Die Flucht vor Krieg

Verlorene Jungen und Mädchen

Mehr als 20 000 Kinder flohen in den 1980ern vor dem Bürgerkrieg im Sudan, zunächst nach Äthiopien und später nach Kenia. Viele von ihnen starben auf dem Weg dorthin.
Kinder im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia. Sean Sprague/Lineair Kinder im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia.

Etwa 2 Millionen Menschen fielen dem sudanesischen Bürgerkrieg in den 1980ern zum Opfer, 30 000 Kinder wurden zu Waisen. Manche der Waisen, die das Land verlassen hatten, wurden als „Verlorene Jungen aus dem Sudan“ bekannt. Dieser Name war ihnen von den Mitarbeitern der humanitären Organisationen, die sich an den Zufluchtsorten um sie kümmerten, gegeben worden. Ursprünglich umfassten die „Verlorenen Jungen“ – später auch die „Verlorenen Jungen und Mädchen“ – mehr als 20 000 Minderjährige, die den Ethnien der Nuer und Dinka angehörten.

Manche der Flüchtlinge waren gerade einmal fünf Jahre alt; jüngere Kinder waren den älteren beim Verlassen ihrer zerstörten Dörfer einfach gefolgt. Die Kinder brachen auf, nachdem ihre Häuser niedergebrannt und ihre Eltern getötet worden waren.

Zuerst suchten die Minderjährigen in Äthiopien Asyl. Doch die äthiopische Regierung wurde 1991 gestürzt. Die darauf folgende Instabilität zwang sie, nach Kenia abzuwandern, dort war ihr Ziel das Flüchtlingslager Kakuma.

Es war eine gefährliche Flucht. Viele Kinder starben unterwegs, sodass ihre Zahl zwischen 1991 und 1992 auf 12 000 sank. Besonders riskant war die Überquerung des reißenden und krokodilverseuchten Gilo, eines Flusses zwischen dem Sudan und Äthiopien.

Ein Flüchtlingslager ist als Übergangslösung für Vertriebene vorgesehen, solange nach einer dauerhaften Unterkunft für sie gesucht wird. Doch dauerhafte Unterkünfte für Flüchtlinge sind schwer zu finden. Viele der „Verlorenen Jungen und Mädchen“ blieben in Kakuma, heirateten und gründeten Familien dort. Wer zu den Glücklichen gehörte, bekam humanitäre Hilfe, um ins Ausland umzusiedeln.

„Ich war zwölf Jahre alt, als unser Dorf angegriffen und meine Eltern getötet wurden“, erzählt Simon Deng, einer der „Verlorenen Jungen“, der noch immer in Kakuma lebt. „Ich sah, wie andere Kinder im Gilo starben. Seit 29 Jahren lebe ich nun in Kakuma. Da wir auf Unterstützung angewiesen sind, stehen die Chancen, das Lager zu verlassen, schlecht.“


Qaabata Boru st äthiopischer Journalist und hat selbst im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia gelebt. Er ist Gründer und Chefredakteur von Kakuma News Reflector (Kanere), einer von Flüchtlingen gemachten Online-Zeitung.
kakuma.news@gmail.com
https://kanere.org/

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