreitet“, als dass sie bis 2030 eliminiert werden könne. Deshalb will die Weltbank den Anteil der extrem armen Menschen an der Weltbevölkerung auf drei Prozent begrenzen. Das sei anspruchsvoll, aber realistisch.

Um Fortschritt zu messen, brauchen die Fachleute zuverlässige Zahlen über die Größe der Weltbevölkerung und das Ausmaß der Armut in jedem Land. Solche Probleme gibt es auch bei den UN-Millen­niumszielen und den Sustainable Devel­opment Goals, die auf sie folgen sollen. Die Weltbankautoren betonen, dass statistische Ämter in armen Ländern oft besonders schwach sind – und in fragilen Staaten erst recht. Ohne gute nationale Basis sind aber zuverlässige internationale Statistiken nicht zu haben.

Um zu erfassen, wie es den unteren 40 Prozent in einem Land geht, sind keine globalen Daten nötig. Erhebungen müssen aber im Zeitverlauf vergleichbar bleiben. Die Weltbank warnt, das sei nicht gegeben, wenn Methodik und Fragebögen zu oft verändert werden. Bauern etwa würden anders antworten, wenn sie unmittelbar nach der Ernte nach ihrer Situation befragt werden, als in für sie schwierigeren Jahreszeiten. Wenn arme Menschen sagen sollen, was sie in den vergangenen Woche gegessen hätten, so würden ihre Antworten auch auf geringere Not hinweisen, als wenn sie über 14 Tage berichteten – weil dann die Erinnerung weniger genau ist. Die Weltbankexperten legen deshalb Wert darauf, dass Umfragen konsistent durchgeführt werden. Sie halten aber auch fest, dass Statistiken vor allem der nationalen Politik dienen, und dass Erhebungen über Einkommen und Konsum auf das jeweilige Land zugeschnitten sein müssen. Keine Regierung könne ohne solche Daten ihre Politik klug gestalten. Die Autoren wollen also nicht Erhebungen zum Zweck der internationalen Vergleichbarkeit weltweit vereinheitlicht sehen.

Ihre Publikation erläutert überzeugend, warum Volkszählungen, Umfragen und volkswirtschaftliche Statistiken über Wachstum und Inflation für die entwicklungspolitische Erfolgskontrolle unerlässlich sind. Sie diskutiert zudem die Methoden, mit denen Statistiker Datenlücken überbrücken. Das läuft indessen immer auf Schätzungen hinaus, die kein wirklicher Ersatz für echte Daten sind.

Die Studie hält zudem fest, dass Trends sich nach einiger Zeit auch wieder ändern. Positive Entwicklung kann unter anderem von Wirtschaftskrisen, politischer Instabilität, Bürgerkrieg, Klimawandel oder Epidemien unterbrochen werden. Dennoch ist es sinnvoll, statistische Kapazitäten auszubauen, denn je besser die aktuelle Entwicklung verstanden wird, desto leichter lässt sich abschätzen, wie künftige Veränderungen aussehen können.

Der Report der Weltbank beschäftigt sich mit einem wichtigen Expertenthema. Leider ist er aber schlecht redigiert. Es wimmelt von Fachjargon, langatmigen Sätzen und eitler Rhetorik. Möglicherweise fühlen sich Autoren klug, wenn sie beispielsweise auf S. 114 schreiben, Datenklarheit sei „a key quality to crystallising political traction around goals“ (etwa: ein Schlüsselkriterium, um politische Schlagkraft um Ziele herum herauszukristallisieren). Die Metapher ist aber hässlich und die Aussage bleibt vage.

Hans Dembowski

Link:
World Bank, 2014: A measured approach to ending poverty and boosting shared prosperity.
 

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